Optimiertes Peer Reviewing in den Digital Humanities
https://zenodo.org/records/6328003
Beschreibung des Themas
Peer reviewing gilt auch in den Digital Humanities als die wissenschaftliche Qualitätssicherungsmaßnahme
für Publikations- und Veranstaltungsformate. Die Umsetzung, ob als
open, blind oder
double-blind steht dabei schon seit einigen Jahren in der Diskussion und - ungeachtet des gewählten
Verfahrens - in der Kritik. Bei der DHd-Jahrestagung 2022 wurde nach einigen Jahren
des
blind peer reviewing zum ersten Mal eine Variante des
open peer reviewing für diese Tagungsreihe eingesetzt. In diesem neuen Ansatz erfahren die Autor:innen
die Namen der Gutachter:innen, was für mehr Transparenz, Qualität und Fairness des
Begutachtungsprozesses sorgen soll.
Rund um das Begutachtungsverfahren waren aber nicht nur die Form des Reviewings, sondern
auch die Begutachtungskriterien der DHd-Jahrestagungen in den letzten Jahren immer
wieder Gegenstand der Diskussion innerhalb der Community. Dies ergab sich nicht zuletzt
daraus, dass die Kriterien seit der 1. DHd-Jahrestagung in Passau nicht umfassend
weiter spezifiziert wurden sowie teilweise unscharfe Begriffe und Kategorien beinhalten.
Eine weitere Besonderheit der Digital Humanities (im deutschsprachigen Raum) ist die
Interdisziplinarität bzw. die Diversität der Fachtraditionen in der Wissenschaftskommunikation
(z.B. Kritiklevel) und im Reviewprozess. Gleichzeitig ist die DHd-Community neuen
experimentellen Formaten aufgeschlossen, weil sich noch keine Traditionen etabliert
haben und dadurch die Gestaltungsfreiheit bei der Community liegt.
Um diesen Überlegungen Rechnung zu tragen, gründete sich die Task Force “Optimized
Peer Review” (OPR), die durch einen bei der vDHd veranstalteten Workshop (Burghardt
et al. 2021) um weitere Mitglieder ergänzt wurde. In Absprache mit dem DHd-Vorstand
sowie dem aktuellen Programmkomitee entwickelte die Task Force eine Handreichung für
das
peer reviewing der DHd 2022 mit weiterführenden Erklärungen der Kriterien und Empfehlungen zur Begutachtung
in der DHd-Community, die bereits für den Reviewprozess der DHd-Jahrestagung 2022
an die Reviewer:innen verteilt wird.
Ein globales Ziel der Handreichung ist es, eine größere Einheitlichkeit in der Anwendung
der Begutachtungskriterien für Beiträge zur DHd-Jahrestagung zu schaffen.
Diese neuen Entwicklungen und die damit verbundenen Diskussionen und Beschlüsse sind
gerade für noch unerfahrene Reviewer:innen nicht immer leicht nachzuvollziehen, daher
möchte die erwähnte Task Force mit diesem Workshop ein Format anbieten, um sich über
die Begutachtungspraxis der DHd zu informieren, einen Ort für Austausch zwischen mehr
und weniger erfahrenen Reviewer:innen zu schaffen, aber auch konkret das Schreiben
von Gutachten zu erproben.
Ablauf
Der Workshop wird eine Mischung aus theoretischen Input- und interaktiven Diskussions-
und Anwendungsphasen sein. In den Inputphasen wird ein Überblick über die unterschiedlichen
Varianten des
peer reviewing sowie eine Darstellung aktueller Diskurse aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven
zum Begutachtungswesen gegeben. Hiermit wird ein möglichst einheitlicher Wissensstand
geschaffen und Grundlage für die anschließenden Diskussionsrunden gelegt. Diese finden
in Kleingruppen statt, in denen Erfahrungsaustausch und konstruktive Diskussion an
erster Stelle stehen. Ziel ist es, Feedback zum derzeitigen Reviewprozess der DHd-Jahrestagungen
sowie der Interpretation der Reviewkriterien zu bekommen. Daher versteht sich der
Workshop nicht nur als Format für die Wissensvermittlung zum neuen Reviewverfahren,
sondern auch als diskursiver Raum, um die weitere Gestaltung künftiger Begutachtungsverfahren
transparenter zu gestalten und noch enger an die Bedarfe der Community zu koppeln.
Zu Beginn des Workshops stellt das Organisationsteam das Thema, den Workshopablauf
sowie die Ziele des Workshops vor. Darauf folgt eine Aktivierungsphase: Didaktisch
organisiert als „Think-Pair-Share“-Aufgabe sind die Teilnehmenden dazu aufgefordert,
zunächst in Einzelarbeit (
Think-Phase) orientiert an einer Leitfrage ihre Erfahrungen mit dem
peer-reviewing-Verfahren zu reflektieren.
Anschließend werden diese Reflektionen in Partnerarbeit (
Pair-Phase) mit dem Ziel diskutiert, positive und negative Erfahrungen der Teilnehmenden zu
sammeln und insbesondere Bedarfe der Teilnehmenden im Rahmen des Begutachtungsprozesses
zu benennen: Welche Unterstützung wünschen sich die Teilnehmenden von Programmkomitee
und Verband? Wie kann negativen Reviewerfahrungen aktiv vorgebeugt werden? Wie lassen
sich künftige Reviewprozesse aufgrund der gemachten Erfahrungen optimieren?
In der
Share-Phase soll der Fokus nach einer kurzen Schilderung der positiven Erfahrungen auf die negativen
Erfahrungen gelenkt werden, zu denen sodann in Kategorien gebündelt die Ideen und
Lösungsvorschläge der Teilnehmenden im Plenum diskutiert werden.
Diese erste Arbeitsphase dient der Aktivierung und Sensibilisierung der Teilnehmenden
für das Thema Reviewing und für die Komplexität von negativen Erfahrungen im Reviewprozess
sowie seiner Vereinheitlichung und Qualitätssicherung.
Die
Share-Phase dient gleichzeitig als Überleitung zum Überblicksvortrag der Beitragenden, in dem
die Ideen und ersten Umsetzungen vorgestellt werden, die die Task Force innerhalb
des letzten Jahres erarbeitet haben:
- Handreichung: Empfehlungen für besseres Reviewing
- Handreichung: Schärfung der Reviewkriterien
- Community Maßnahmen: Ombudsstelle, Review Award, Community Engagement
Anschließend gibt es eine moderierte Diskussionsrunde zum Vorgehen und zu den Ideen
der Task Force, aus der sich die Beitragenden konstruktives Feedback versprechen.
Außerdem soll die Diskussionsrunde als Möglichkeit dienen, den Teilnehmenden Teilhabe
an der weiteren Gestaltung des Reviewprozesses (inklusive flankierender Maßnahmen
wie der Ombudstelle und dem
best review award) zu gewähren.
Nach der Diskussion wird in einem praxisorientierten Teil auf das Schreiben von konstruktiven
Gutachten eingegangen. Anhand von Fallbeispielen geben erfahrene Gutachtende und die
Beitragenden in kleinen Gruppen Tipps für das Formulieren von Lob und Kritik, für
die generelle Bewertung von Einreichungen orientiert an der Handreichung und gehen
auf die Fragen der Teilnehmenden ein. Auch wird anhand der Fallbeispiele konkret das
Formulieren von konstruktivem Feedback erprobt. Durch diese Einheit wird das im Workshop
vermittelte Wissen um exemplarische Beispiele ergänzt und so die Hürde für das Schreiben
eines ersten Reviews gemindert.
Den Abschluss des Workshops bildet eine Ergebnisdokumentation, die zusätzlich zu einer
Workshopdokumentation mit den Teilnehmer:innen und der Community über einen DHd-Blogpost
geteilt wird. Zudem wird die Dokumentation in die weitere Arbeit der Task Force einbezogen
werden.
Bei diesem Workshop profitieren die Teilnehmenden sowie die Beitragenden vom gemeinsamen
Wissens-, Erfahrungs- und Ideenpool und integrieren so aktiv die DHd-Community in
die Gestaltung des
peer-reviewing-Prozesses der zukünftigen Jahrestagungen.
Ablaufplan
| Phase | Inhalt(e) | Sozialform und Methode(n) | Medien |
Zeit in min |
| 1. Begrüßung | Plenum | 7 | ||
| 2. Vorstellung | Organisationsteam, Teilnehmende, Thema, geplanter Ablauf | Beamer-Präsentation | 7 | |
| 3. Aktivierungsphase | „Think-Pair-Share“-Aufgabe | 45 | ||
| a) Think-Phase | Reflektion peer-reviewing-Erfahrungen orientiert an Leitfragen | Einzelarbeit | Blatt DIN A4 + Stift | 5 |
| b) Pair-Phase | Positive Erfahrungen herausstellen, Lösungen für neg. Erfahrungen formulieren | Partner:innenarbeit | Blatt DIN A3 + Stifte | 15 |
| c) Share-Phase | Diskussion der Ideen und Lösungsvorschläge | Plenum, Gruppengespräch | Sammeln der Beiträge in Beamer-Präsentation | 25 |
| 4. Pause | 15 |
| Phase | Inhalt(e) | Sozialform und Methode(n) | Medien |
Zeit in min |
| 5. Input | (77) | |||
| a) Vortrag A |
Überblick zu Begutachtungsvarianten - Was ist peer reviewing? (generell) - Was ist open peer reviewing? (spezifisch) - verschiedene peer-reviewing-Varianten (Überblicksfolie mit Varianten in Spalten) |
Vortrag | Beamer-Präsentation | 10 |
| b) kurze Interaktion | Zeit zur Klärung von Rückfragen | Plenum | 7 | |
| c) Impulsvorträge |
Reviewroutinen in verschiedenen Fachdisziplinen; allgemeine Erfahrungen aus drei verschiedenen Perspektiven (Informatik, Germanistik, DH2020) |
Vortrag | Beamer-Präsentation | 15 |
| d) Interaktion | Frage ans Plenum: Wie läuft das Reviewing in Ihrer Disziplin? (Leitfrage für moderierten Austausch) | Plenum | 10 | |
| e) Vortrag B |
Infos zur Task Force OPR - spezifisch im DHd-Kontext: normale Begutachtungspraxis bis 2020 - Entscheidung in der Mitgliederversammlung 2020 - Gründung der Task Force - Aufgaben der Task Force - Zwischenergebnisse: Abschnitte der Handreichung, Ombudstelle, Coaching für neue Reviewer:innen |
Vortrag | Beamer-Präsentation | 20 |
| 6. Diskussion | moderierte Diskussionsrunde zu Vorgehen/Ideen der Task Force, Fokus: Handreichung |
Plenum, Gruppengespräch |
15 | |
| 7. Pause | 15 |
| Phase | Inhalt(e) | Sozialform und Methode(n) | Medien |
Zeit in min |
| 8. Coaching | (55) | |||
| a) Impuls | Wie schreibt man ein gutes Review? Wie wird konstruktives Feedback formuliert? Was sind die Hürden beim Schreiben des ersten Reviews? |
experimentelle Mischung: Plenum, Gruppengespräch, Vortrag |
Sammeln der Beiträge in Beamer-Präsentation | 15 |
| b) Fallbeispielarbeit | Formulierung von konstruktivem Feedback anhand zur Verfügung gestellter Beispiele (3 Texte für 6 Gruppen) hinsichtlich der Kriterien in der Handreichung | Partner:innenarbeit | Laptops oder Blatt DIN A4 + Stift | 25 |
| c) Diskussion | Diskussion der Ergebnisse | Plenum | Sammeln der Beiträge in Beamer-Präsentation | 15 |
| 9. Ergebnisse | Dokumentation der Ergebnisse | Plenum, Gruppengespräch | Sammeln der Beiträge in Dokument als Ergebnisdokumentation (Grundlage für Blogpost) | 10 |
| 10. Abschluss | Feedbackblock und Ausblick | Plenum | Beamer-Präsentation | 9 |
| 240 |
Lernziele
Die Teilnehmenden erkennen die Komplexität des
peer reviewing im DHd-Kontext.
Die Teilnehmenden reflektieren persönliche Reviewerfahrungen und formulieren konstruktive
Ideen und Lösungsvorschläge zur Verbesserung des Reviewverfahrens.
Die Teilnehmenden erhalten Informationen über das Vorgehen der Task Force, diskutieren
ihre Vorschläge und geben konstruktives Feedback.
Die Teilnehmenden üben das konstruktive Formulieren von Feedback und erhalten bewährte
Formulierungen als Anregung für zukünftige Reviews.
Kontaktdaten aller Beitragenden
Svenja Guhr (svenja.guhr@tu-darmstadt.de) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der TU Darmstadt. Sie lehrt und forscht in der computationellen Literaturwissenschaft mit Forschungsinteresse in automatisierter Analyse von Prosatexten, Lautstärke als narratologisches Phänomen und Gender Studies.
Timo Steyer (t.steyer@tu-braunschweig.de) leitet das Referat Informationskompetenz an der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Braunschweig. Er ist seit vielen Jahren in den Digital Humanities aktiv und ist Convenor der DHd-AG Digitales Publizieren. Seine Forschungsinteressen sind digitales Publizieren, (Meta)datenmodellierung und Data Literacy.
Walter Scholger (walter.scholger@uni-graz.at) ist Institutsmanager am Zentrum für Informationsmodellierung der Universität Graz, Sprecher des CLARIAH-AT Konsortiums und Co-Lead der DARIAH-EU Arbeitsgruppe zu ethischen und rechtlichen Aspekten der Digital Humanities (ELDAH) und bearbeitet die Themenfelder Open Science sowie Aspekte der digitalen Veröffentlichung und Nachnutzung von Forschungsdaten aus den Bereichen Wissenschaft und Kulturerbe.
Angaben zum Zielpublikum
Zahl der möglichen Teilnehmer:innen: < 30 Personen
Das Zielpublikum umfasst alle, die sich für den Begutachtungsprozess der Tagungen des DHd-Verbandes und ähnlicher Veranstaltungen interessieren. Es werden keine Vorkenntnisse benötigt. Angesprochen sind vor allem junge Wissenschaftler:innen, die planen erste Reviewanfragen anzunehmen und den Workshop als Orientierung nutzen wollen, um sich mit erfahrenen Reviewer:innen auszutauschen. Für den Erfahrungsaustausch freuen wir uns über die Teilnahme erfahrener Reviewer:innen, die best-practice-Erfahrungen und erfolgreiche Routinen mit den Teilnehmenden sowie den Beitragenden teilen möchten. Zusätzlich wollen wir Teilnehmende ansprechen, die den Workshop nutzen möchten, um ihre eigene Reviewpraxis zu reflektieren und aktiv an der Qualität ihrer Reviews zu arbeiten.
Benötigte technische Ausstattung
Benötigt werden ein Beamer für die Präsentation in der Einleitungsphase sowie WLAN
im Seminarraum mit Zugang für die Teilnehmer:innen und die Workshopleitung.
Die Teilnehmer:innen bringen ihren eigenen internetfähigen Laptop mit.
Bibliographie
- Burghardt, Manuel / Dieckmann, Lisa / Guhr, Svenja / Reiter, Nils / Scholger, Walter / Steyer, Timo / Trilcke, Peer / Wuttke, Ulrike (2021): Handreichung für den Begutachtungsprozess der DHd2022. Zenodo doi:10.5281/zenodo.5093652.
- Burghardt, Manuel / Dieckmann, Lisa / Reiter, Nils / Steyer, Timo / Scholger, Walter / Trilcke, Peer / Wuttke, Ulrike (2021): Besseres Reviewing für die DHd (Version 1.0). Zenodo doi:10.5281/zenodo.4633633.
- DFG (2010): Hinweise zu Fragen der Befangenheit, DFG-Vordruck 10.201, https://www.dfg.de/formulare/10_201/ [letzter Zugriff 14. Juli 2021].
- Omer, Ahmad / Abdularhim, Mohhamed (2017): "The criteria of constructive feedback: The feedback that counts", in: Journal of Health Specialties 5(1): 45 https://link.gale.com/apps/doc/A479274547/HRCA?u=anon~5c61e832&sid=bookmark-HRCA&xid=647edcaf [letzter Zugriff 14. Juli 2021].
- Ross-Hellauer, Tony (2017): “What is open peer review? A systematic review”, in: F1000Research 6: 588 doi:10.12688/f1000research.11369.2.
- Ross-Hellauer, Tony / Görögh, Edit (2019): “Guidelines for open peer review implementation”, in: Res Integr Peer Rev 4(4) doi:10.1186/s41073-019-0063-9.