Aufführungsinformationen in der Mixed Music Systematische Herausforderungen als Indikatoren musikpraktischer Tendenzen
Eine aktuelle Herausforderung ist in vielen Bereichen der Musik und der Darstellenden Künste die Strukturierung und Kategorisierung von vorhandenen Aufführungsinformationen. Diese ermöglichen es nicht nur, entsprechende Aufführungen zu beforschen, sondern erlauben es auch perspektivisch, Querverweise und Verlinkungen zu anderen, bereits bestehenden Datenbanken, Archiven und Bibliothekskatalogen zu setzen (Dennerlein 2020). Für musikalische Aufführungen sind solche Informationen sehr heterogen und reichen von Angaben zu Ort und aufführenden Personen bis hin zur verwendeten Instrumentierung und Tonaufnahmen von Einzelaufführungen. Für Verweise zu anderen Informationsquellen ist daher, neben einer guten systematischen Aufbereitung der Informationen selbst, auch die Etablierung übergreifender Kategoriesysteme und (Daten-)Modelle nötig, die eine Verlinkung und auch eine adäquate Darstellung der vorhandenen Inhalten ermöglichen. Besonders herausfordernd ist diesbezüglich die Betrachtung Elektroakustischer Musik und Computermusik, zwei Bereiche, die neben der Kategorisierung bekannter musikbezogener Inhalte auch eine Auseinandersetzung mit den sich schnell entwickelnden Technologien erfordern, die diese Musik grundlegend prägen.
Dies wird unter anderem an der im deutschsprachigen Raum genutzten Gemeinsame Normdatei GND deutlich, einem institutionsübergreifenden Format um Inhalte wissenschaftlicher und kultureller Art zu beschreiben und entsprechend die beschriebenen Inhalt kooperativ nutzbar zu machen. Elektroakustische Musik und Computermusik werden bisher in der GND nicht explizit berücksichtigt (Bircher & Wiermann 2018: 2), sondern unter ‚Elektronische Musik‘1 subsummiert. Dies bringt grundlegende terminologische Herausforderungen mit sich, sowohl in Bezug auf eventuelle Zuordnungen zu Normdaten als auch hinsichtlich der in den Quellen vorhandenen Bezeichnungen: zum einen ist der Begriff ‚Elektronische Musik‘ in der Musikforschung nicht eindeutig und verändert im Laufe des 20. Jahrhunderts gruppenabhängig die Bedeutung, zum anderen spiegeln gerade die vielfältigen wie nicht einheitlichen Bezeichnungen der technischen Instrumentierung implizit die (Weiter-)Entwicklung der Technologien und den jeweiligen Blick auf dieselben wider – zwei Aspekte, die wiederum als Anzeichen musikpraktischer Tendenzen gelesen werden können.
Am Beispiel von Mixed Music Kompositionen, die in den 1980er Jahren am IRCAM entstehen, werden im Folgenden einige begriffliche Unschärfen aufgezeigt und anhand eines bestehenden Aufführungsdatensatzes Herausforderungen für die Kategorisierung der Instrumentierung veranschaulicht. Abschließend wird kurz diskutiert, welche Auswirkungen diese Konstellation auf die Aufführungsinformationen haben kann und inwiefern diese Inkonsistenzen in einer etwas weiter gefassten Betrachtung als Indikatoren aufführungspraktischer Aspekte gelesen werden können.
Herausforderungen der Kategorisierung
Für Werkbeschreibung musikalischer Arbeiten wird im Rahmen der GND auf zwei Listen verwiesen, eine beinhaltet normierte Besetzungsangaben (AH-001) und eine Begriffen für die Kompositionsart (AH-002). In den Besetzungsangaben werden für die Instrumentierung vier Bezeichnungen gelistet, die für den Bereich Elektroakustische Musik und Computermusik zutreffen: ‚Elektronik (Musik)‘, ‚Live Elektronik‘, ‚Tonband‘ und ‚Zuspielaufnahme‘. Die Bezeichnungen ‚Lautsprecher‘ und ‚Tonspur (Zuspielaufnahme)‘ werden zwar genannt, aber nicht als Besetzung klassifiziert (DNB 2020b: 17 und 27). Unter „Verwendungshinweise und Erläuterungen“ sind Zusätze dargelegt, die eine Zuordnung zu den Begriffen erleichtern sollen. Für ‚Elektronik‘ ist beispielsweise konkretisiert: „Für nicht-spezifische, passive elektronische Klang- und Bilderzeugung (Computermusik, konkrete Musik u. a.). Elektronik wird immer als ein Instrument gezählt. Nicht zu verwechseln mit Live-Elektronik oder Zuspielaufnahme. Bloße Verstärkung wird nicht als Elektronik erfasst.“ (DNB 2020b: 11)
Computermusik scheint damit der Besetzungsangabe ‚Elektronik‘ zugeordnet zu sein, wobei die ‚aktive‘ Klangerzeugung ebenso ausgeschlossen wird, wie das Zuspielen eines vorgefertigten Audio-Tracks, was als ‚Zuspielaufnahme‘ definiert wird (DNB 2020b: 29). Noch größer wird die Herausforderung einer passenden Zuordnung bei der Betrachtung von sogenannten ‚Mixed Music‘-Kompositionen. Dies bezeichnet musikalische Arbeiten, die – nach der heute gängigen, breiten Definition – zwei Bereiche vereinen: einen instrumentalen Teil, bei dem die Klänge live von Musikerinnen und Musikern erzeugt werden und einen elektronischen Teil, bei dem Klänge elektroakustischen Ursprungs – von einem Tonband bis hin zu digitaler Klangsynthese – über Lautsprecher verbreitet werden (Boutard & Féron 2017; Boutard & Marandola 2014). Frühe Mixed Music Kompositionen sind oft für traditionelle Musikinstrumente und Zuspielband bzw. Tonband komponiert, enthalten also vorproduzierte audiovisuelle Tracks oder Tonaufnahmen, die teilweise im Original mit der Angabe ‚Tonband‘ versehen sind (DNB 2020b: 27). Diese Beschreibung unterliegt jedoch verschiedenen Kategorien: Während die Bezeichnung ‚Tonband‘ für Stücke verwendet werden soll, die für Tonband komponiert sind, soll ‚Zuspielaufnahme‘ verwendet werden, wenn das Tonband nur zur Zuspielung Verwendung findet. Diese Unterscheidung ist nicht aussagekräftig, da auch eine ‚Zuspielaufnahme‘ vorproduziertes audiovisuelles oder auditives Material umfasst (DNB 2020b: 29). Noch komplizierter wird es, wenn in späteren Aufführungen vormalige Tonbandeinspielungen mit Live Elektronik-Equipment substituiert werden. Für die Instrumentierung ‚Live Elektronik‘ liegen keine weiteren technischen Definitionen vor (DNB 2020b: 18).
Eine andere Perspektive auf die Aufführungsinformationen von Mixed Music präsentieren Serge Lemouton und Samuel Goldszmidt in dem von ihnen erarbeiteten Datenmodell für die interne IRCAM Datenbank Sidney (Lemouton und Goldszmidt 2016). In Sidney können dezidiert Dokumentationen zu den Aufführungen einer Komposition, beispielsweise technische Pläne, Set-up Beschreibungen und auch Programmcode abgelegt werden, die im Laufe der Zeit entstehen. Das Modell ist darauf ausgerichtet, die Informationen insbesondere mit Berücksichtigung der verschiedenen Fassungen, unterschiedlichen Beschreibungsarten und implementierten Technologien zu archivieren. Lemouton und Goldszmidt entwerfen hierfür ein Datenmodell, das die Informationen auf zwei Ebenen in verschiedene Kategorien (Gruppe: work, event, natural person, person function, user; und Inhalt: WorkSidney, WorkFile, VersionFile, Version, VersionNaturalPerson, VersionEquipment) untergliedert und miteinander in Verbindung bringt (Lemouton und Goldszmidt 2016: 4). In Sidney selbst gibt es keine weitere Klassifizierung der (elektroakustischen bzw. Computer Musik-)Kompositionen, die Suche ist nach Personen, Kompositionen und Aufführungsdatum strukturiert. Auch die Benutzeroberfläche der Datenbank Identifiants et Référentiels pour l’enseignement supérieur et la recherche IdRef der Agence bibliographique de l’enseignement supérieur (ABES) ist primär auf Personen- und Werk-/Objektsuche ausgerichtet. Die freie Suche in der IdRef bietet dennoch in Bezug auf Elektroakustischer Musik und Computermusik eine durchaus umfangreiche Verschlagwortung von Inhalten; nicht alle Kategorien sind jedoch im Katalog Rameau existent, sondern es werden auch Schlagworte verlinkter Datenbanken angezeigt. So sind einerseits die Begriffe ‚Musique électroacoustique mixte‘ und ‚Musique mixte‘ sowie ‚Musique mixte acoustique et électronique‘ vorhanden, andererseits werden Begriffe wie ‚Musique élektroacoustique‘, ‚Computer Music‘ und ‚Electronic Music‘ aus verlinkten Systemen übernommen, darunter auch die offen zugänglichen Datenbanken des IRCAM (IdRef 2021).
Die Unschärfen in der Kategorisierung, wie sie beispielsweise bei der Instrumentierung zu sehen sind, werden zusätzlich von terminologischen Herausforderungen begleitet, die in vielfältiger Art und Weise an die eingesetzten Technologien gebunden sind. So werden Mixed Music-Aufführungen in den Quellen einerseits mit unspezifischen (technisch orientierten) Überbegriffen bedacht, während andererseits eine große Vielfalt an individuell beschriebenen Technologien in den Dokumentationen und Aufführungsinformationen zu finden sind.
Terminologie und Technologie
Der Begriff ‚Computer‘ wird beispielsweise sowohl im Sinne einer Objektbezeichnung für eine Zusammenstellung von Hardware- und Softwareelementen verwendet, als auch als Benennung einer allgemeinen Recheneinheit. Der Begriff ‚Tonband‘ (‚Tape‘/‚Bande‘) bezeichnet einerseits das physische Trägermaterial, wird andererseits aber auch dafür verwendet, um zu beschreiben, dass eine vorgefertigte Tonspur – unabhängig vom Speichermedium – vorhanden ist (Akkermann 2021). Beide Begriffe, ‚Computer‘ und ‚Tonband‘ verweisen darauf, dass es eine technische Klangwiedergabe gibt, sagen jedoch nichts darüber aus, welchen Ursprung die Klänge haben, welche technische Spezifikation vorliegt (z.B. Anzahl der Spuren) oder in welcher Art und Weise die Klänge wiederzugeben sind. Entgegen der ungenauen Begrifflichkeit bilden die jeweiligen Beschreibungen jedoch gleichzeitig ein Selbstverständnis hinsichtlich der beschriebenen Technologien ab: sie zeigen an, welchen Fokus eine Dokumentation oder Beschreibung setzt und verweisen auch auf den Blick der Erstellenden auf die implementierten Technologien (Akkermann 2021).
Die Bezeichnungen verweisen mitunter auch auf die Geschichte der eingebundenen Technologien, so ist es beispielsweise bis in die 1990er Jahre durchaus üblich, dass bestimmte Programmiersprachen oder Programme nur auf einer bestimmten Hardware ausgeführt werden können. Zeitweise impliziert daher die Erwähnung einer Programmiersprache oder Software zwangsläufig auch die Verwendung einer bestimmten Hardware. Zudem sind komplexere (digitale) technische Geräte nicht frei verfügbar und bis in die 1990er Jahre nur an bestimmten Institutionen zugänglich; auch ein Produktionsort gibt also eventuell Hinweise auf die verwendete Technologie. Dieser enge Zusammenhang von Hardware und Software wird unter anderem von Curtis Roads durch eine 1996 veröffentlichte Liste herausgestellt, in der Roads unter dem Titel „Unit-Generator-based languages“ 19 Programme benennt, die zwischen 1978 und 1992 zur Steuerung von Echtzeit-DSPs entwickelt werden, sowie die jeweiligen Host-Rechner, die grundlegenden Programmiersprachen, die verwendeten DSPs und die individuellen Standorte skizziert (Roads 1996: 807f). Die Zusammenstellung zeigt, dass bis in die 1990er Jahre einzelne Programme an die jeweiligen Prozessoren angepasst werden müssen, was bedeutet, dass spezielle Programme an bestimmte Hardware gebunden waren, und, dass für jede Aufführung mit anderem Equipment neue Versionen der Programme erstellt werden mussten.
Dies kann als eine Erklärung für die Vielfalt der Bezeichnungen gesehen werden, die bei den Beschreibungen der technischen Instrumentierung zu finden ist. Eine andere Erklärung ist sicher auch, dass die schnellen technologischen Entwicklungen in vielen Wiederaufführungen Updates der Technologien zwingend notwendig machen (Akkerrmann 2020).
Aufführungsinformationen zu Mixed Music Kompositionen der 1980er Jahre
Wie groß die daraus resultierende Bandbreite an Bezeichnungen ist, kann exemplarisch an Aufführungsinformationen von Mixed Music Kompositionen gezeigt werden, die in den 1980er Jahren und den 2000er Jahren am Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique IRCAM in Paris erarbeitet und (wieder-)aufgeführt wurden.
Die Aufführungsinformationen entstammen Programmheften aus den Spielzeiten 1979/80 bis 1990/1991 und 1999/2000 bis 2010/11 aus der Mediathek des IRCAM, sowie den IRCAM-Datenbanken Brahms und Sidney. Da es keine zentrale Datenbank für Aufführungen am IRCAM gibt, wurden die Daten manuell im Zeitraum 2015/2020 erhoben und in Listen zusammengefügt. Im ersten Schritt wurden die erhobenen Informationen systematisiert und in Überkategorien zusammengefasst, wie beispielsweise Informationen zur aufgeführten Komposition, Informationen zur Organisation der Aufführung (u.a. Ort, Zeit, Anlass), an der Aufführung beteiligte Personen(-gruppen), akustische Instrumentierung der Aufführung, und technische Instrumentierung der Aufführung.
Bei dieser ersten Zusammenstellung der insgesamt 397 Mixed Music Aufführungen, die für diese zwei Dekaden im Umfeld des IRCAM herausgearbeitet werden konnten, wird eine große Vielfalt in den Bezeichnungen der technischen Instrumentierung sichtbar. Während 58 Begriffe nur einmal verwendet werden, sind die meist genannten Beschreibungen: ‚électronique‘ (235), weitere vier Mal mit dem Zusatz ‚de chambre‘ und zehn Mal mit ‚en temps réel‘. Demgegenüber stehen einmal ‚électroacoustic‘ bzw. drei Mal ‚elektronik‘, ,Bande‘ (12)‚ ‚Midi‘ (17), ‚Ordinateur‘ (8) und ‚Synthetiseur‘ (18). In dieser Zusammenstellung wird berücksichtig, was in den Beschreibungen zu den Kompositionen in den jeweiligen Aufführungsunterlagen verzeichnet ist. Es fällt auf, dass die Beschreibungen der Technologien von sehr detaillierten Angaben, beispielsweise der Name eines verwendeten Programms, z.B. ‚Max‘ oder die Bezeichnung eines bestimmten Klangprozessors bis hin zu sehr generalisierenden Angaben wie ‚electronique‘ reichen, wobei die generalisierenden Angaben überwiegen. Zudem sind viele sehr ähnliche Bezeichnungen oder synonyme Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen (Französisch, Englisch und Deutsch) zu finden, was mit die hohe Anzahl der unterscheidbaren Beschreibungen erklären kann.
In einem zweiten Schritt wird die Beschreibung einzelner Technologien genauer betrachtet. Hierbei wird untersucht, inwieweit die Beschreibung ähnlicher Technologien bei verschiedenen Aufführungen differieren und wie sich diese technische Instrumentierung zu einer etwas allgemeineren Klassifizierung verhält, beispielsweise einer, die, wie in der Klassifizierung der GND anklingt, an der Art der technischen Klangdarbietung angelehnt ist. Denn, entgegen einer historisch nachvollziehbaren Erwartung, ist nicht der Begriff ‚Tape‘ oder ‚Bande‘ (Tonband), sondern der Begriff ‚Elektronik‘ in der Beschreibung der Aufführungen am häufigsten zu finden. Auch unterscheiden sich die Angaben zu den Aufführungen in den Programmheften signifikant von den Angaben, die insbesondere in der Datenbank Sidney zu finden sind. Statt einer Präzisierung der Technologien, wie sie in der Dokumentation stattfindet, werden in der Beschreibung der Aufführungen weiterhin die ursprünglichen Begriffe verwendet, auch wenn diese nicht mehr auf die gleiche Technik verweisen, wie bei den Premieren (Akkermann 2020). Gleichwohl ist auch eine Kategorisierung der zusammengefassten Beschreibungen nicht einfach, so sind auch mit Ausgleich der Übersetzungen weiterhin 42 verschiedene Begrifflichkeiten (einschließlich Varianten) benannt.
Wiederaufführungen und musikpraktische Tendenzen
Die Auswertung der ersten Zusammenstellung der Aufführungsinformationen zeigt, dass zwar eine große Varianz bei den Beschreibungen vorliegt, die Komplexität oder Ungenauigkeit der verzeichneten Technologien sich jedoch nicht (zwingend) negativ auf die Wiederaufführung einer bestimmten Komposition auswirkt. Wird beispielsweise die Frage nach einer Wiederaufführung mit der Größe der Ensembles in Relation gesetzt, so wird deutlich, dass am IRCAM vorrangig Kompositionen in kleiner Besetzung Wiederaufführungen erfahren. Die Sidney-Einträgen zeigen aber auch, dass es sich oft um Stücke handelt, deren technische Anlage sich entweder einfach in ein digitales Format umsetzen lässt, oder deren ‚Elektronik‘ eine Klangsynthese per Synthesizer umfasst, was in den Aufführungsdaten selbst oft nicht direkt zu sehen ist. Die originalen Synthesizer bleiben in den Aufführungen meist lange in Benutzung, auch, da sie weniger den technischen Veränderungen unterliegen wie komplexere Set-ups mit vielen technischen Einzelkomponenten. Eine Ausnahme bildet hier beispielsweise Boulezs Komposition Répons, die trotz großem Ensemble und komplexem Technologieeinsatz seit den 1980er Jahren regelmäßig aufgeführt wird.
Insgesamt zeigt sich, dass Aufführungsinformationen verschiedene Aspekte anzeigen, die auch als Indikatoren für musikpraktische Ausprägungen gesehen werden können. So ist festzustellen, dass in der Darstellung der Musikstücke eher wenig Akzente auf die Darstellung der implementierten Technologien gelegt wird, obwohl die Technologien gerade aus historischer und analytischer Perspektive eine zentrale Rolle einnehmen. Gleichwohl führen die Inkonsistenzen in den Beschreibungen, große Abweichungen zwischen existierenden Kategoriesystemen und auch Änderungen der Bezeichnungen bei Wiederaufführungen oft zu irreführenden Annahmen hinsichtlich der technischen Instrumentierung einer Komposition, was wiederum dazu führen kann, dass Kompositionen in Klassifikationssystemen zu Kategorien zugeordnet werden, die sie inhaltlich nur bedingt ausfüllen. Diese wechselseitige Unschärfe kann positive wie negative Auswirkungen auf mögliche Wiederaufführungen haben: So können einerseits Kompositionen trotz technischer Komplexität ob ihrer Klassifizierung z.B. als ‚Tape‘-Komposition auf den ersten Blick einfach umsetzbar erscheinen und in Programme aufgenommen werden ohne von technischen Herausforderungen abgeschreckt zu werden. Andererseits kann es dazu führen, dass die Kompositionen eher eine Wiederaufführung erfahren, die gut such- und findbar in den gängigen Datenbanken erfasst sind und über Verlinkungen ggf. umfangreiches Zusatzmaterial anbieten. Berücksichtig man, dass einige technische Informationen verloren gehen, wenn sie nicht innerhalb eines gewissen Zeitraums angepasst oder entsprechende Hardware nachhaltig gesichert werden, kann eine Nichtauffindbarkeit im Laufe der Zeit auch zu einer Nichtaufführbarkeit führen.
Die hier beschriebene Betrachtung der Bezeichnungen der technischen Instrumentierung ist ein Aspekt, an dem sich zeigen lässt, dass die in den Kategorisierung entstehen Ungenauigkeiten sowohl zu Fehlannahmen hinsichtlich der Quelleninhalte als auch zu (ggf. unbeabsichtigter) Selektion führen können, da jede Kategorisierung auch einen impliziten Blick auf die Quellen festschreibt. Ein systematischer Blick auf aufführungsbezogene Aspekte von Mixed Music kann damit helfen, die Perspektive auf den musik- und kulturhistorischen Kontext weiter auszudifferenzieren.
Fußnoten
Bibliographie
- Akkermann, Miriam (2020): Neue Versionen, neue Urheber. Archiv-Zuwachs durch Technikentwicklung. In Simon Schrör (Hrsg.), Tipping Points. Interdisziplinäre Zugänge zu neuen Fragen des Urheberrechts, 241–252. Baden-Baden: Nomos.
- Akkermann, Miriam (2021): Vocabulary ruts in Mixed Music – multifarious terms with many ascriptions. Proceedings of the International Computer Music Conference. Santiago de Chile 10.5281/zenodo.4161673.
- Bircher, Katrin / Barbara Wiermann (2018): Normdaten zu „Werken der Musik“ und ihr Potenzial für die digitale Musikwissenschaft. BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis Preprint (AR 3218).
- Boutard, Guillaume / Françoise-Xavier Féron (2017): La Pratique interprétative des Musiques Mixtes avec Électronique Temps Réel: Positionne-ment et Méthodologie pour Étudier le Travail des Instrumentistes. In Alain Bonardi (Hrsg.), Analyser la musique mixte, 39–60. Paris.
- Boutard, Guillaume / Fabrice Marandola (2014): Mixed Music Creative Process Documentation Methodology: Outcomes of the DIP-CoRE Project. Proceedings of the 9th Conference on Interdisciplinary Musicology – CIM14. Berlin.
- Lemouton, Serge / Samuel Goldszmidt (2016): La préservation des œuvres du répertoire IRCAM: Présentation du modèle Sidney et analyse des dispositifs temps réel, Journées d’Informatique musicale hal-01944619.
- Roads, Curtis (1996): The Computer Music Tutorial. MIT Press.
- Dennerlein, Katrin (2020): Panel „Datamodelling History of Drama and (Musical)theater“. DhD 2020 „Spielräume: Digital Humanities zwischen Modellierung und Interpretation“.
- DNB (2020a): Liste der maßgeblichen Begriffe für die Kompositionsart. https://wiki.dnb.de/download/attachments/106042227/AH-002.pdf [letzter Zugriff 15. Juli 2021].
- DNB (2020b): Liste der normierten Besetzungsangaben. https://wiki.dnb.de/download/attachments/106042227/AH-001.pdf [letzter Zugriff 15. Juli 2021].
- IdRef (2021): Bibliographie zu den Suchen "Instruments de musique électronique" https://www.idref.fr/027235122 sowie "Musique électroacoustique" https://www.idref.fr/029771471# [letzter Zugriff 25. November 2021].
- IRCAM (1979-1991, 1999-2010): Programmhefte, Paris.