Forschung, Informations-wissenschaft und Archiv = drei Perspektiven auf eine Aufgabe

Grundig de Vazquez, Katja; Krefft, Annett; Thoden, Klaus
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Kurzbeschreibung des Projekts

Das DFG-geförderte Projekt „Erziehung über Grenzen denken - Wilhelm Reins pädagogischer Korrespondenznachlass“ 1  zielt auf eine transnationale und vergleichende Analyse vielfältiger historischer pädagogischer Kontakte und länderübergreifender pädagogisch-reformerischer Diskurse und leistet damit Grundlagenforschung mit bildungstheoretischem Schwerpunkt. Quellengrundlage ist der umfangreiche, langjährige und vielfältige internationale pädagogische Korrespondenznachlass Wilhelm Reins. Der in seiner Wirkungszeit international einflussreiche Erziehungswissenschaftler, Lehrerbildner und pädagogische Netzwerker Rein (1847–1929) hatte an der Universität Jena das erste Ordinariat für Pädagogik in Deutschland inne. Das Forschungsvorhaben wird verbunden mit der archivarischen Bearbeitung der Originalquellen, der Aufbereitung des detailliert vorliegenden Metadatenkorpus sowie der Bereitstellung des gesamten pädagogischen Briefnachlasses in edierter Form als ein frei verfügbares nachnutzbares Instrument für weiterführende Forschungen.

Ausgangslage

Das Projekt 2  baut auf Arbeitsergebnisse aus einer Vorbereitungsphase (2016-2017) und einem Anschubprojekt (1/2018-6/2019) 3  auf, in deren Verlauf das Quellenkorpus durch die Forschenden im Projekt erfasst, kategorisiert, strukturiert, systematisiert und digitalisiert wurde. Während der Vorbereitungsphase wurde der pädagogische Korrespondenznachlass aus dem Gesamtbestand des schriftlichen Nachlasses Reins herausgelöst und in (A) Briefe an Rein, (B) Briefe von Rein und (C) Kondolenzschreiben zum Ableben Reins unterteilt. Diese Dokumentmenge bildet das Quellenkorpus, das im Rahmen des vorgestellten Projekts bearbeitet und ausgewertet wird.

Im Anschubprojekt wurde die pädagogische Korrespondenz alphabetisch nach Korrespondenzpartner*innen sowie chronologisch strukturiert, erfasst und gemäß den DFG-Praxisregeln „Digitalisierung“ (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2016) digitalisiert. Den Korrespondent*innen wurden projekteigene Grundsignaturen, den Briefen Dokumentsignaturen zugewiesen. Die grundlegenden Metadaten der Dokumente (1) Signatur, (2) Verfasser*in/Empfänger*in, (3) Ausstellungsdatum, (4) Ausstellungsort, (5) Umfang, (6) Dokumenttyp, (7) Sprache, (8) Prüfvermerke und (9) Dateinamen der zugehörigen Images wurden im Bibliographieprogramm Zotero 4  erfasst. Als Grundlage zur Auszeichnung und Auswertung der Quellen wurden eine Indexsystematik und ein fachsystematischer Index zur kontrollierten Indexierung entworfen. Im Juli 2019 wurde mit der Recherche bio-bibliographischer Angaben zu den Verfasser*innen begonnen, welche in der aktuellen Projektphase fortgeführt wird. 5 

In der Anschubphase wurden, basierend auf der Sichtung der Briefe und den erzeugten Metadaten, erste inhaltliche Erkenntnisse gewonnen, welche auf ein vielfältiges Erkenntnispotenzial des Bestandes verweisen und die zur Herleitung der u.g. Forschungsschwerpunkte geführt haben. So kann man z. B. aus Erkenntnissen zu Umfang, Dauer und Reichweite der Korrespondenz und zur Diversität der beteiligten Korrespondent*innen auf eine bemerkenswert heterogene Struktur des Korrespondenzgefüges schließen. Diese heterogene Struktur wird durch den Korrespondenznachlass wesentlich dokumentiert, so dass dieses Quellenkorpus vergleichende wie transzendierende Analysen (s. u.) von Diskursen und Dynamiken zwischen vielfältigen Akteur*innen über vielfältige Begrenzungen hinweg ermöglicht.

Quellenkorpus als Datengrundlage

Der pädagogische Korrespondenznachlass Reins umfasst insgesamt 6.301 Korrespondenzdokumente (Briefe, Postkarten, Telegramme) von mehr als 3.500 Korrespondent*innen aus 42 Ländern. Diese Originalquellen – überwiegend in deutscher Kurrentschrift – bilden in einem Zeitraum von sechs Jahrzehnten (1869-1929) interne Perspektiven vielfältiger Akteur*innen ab, die in kontroverse und einflussreiche bildungspolitische Diskurse mit oftmals internationaler Reichweite eingebunden waren. Zu den Korrespondent*innen zählten Personen unterschiedlichster Hintergründe und Weltanschauungen, darunter Vertreter*innen einer pädagogisch-akademischen Elite (z. B. Nicolas Murray Butler, Adolf Damaschke, Friedrich Wilhelm Förster, Helene Lange, Paul Geheeb, Paul Natorp, Friedrich Paulsen, Eduard Spranger) und einflussreiche Personen aus Politik und Gesellschaft (z. B. Gertrud Bäumer, Houston Stewart Chamberlain, Else Fisch, Marie Fischer-Lette, Friedrich Naumann), aber auch zu einem wesentlichen Teil Personen, die aufgrund vielfältiger Faktoren (z. B. Geschlecht, sozialer, fachlicher oder akademischer Status, Religion oder geographische Herkunft) in pädagogischen Diskursen und bildungsgeschichtlich unterrepräsentiert sind. Rein zählte in mehreren Bereichen (insbesondere Lehrerbildung, Volksschulbildung, höhere Frauenbildung) als progressiver pädagogischer Reformer. Sein Expert*innennetzwerk war weitverzweigt und im zeitgenössischen Vergleich bemerkenswert heterogen und inklusiv. Der Korrespondenznachlass dokumentiert dieses in wesentlichen Auszügen und konserviert sowohl Stimmen von Akteur*innen, die ihr Wirken und ihre Expertise in der (fach)öffentlichen Wahrnehmung breiter sichtbar machen konnten, als auch von solchen Personen, die maßgeblich in die Verbreitung und Rezeption pädagogischer Theorie und Praxis eingebunden waren, aber keine nennenswerte Sichtbarkeit erlangen konnten. Das macht dieses bisher kaum erforschte Quellenkorpus aus bildungsgeschichtlicher Sicht bemerkenswert. Das Wirken unterschiedlicher Akteur*innengruppen, ihre Kontakte und Synergien, pädagogische Entwicklungen und Phänomene können vergleichend und vielfältige Abgrenzungen transzendierend (z. B. Kultur, Status, geographische und geopolitische Grenzen, Ideologien, Geschlecht) exemplarisch erforscht werden. Bei der Auswertung muss die besondere Art der Quellendokumente berücksichtigt werden. Briefe6  stellen besondere Anforderungen an die Auswertung, bieten aber auch Forschungspotenzial, das andere historische Quellentypen nicht aufweisen (vgl. Baillot 2020, S. 390, Budde 2020, Henzel 2020, S. 226 ff.). Sie transportieren als Lebenszeugnisse (Nutt-Kofoth 2016) und Ereignisse (Stadler, Illetschko und Seifert 2016), die in größere kommunikative Zusammenhänge eingebunden sind, mehr Informationsschichten als z. B. Fachpublikationen. Als solche sind Briefe sensible Dokumente, die ursprünglich nicht für eine (breitere) Öffentlichkeit bestimmt waren. Sie repräsentieren einen im zeitgenössischen Kontext auch durch das Postgeheimnis gesetzlich geschützten (vgl. Standhartinger 2020, S. 272) Kommunikationsraum, in dem Verfasser*innen persönliche Meinungen, fachliche Positionen oder auch private Belange tendenziell unverstellter darlegen können.

Zielperspektiven des Projektes

In der Grundlagenforschung bzw. Quellenauswertung folgt das Projekt der Annahme, dass sich pädagogische Reform als ein verbindendes wie mehrdeutiges Motiv auf die Verbreitung, Rezeption, Gestaltung und Entwicklung pädagogischer Theorie und Praxis ausgewirkt hat. Schwerpunktmäßig soll untersucht werden, (1) ob pädagogische Reform nachweislich ein wesentliches Motiv des zeitgenössischen pädagogischen Austausches war, (2) in welchen thematischen Kontexten pädagogische Reform ggf. diskutiert worden ist, (3) ob sich verschiedene bzw. welche unterschiedlichen Konnotationen von pädagogischer Reform sich identifizieren lassen, (4) ob bzw. in welchem Maße das Sprechen über pädagogische Reform einen fachlichen Austausch über Grenzen hinweg begünstigt hat und (5) ob bzw. inwiefern unterschiedliche Konnotationen oder Verwendungen des Motivs pädagogische Reform zu Störungen in der fachlichen Kommunikation geführt haben. Ergänzend dazu sollen bio-bibliographische Daten und Erkenntnisse zu Kontakt- und Netzwerkstrukturen zwischen den beteiligten Korrespondent*innen gewonnen werden. Ein besonderes Interesse gilt bildungshistorisch unterrepräsentierten Akteur*innen, ihrem Einfluss und Wirken und den Themen und Positionen, die durch sie bearbeitet und vertreten worden sind.

Als strukturelles Ziel wird im Laufe des Projekts ein übersichtliches recherchier- und zitierfähiges, digitales Korpus als nachnutzbare Grundlage für die inhaltliche Auswertung und weiterführende Forschungen erstellt. Dazu werden die Quellentexte in digitale Volltexte in TEI/XML transkribiert, indexiert und inhaltlich ausgewertet. Aufgrund des Entstehungszeitraumes der Briefe sind zwar keine Persönlichkeitsrechte der Korrespondenzpartner*innen sowie der in den Briefen Erwähnung findenden dritten Personen zu beachten, hingegen gelten noch Urheberrechte für einen Teil der Briefe. Daher werden die Volltexte gemeinsam mit den digitalen Faksimiles der Korrespondenzdokumente über ein abgestimmtes Rechtemanagement sukzessive im Projektverlauf über die Editionsumgebung der BBF (EditionenBildungsgeschichte 7  ) soweit möglich unter freier Lizenz bzw. gemäß § 60f UrhG verfügbar gemacht. Die gewonnenen bio-bibliographischen, geographischen sowie Kontakt- und Netzwerkdaten werden nach Abschluss der Auswertung als wertvolle Ergänzung der edierten Texte veröffentlicht. Zudem ist die Anreicherung der GND um bisher unbekannte Personen bzw. um hinzugewonnene biographische Informationen zu bereits erfassten Personen ein weiteres Projektziel. Von zentraler Bedeutung im Projekt ist darüber hinaus die dauerhafte Sicherung sowohl der unikalen Originaldokumente durch entsprechende konservatorische Maßnahmen als auch aller digitalen Projektdaten.

Daten, Methoden und Werkzeuge

Im Projekt werden vier Datenarten unterschieden, deren Erzeugung aufeinander aufbaut: Er-schließungsdaten (A), digitale Faksimiles (B), digitale Volltexte (TEI/XML) (C) und semantische Daten (D). Am Anfang der Forschungsdatenerzeugung steht die archivarische Nacherschließung (A) und Image-Publikation (B). Die Volltexterzeugung (C) erfolgt im TEI/XML DTA-Basisformat, das schließlich die Grundlage eines strukturierten, zitierfähigen Korpus bildet (Ausgangsdaten). Durch die darauf aufbauende semantische Anreicherung, Auswertung und automatisierte Analyse werden Forschungsdaten (Arbeitsdaten) erzeugt (D).

Neben der dauerhaften Sicherung dieser bildungs- und kulturhistorisch wertvollen Originalquellen verfolgt das Infrastrukturteilprojekt die Nachnutzung der im Anschubprojekt erzeugten Forschungsdaten. Der für das Projekt entwickelte Workflow vereinbart archivarische Erschließungskonventionen mit den Bedarfen eines bildungshistorischen Forschungsprojektes. Die im Anschubprojekt erzeugten Metadaten werden zunächst mithilfe des Datenbereinigungstools Open Refine 8  normalisiert, mit den digitalen Repräsentanten verknüpft sowie Orts-, Personen- und Körperschaftsangaben mit GND-Nummern angereichert. Nach dem Import in die Archivdatenbank erfolgen eine Qualitätsprüfung und die Vergabe von eindeutigen, dauerhaften Archivsignaturen. Die XML-Exporte aus der Archivdatenbank bilden die Basis für die Erzeugung von TEI/XML-Vorlagen für jeden Brief, die so bereits alle relevanten Metadaten mitführen und damit als Grundlage für die Transkription der Briefe dienen. Die Transkription erfolgt gemäß einer leicht angepassten Version des DTA-Basisformats (Haaf, Geyken und Wiegand 2014), sodass die Ergebnisse direkt in die Editionsinfrastruktur der BBF eingebunden werden können. Parallel dazu erfolgt die Veröffentlichung der Faksimiles über ScriptaPaedagogica 9  , dem digitalen Textarchiv der BBF. Das System sichert die dauerhafte Verfügbarmachung der Bilder durch die Vergabe von URN, und der integrierte IIIF-Server erlaubt den Export der Digitalisate und der zugehörigen Metadaten in einschlägigen Formaten (z. B. .jpg, .tiff, .mets). Zudem werden für die Digitalisate standardmäßig DFG-Viewer-kompatible METS/MODS-Pakete erstellt, die in Zusammenhang mit den hochauflösenden Masterscans im TIFF-Format eine Voraussetzung für den digitalen Langzeiterhalt bieten. Für die weitere wissenschaftliche Auswertung bilden die Transkription, die Metadaten sowie die Auszeichnung und Kodierung der Volltexte d ie Grundlage. Diese werden im freien, portablen und offenen Format TEI/XML gespeichert und sind somit ebenfalls langzeitarchivierungsfähig. Zudem ist so eine plattformunabhängige Nachnutzbarkeit der Daten möglich. Im Projekt werden die angereicherten TEI/XML-Dateien in strukturierte Textdateien überführt, welche wiederum als Grundlage für die weitere Auswertung in der Analysesoftware MAXQDA Analytics Pro 10  dienen.

Bei der Erzeugung und Auswertung derjenigen Forschungsdaten, die der inhaltlichen Analyse dienen, werden (teil)automatisierte Analyseverfahren in ein klassisches hermeneutisches Vorgehen integriert. Die Volltexte werden auf Grundlage von deduktiv wie induktiv generierten Indizes ausgezeichnet. Angewendet werden ein fachsystematischer Index, ein Kontext- und ein Beziehungsindex. Die induktive Weiterentwicklung der Indizes stellt dabei bereits eine eigene Forschungsleistung dar, wobei die Indizes die Grundlage für die Auszeichnung expliziter wie impliziter Nennungen bilden. Als zentrales Werkzeug dient MAXQDA Analytics Pro, das durch die Anwendung und Generierung von sehr umfangreichen „lebenden“ Indizes eher unkonventionell zur Unterstützung einer hermeneutischen Textanalyse durch qualitative und quantitative Verfahren genutzt wird. MAXQDA bietet in dieser Version Funktionen (z. B. Keyword-in-Context- und Mixed-Method-Anwendungen), die eine Anreicherung eines qualitativ-quantitativ-hermeneutischen Vorgehens durch teilautomatisierte Verfahren wie Kollokations- bzw. Kookkurrenzanalysen ermöglichen. Über die initialen Forschungsfragen hinaus soll das Textkorpus perspektivisch über Topic-Modeling-Verfahren genauer beschrieben werden.

Die inhaltliche Analyse folgt einem vergleichend-transzendierenden Ansatz. Das besondere Potenzial des Quellenkorpus wird genutzt, um Dynamiken der Verbreitung und Rezeption pädagogischer Theorie und Praxis zwischen vielfältigen Akteur*innen über vielfältige Grenzen hinweg nachzuzeichnen. So wird ein Beitrag geleistet, Bildungsgeschichte(n) kritisch zu hinterfragen und aktuelle Bedingungen im Bildungswesen besser zu verstehen. Als besonders interessant erscheinen Unterschiede zwischen typischen und untypischen, wie zwischen repräsentierten und unterrepräsentierten Akteur*innen; eine systematische Unterscheidung, die im Projekt als zentrales Forschungswerkzeug entwickelt wurde. Im Ansatz werden vergleichende Perspektiven mit Perspektiven zusammengeführt, bei denen es um die Überwindung oder Transzendierung vielfältiger Abgrenzungen geht. Für letztere Perspektiven wird in dem hier beschriebenen Forschungsprojekt der Terminus „transzendierende Ansätze“ neu gesetzt, um Zugänge zu benennen, die Phänomene Grenzen überwindend und abgegrenzte Bereiche durchdringend beschreiben. Transzendierende Ansätze (die über transnationale Ansätze hinausgehen11 ) werden genutzt, um Transfer- und Zirkulationsprozesse und -zusammenhänge zu erforschen und darzustellen. Vergleichende Perspektiven werden hinzugezogen, um spezifische Ausprägungen zu untersuchen. Transzendierend wie vergleichend werden pädagogische Akteur*innen(gruppen), ihr Wirken, ihr Einfluss sowie Kontakte und Netzwerke zwischen ihnen analysiert. Mit Blick auf inhaltliche, theoretische und paradigmatische Grenzen wird z. B. mit Fokus auf unterschiedliche Milieus oder Berufsgruppen u. a. untersucht, wie Motive, Positionen und Diskurse voneinander abgegrenzt und wie um Deutungshoheiten gerungen wurde, aber auch wie Motive, Positionen und Diskurse, die zunächst als widersprüchlich erscheinen (z. B. traditionelle bzw. konservative versus reformorientierte Positionen) in Theorien und Praktiken vermischt oder miteinander in Einklang gebracht wurden (vgl. Geiss/Reh 2020).

Herausforderungen

Wie oben beschrieben, werden die Daten je nach Verwendungszweck in verschiedenen Formaten benötigt. Also muss sichergestellt werden, dass erstens alle Daten ohne Verlust oder Mehraufwand sowohl für die Ansprüche eines umfänglich durchsuchbaren Volltextkorpus, als auch für die Analyse mit MAXQDA aufgearbeitet werden und zweitens die erzeugten Datenarten idealerweise aufeinander aufbauen und sich gegenseitig ergänzen. Es mussten u. a. Lösungen gefunden werden, Auszeichnungsdaten z. B. zu Personen, Orten und Werken, die während der Transkription in TEI-XML vorgenommen werden, so in der Textdatei auszugeben, dass diese mit den Volltexten nach MAXQDA importiert und dort als bereits ausgezeichnet übernommen werden.

Bei der Bearbeitung und Auswertung des Textkorpus wird mit unterschiedlichen Repräsentationsformen der Dokumente gearbeitet. Dabei müssen die Charakteristika der unterschiedlichen Formate – sowohl der physischen Originaldokumente wie aller erzeugten Repräsentanten – stets mitgedacht und Hinzufügungen wie Annotationen mitgeführt werden. Gleichzeitig bedeutet die forschungsgestützte Auszeichnung und Migration von Texten in andere Datenformate nicht nur eine Anreicherung der Originaltexte, sondern auch das Hervorbringen von neuen Daten bzw. Quellen. Das geht mit der Herausforderung einher, durch die Auswahl von geeigneten Tools die gewonnenen Informationen nachnutzbar und dauerhaft verfügbar zu machen.

Fazit

Das Projekt baut auf Ergebnisse aus zwei vorhergehenden Projektphasen auf. Es operiert mit unterschiedlichen Datenformaten und verbindet zentrale Aufgaben und Verpflichtungen von Forschenden mit den Aufgaben einer Forschungsbibliothek mit angegliedertem Archiv (vgl. Müller 2019; Reh et al. 2020). Daraus ergeben sich komplexe Herausforderungen: (1) in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Beteiligten, (2) in den Verfahrensweisen und (3) in der technischen Umsetzung. Diese gehen neben der erwähnten Verwendung unterschiedlicher Datenformate auf verschiedene (Konnotationen von) Begrifflichkeiten und Zielperspektiven zurück. Als ein Projekt, das wesentlich mit digitalen Methoden arbeitet, verorten wir es als ein einschlägiges DH-Projekt für die Bildungsgeschichte. Die Projektergebnisse können in gleichem Maße als End- und Ausgangspunkt von Forschung verstanden werden, da aus Forschendenperspektive tatsächlich neue Quellen erzeugt werden, die durch neue Daten angereichert sind. Aufgrund des erzeugten Mehrwertes werden weiterführende Forschungen eher die erzeugten Abbilder und Datenvarianten der Originalquellen als die ursprünglichen physischen Dokumente auswerten. Alle Daten werden dabei gemäß den FAIR-Prinzipien dauerhaft auffindbar, zugänglich, interoperabel und nachnutzbar bereitgestellt (vgl. Wilkinson et al. 2016).

Bei der Überlegung, welche Datenformate im Projekt genutzt werden und auf welche Weise sie in andere Formate überführt werden, muss zudem deren mehrdimensionale Wirksamkeit – Dokumentation, Erforschung und Erzeugung bildungsgeschichtlicher Daten bzw. Quellen – stets mitgedacht werden. Diese Anforderung geht über den Anspruch hinaus, dass Daten so erzeugt werden müssen, dass sie sowohl Forschung wie auch editorische Bearbeitungen ermöglichen. Tatsächlich zeigt das hier vorgestellte Projekt exemplarisch, welche Bedeutung auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften einer engen Kooperation zwischen Akteur*innen in Forschung und Infrastruktur zunehmend zukommt (vgl. Cremer et al. 2021). Um anschlussfähige und langfristig nachnutzbare Forschungsergebnisse und Forschungsinfrastrukturen zu gewinnen, müssen ab der Planung über die Durchführung bis zur Nachbereitung wissenschaftlicher Projekte Synergien zwischen Forschenden und Expert*innen aus Bereichen der Infrastrukturen genutzt werden. So können nicht nur punktuell die Infrastrukturen möglichst genau auf die Bedarfe von Forschenden angepasst werden, sondern auch erprobte Verfahrensweisen und Strukturen bei der dauerhaften Sicherung von analogen und digitalen Quellen genutzt werden. Durch die Verständigung über Vorgänge, Methoden, Werkzeuge, Begrifflichkeiten und Konzepte und deren gemeinsame (Weiter-)Entwicklung leisten solche Kooperationen auch wertvolle Übersetzungsarbeit zwischen unterschiedlichen Akteur*innengruppen. Erfahrungen und Ergebnisse aus einer solchen gegenseitigen Verständigung kann zukünftigen Vorhaben zugutekommen, da Akteur*innen sowohl aus der Forschung wie in Infrastruktureinrichtungen für die Bedarfe, Denkungsarten und Vorgehensweisen der jeweils anderen Seite sensibilisiert werden. So werden auch Forschende geübt und befähigt, bei der Wahl von Forschungsmethoden und der Arbeit mit Forschungsdaten Potenziale, Bedarfe und Grenzen von Forschungsinfrastrukturen mitzudenken und für aktuelle wie weiterführende Projekte nutzbar zu machen.


Fußnoten

1 Das Projekt wird unter der Leitung von Dr. Katja Grundig de Vazquez, Institut für Bildung und Kultur, Lehrstuhl Historische Pädagogik und Globale Bildung der Friedrich-Schiller-Universität Jena ( https://www.uni-jena.de/, zuletzt zugegriffen am 03.08.2022, so auch alle im folgenden angegebenen Links) in Kooperation mit Prof. Dr. Sabine Reh, BBF | Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation ( https://bbf.dipf.de/de ) realisiert. Die Leitung des infrastrukturellen Teilprojekts an der BBF verantwortet Dr. Bettina Irina Reimers.
2 Projektwebseite unter https://www.erziehungsforschung.uni-jena.de/dfgprojektgdv .
3 Projektdokumentation zum Anschubprojekt unter https://www.uni-due.de/allgemeine-didaktik/projekte.php .
4 https://www.zotero.org.
5 Im Juli 2019 ging der Nachlass von Wilhelm Rein, der bis dahin als Dauerleihgabe von der Projektleiterin verwahrt und mit Zustimmung des Eigentümers wissenschaftlich bearbeitet worden war, als Schenkung des Urenkels Andreas Rein in das Eigentum des DIPF über und wird im Archiv der BBF als sammelndem Spezialarchiv für die Bildungspraxis und Bildungsgeschichte dauerhaft verwahrt.
6 Zur Merkmalsfestlegung von Briefen vgl. Thiedeke 2020, S. 188 ff.
7 Auf Basis des TEI-Publisher werden gegenwärtig fünf Editionen und Textkorpora verwaltet und – wo rechtlich möglich – veröffentlicht ( https://editionen.bbf.dipf.de ).
8 https://openrefine.org/ .
9 https://scripta.bbf.dipf.de .
10 https://www.maxqda.de/produkte/maxqda-analytics-pro .
11 Zum Begriff des Transnationalen vgl. u.a. Roldán Vera/Fuchs 2019, Mayer 2019, Popkewitz 2019 .

Bibliographie

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