Hands-on-Workshop Wissenschaftsbloggen mit de.hypotheses Halbtägiger Workshop
Die leichte Zugänglichkeit von Publikationsmedien wie Blogs ermöglicht es Forschenden seit der Jahrtausendwende, selbst zu entscheiden, wann, wo und was sie veröffentlichen. Diese selbstbestimmte Aneignung eines wissenschaftlichen Publikationsraums war ein durchaus spektakulärer Schritt (König 2015, 58). Durch die zunehmende Verbreitung von Wissenschaftsblogs und Angebote von qualitätsgestützten Plattformen speziell für die Geisteswissenschaften wie hypotheses1 , die persistente URLs genauso bieten wie eine Archivierung der Inhalte und einen Beratungsservice für Bloggende, hat diese Form der Kommunikations- und Publikationspraktik in der Wissenschaft zwischenzeitlich viel von ihrem revolutionären Charakter verloren. Vielmehr ist sie selbst in den Geisteswissenschaften in der Mitte der Disziplinen angekommen, wie beispielhaft der stetig wachsende Katalog der Blogplattform hypotheses zeigt, der gegenwärtig 4326 Wissenschaftsblogs umfasst2 . Wissenschaftsblogs – so aktuelle Resümees - sind aus der wissenschaftlichen Publikations- und Kommunikationslandschaft nicht mehr wegzudenken (Baillot 2022, 105; Wuttke und Gebert 2021, 428-431; Gebert und van Beek 2019, 274–276).
Damit erübrigt sich aber das Thema Wissenschaftsblogs oder ein Workshop dazu keineswegs, im Gegenteil: Vielmehr hat Wissenschaftskommunikation seit einigen Jahren Konjunktur angesichts einer spürbaren Polarisierung der Gesellschaft, einem Glaubwürdigkeitsverlust der Wissenschaft eingeheizt in der Pandemiekrise und einem Bedürfnis von Forschenden, die Transformation der verlagszentrierten wissenschaftlichen Publikationslandschaft mitzugestalten. Aktiv Wissenschaftskommunikation zu betreiben, über Projekte früh im Forschungsprozess zu kommunizieren, sich in hochschulpolitische sowie gesellschaftliche Debatten einzumischen und Open Access zu publizieren, sind die Gebote der Stunde, wie sich auch in Leitlinien und Debatten der Wissenschaftsinstitutionen zeigt3 . Die Nachfrage bei der deutschsprachigen Blogplattform für die Geisteswissenschaften de.hypotheses nach einführenden Workshops hat zudem seit Beginn der Pandemie stark zugenommen. Dies gibt zusammen mit der wahrnehmbaren Professionalisierung Anlass genug, im geplanten halbtägigen Workshop inhaltliche, technische und gestalterische Unterstützung rund um das Thema Wissenschaftsblogs speziell in den Geisteswissenschaften zu geben und aufzuzeigen, wie sich das Wissenschaftsbloggen als Teil des eigenen Publikations- und Lehrportfolios und als Vernetzungsbaustein kompetent und strategisch verwenden lässt.
Wissenschaftsblogs: Einblicke in die laufende Forschung
Wissenschaftliche Blogs sind ein Ort für die Veröffentlichung und Diskussion laufender Forschungsarbeiten, ein Kanal für die Selbstdarstellung und Vernetzung von Forschenden. Sie zeigen Wissenschaft im Entstehen und sorgen für Reichweite und Sichtbarkeit der eigenen Forschung. Blogs wirken im Vergleich zu statischen Websites sehr viel dynamischer, zumal es über die Kommentarfunktion einfach ist, Diskussionen anzustoßen (Wuttke und Gebert 2021, 429). Der wissenschaftliche Austausch über Blogeinträge, Kommentare und Links ist interaktiv, schnell und direkt, auch wenn sich Bloggende gerade in den Geisteswissenschaften häufig eine höhere Anzahl an Kommentaren wünschen (vgl. die Umfrage bei de.hypotheses, König 2019, 12-14). Studien über die Nutzung von soziale Medien in den Wissenschaften weisen ein breites Spektrum unterschiedlicher Verwendungszwecke, Ziele und Motive wissenschaftlicher Bloggenden auf (Mahrt und Puschmann 2014), die von der Plattform, dem akademischen Rang und dem Status der Forschenden, Alter und Geschlecht ebenso abhängig sind wie von der jeweiligen Disziplin und vom Herkunftsort der oder des Bloggenden (Sugimoto et al. 2017, 2039, 2046). Die meisten Plattformen erlauben eine sehr breite Palette an Nutzungsszenarien, was sich insbesondere beim Wissenschaftsbloggen zeigt: Es gibt keine Vorgaben, Richtlinien oder Beschränkungen im Hinblick auf Umfang und Länge der Beiträge, auf die Häufigkeit der Publikation, auf den verwendeten Stil. Neben Text können ohne Kosten genauso Abbildungen, Podcasts, Videos, animierte Karten etc. eingebunden werden. Wissenschaftsbloggen erleben viele Forschende daher als Befreiung, auch wenn die völlige Offenheit im Blog ein Phantasma sein mag (König 2015, 66) und nicht zuletzt die Wahl der Sprache Auswirkungen auf die Ausdrucksmöglichkeiten hat (Baillot 2022). Zugleich mag diese Freiheit gerade beginnende Bloggerinnen und Blogger einschüchtern und in der kreativen Nutzung ihres Blogs begrenzen. Durch das Aufzeigen von Beispielen sollen im Workshop genau dieses Spannungsverhältnis adressiert und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.
Gleichzeitig haben sich Blogs als ein Ort erwiesen, an dem in traditionellen Zeitschriften veröffentlichte Artikel kritisiert und korrigiert werden (Sugimoto et al. 2017, 2045-2046). Neuere Projekte zeigen außerdem Wege auf, um Wissenschaftsblogs an Fachzeitschriften heranzuführen, indem etwa wie beim Mittelalterblog4 eine Redaktion Auswahl und Lektorat von Beiträgen übernimmt, diese in Repositorys hinterlegt und in Kooperationen mit Bibliotheken für die Katalogisierung sorgt (Döring & Gebert 2022, 93–97). Andere Nutzungen zielen in Richtung „kleine Editionen“ für das Edieren von Texten im Blog und mit Wikisource (Bemme 2022).
Wissenschaftliches Bloggen gehört in praktischer wie in theoretischer Hinsicht zum Gegenstandsbereich der DH: Es ist ein zentrales Mittel der Community Building, hat Berührungspunkte zum weiten Feld des digitalen Publizierens und ist ein Baustein im Medien-Portfolio von Open Science (Wuttke und Gebert 2021). In der Lehre finden Blogs Einsatz als Schreib- und Übungsblog für Studierende wie als Gegenstand, um vielfältige Themenbereiche wie Publikation, Open Science, ethische und rechtliche Fragen etc. zu diskutieren (Tantner 2015).
Didaktischer Zugang und Aufbau des Workshops
Im Workshop sollen grundlegende inhaltliche und technische Kenntnisse des Bloggens mit Wordpress vermittelt und Ansätze für das Entwickeln einer Blogstrategie diskutiert werden. Workshopteilnehmende sollen hinterher in der Lage sein, ein Blog einzurichten und zu führen (ob bei hypotheses oder anderswo), Inhalte dafür zu produzieren, sichtbar zu machen und zu lizenzieren sowie verschiedene Blogpraktiken zu kennen.
Der halbtägige Workshop (4h) ist didaktisch als Hands-On-Workshop aufgebaut und gliedert sich in drei Teile: In einem ersten Teil (1,5h) werden grundlegende Fragen zum Wissenschaftsbloggen thematisiert. Die Vermittlung von Inhalten erfolgt nach einem kurzen Input in Form eines Gesprächs dreier erfahrener Wissenschaftsbloggerinnen (Anne Baillot, Mareike König, Ulrike Stockhausen) über Best Practice-Beispiele entlang der Fragen: Wie sieht ein guter wissenschaftlicher Blogbeitrag aus? Wie funktioniert die Interaktion mit den Leser:innen? Welche Sprache, welcher Stil ist bei wissenschaftlichen Blogs angemessen? Wann ist ein Blog erfolgreich? Wie geht man mit unsachlichen Kommentaren oder gar mit Shitstorms um? Wie lassen sich Blogs in der Lehre fruchtbar einsetzen?
Der zweite und dritte Teil (je 1h) sind als praktische Übungseinheiten mit inhaltlichen Vertiefungen konzipiert, bei denen die Teilnehmenden die Schritte in Schulungsblogs von de.hypotheses sofort umsetzen können. Geübt werden grundlegende technische und grafische Einstellungen eines Blogs, das Anlegen eines Artikels, das Verschlagworten und Zuordnen von Kategorien. Die Übungen werden ergänzt durch eine Vertiefung der Diskussionen über Themenfindung, Aufbau und Gliederung von Beiträgen sowie sachliche Erschließung von Webinhalten.
Im dritten Teil wird das Einbinden von multimedialen Elementen geübt, kombiniert mit Exkursen zu Bildrechten, zu Anbietern von OA-Inhalten (Audio, Video), zu CC-Lizenzen, Impressum und zur DSGVO. Ebenso werden Hinweise zur Suchmaschinenoptimierung und zur Erhöhung der Sichtbarkeit von Bloginhalten diskutiert. Abschließend werden Tipps für die Anfangsphase eines Wissenschaftsblogs sowie zu Diskussionen über Kommentare gegeben. Die Schulungsblogs stehen den Teilnehmenden auch nach dem Workshop zur Verfügung, so dass sie Inhalte daraus in ihr zukünftiges Blog übernehmen können.
Max. 20 Teilnehmende
Beitragende
Dr. Mareike König ist stellvertretende Direktorin am Deutschen Historischen Institut und leitet das Blogportal de.hypotheses. Zu ihren Forschungsinteressen gehören: Digitale Geschichtswissenschaft, Wissenschaftskommunikation mit sozialen Medien, Wissenschaftliches Bloggen, Open Access.
Deutsches Historisches Institut Paris, 8, rue du Parc Royal, 75003 Paris, Frankreich, mkoenig@dhi-paris.fr
Prof. Dr. Anne Baillot ist Professorin für Germanistik an der Universität Le Mans. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Digitale Editionen, Open Access, Archive, Wissenschaftsbloggen, Greening DH.
Faculté des Lettres, Langues & Sciences Humaines. Avenue Olivier Messiaen, 72085 LE MANS Cedex 09, France, anne.baillot @ univ-lemans.fr.
Dr. Ulrike Stockhausen ist Community Managerin bei de.hypotheses.
Max Weber Stiftung, Rheinallee 6, 53173 Bonn, stockhausen@maxweberstiftung.de.
Fußnoten
Bibliographie
- Baillot. Anne. 2022. “Chacun.e ses langues. Retour sur une espérience de blogging scientifique en anglais dans un contexte de recherche franco-allemand.“ Traverse 1: 104-107.
- Bemme, Jens. 2022. “Kleine Editionen für Digital Humanities.“ Public Humanities 15. Juli. https://publicdh.hypotheses.org/476.
- Döring, Karoline und Björn Gebert. 2022. “Digital, offen, dynamisch: Erfahrungen und Perspektiven aus 10 Jahren Mittelalterblog“. Traverse 1: 93–99.
- Gebert, Björn und Lena van Beek. 2019. “Wissenschaftsblogs als zeitgemäße Publikationsmedien: Das Beispiel Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte.“ Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 66/2: 273–281.
- König, Mareike. 2015. “Herausforderung für unsere Wissenschaftskultur: Weblogs in den Geisteswissenschaften.“ In Digital Humanities. Praktiken der Digitalisierung, der Dissemination und der Selbstreflexivität, hg. v. Wolfgang Schmale, 57-74. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
- König, Mareike. 2019. Geisteswissenschaftliches Bloggen bei de.hypotheses. Erste Ergebnisse der Umfrage zu Motivationen, Praktiken und Routinen. Datenreport. Paris: Deutsches Historisches Institut. https://halshs.archives-ouvertes.fr/halshs-02150327v2.
- Mahrt, Merja und Cornelius Puschmann. 2014. “Science Blogging: an Exploratory Study of Motives, Styles, and Audience Reactions.“ Journal of Science Communication 13/3. http://jcom.sissa.it/archive/13/03/JCOM_1303_2014_A05/.
- Sugimoto, Cassidy R. et al. 2017. “Scholarly Use of Social Media and Altmetrics: A Review of the Literature.” Journal of the Association for Information Science and Technology 68/9: 2037–2062. https://doi.org/10.1002/asi.23833.
- Tantner, Anton. “Wikipedia und Weblogs in der universitären Lehre.“ In Digital Humanities. Praktiken der Digitalisierung, der Dissemination und der Selbstreflexivität, hg. v. Wolfgang Schmale, 45-56. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
- Wuttke, Ulrike und Björn Gebert. 2021. “How to Make Your Medieval Research More Visible with Open Scholarship Methods and Tools.” Imago temporis: medium Aevum 15: 415–450. https://doi.org/10.21001/itma.2021.15.14.