Skalierbare Blicke auf Leben und Werk: Visuelle Analyse und Kuratierung von kulturellen Objekten und Künstler*innen-Biographien
Hintergrund
In den letzten Jahrzehnten wurde die Digitalisierung der materiellen Objektsammlungen von zahlreichen Kulturerbe-Institutionen vorangetrieben ( Khan, Shafi, & Ahangar, 2018; Münster et al., 2019 ). Gleichzeitig wurde immaterielles Kulturerbe – wie biografisches Wissen über KünstlerInnen – digital erfasst und in biografischen Datenbanken verfügbar gemacht (Hyvönen, 2018; ter Braake et al., 2015; 2017). Diese Entwicklungen bieten eine gute Basis für eine digitale Analyse und Kommunikation des Lebens und Werks von Kulturschaffenden ( Ruecker, Radzikowska, & Sinclair, 2016; Khulusi et al., 2016; Schlögl, Windhager, Mayr, & Kaiser, 2019; Windhager et al., 2018), jedoch verhindern mangelnde Verknüpfungen von lokalen Datensammlungen sowie fehlende Werkzeuge oft eine optimale Nutzung durch interessierte Forscher*innen und Praktiker*innen.
Die InTaVia-Plattform
Das InTaVia-Projekt ( https://intavia.eu ) arbeitet an der Reduktion solcher Barrieren und führt erstmalig materielles und immaterielles Kulturerbe mehrerer Länder in eine integrierte Datenbasis zusammen (Windhager, Mayr, Schlögl, & Kaiser, 2022, in Druck). Das Konsortium harmonisiert zu diesem Zweck nationale Kulturdatenbestände (inkl. Finnland, Niederlande, Österreich und Slowenien) und entwickelt ein prototypisches Informationsportal für die visuelle Analyse und Kommunikation dieser integrierten Kulturdaten. So wird eine synoptische Visualisierung und Betrachtung von historischen Daten zu Leben und Werken aus verschiedenen Perspektiven (geografisch, relational, kategorial, chronologisch) und auf verschiedenen Ebenen der Aggregation (von close bis distant reading) möglich.
Zielsetzung Workshop
Der Workshop ist als “Early-Access Workshop” für die InTaVia-Plattform konzipiert und zielt auf die Erprobung und Diskussion von prototypischen Visualisierungsmethoden, sowie auf den Austausch mit interessierten Forscher*innen in Feldern des digitalen kulturellen Erbes, der digitalen (Kunst-)Geschichte und angrenzender Geisteswissenschaften. Zu diesem Zweck wird eine Diskussion der Thematik aus DH-Perspektive verbunden mit einer Vorstellung der InTaVia-Plattform und ihrer Technologien - mit spezifischen Fokus auf Module der Datenkuratierung und auf Methoden der visuellen Analyse. So können teilnehmende Expert*innen Einblicke in synoptische Methoden der Datenvisualisierung und -kuratierung gewinnen, während die Veranstalter*innen des Workshops mögliche Anregungen und Wünsche für die partizipative Weiterentwicklung der Plattform dokumentieren werden.
Bei Interesse soll der Workshop auch der Initiierung von gemeinsamen Fallstudien dienen. Für teilnehmende Expert*innen wird in diesem Fall im Nachfeld des Workshops ein Zugang zur prototypischen InTaVia-Plattform geschaffen, über den die Auswahl oder der Import von eigenen Daten mit Bezug zu individuellen Forschungsthemen möglich ist. In der Folge ist ein ausführlicherer Austausch zu den sich entwickelnden Möglichkeiten und Grenzen der Plattform angestrebt: Inhaltliche Expert*innen können die Tools der Plattform nutzen, um neue Einsichten in ihre jeweiligen Daten und Themen zu gewinnen und um Visualisierungen im Rahmen von gemeinsamen Fallstudien für eigene analytische oder kommunikative Zwecke zu nutzen. Feedback zu den sich entwickelnden Möglichkeiten und Grenzen der Plattform kann wiederum den Entwickler*innen der Plattform wertvolle Einblicke in die entscheidenden Bedürfnisse von Praktiker*innen liefern.
Ablauf Workshop:
1) Projektvorstellung: Die InTaVia-Plattform verknüpft Datensammlungen verschiedenen Typs (i.e. kulturelle Objektsammlungen und biografische Textsammlungen) zu einer integrierten Graphdatenbank (Abbildung 1). In einer kurzen Vorstellung werden die wichtigsten Forschungsfragen des Projekts gemeinsam mit seinen technologischen Zielen und Modulen vorgestellt. Dies inkludiert Information über das Datenmodell IDM (InTaVia Data Model), das Modul zur manuellen Kuratierung dieser Daten (Data Curation Lab) und das Modul zur visuellen Analyse von ausgewählten Daten und Themen (Visual Analytics Studio).
2) Hands-On-Vorstellung von Datenmodell und Kuratierungsmodul: Mit Blick auf die transnationale Graphdatenbank (IKG - InTaVia Knowledge Graph) wird eine kursorische Vorstellung der vier nationalen Biografiedatenprojekte zur Darstellung des integrierten Datenmodells führen. Auf diese Weise werden Teilnehmende mit den Facetten der Lebens- und Werkdaten vertraut, deren Analyse und Aufbereitung die InTaVia-Plattform unterstützt. Dies ist von besonderer Relevanz für die potentielle manuelle Aufbereitung und Zusammenführung von Daten (sowohl Biografie- wie auch kulturelle Objektdaten), welche in einem eigenen Datenkuratierungs-Modul angesiedelt ist. Anhand einer Auswahl von Arbeitsdaten für den Workshop werden hierbei die Möglichkeiten aufgezeigt, die sich aus einer etwaigen Nutzung der Plattform für eigene Fallstudiendaten ergeben.
3) Hands-On-Vorstellung von Visualisierungswerkzeugen:
Kulturelle Objektdaten und Biografiedaten haben eine Vielzahl von Facetten und Dimensionen
die für Historiker*innen und Kulturwissenschaftler*innen von Interesse sein können.
Zu diesen Dimensionen zählen die geografische Position von biografischen oder künstlerischen
Ereignissen, diverse Kategorien von Ereignissen oder kulturellen Entitäten (Objekte
oder Personen), Relationen zwischen Personen und/oder Objekten sowie chronologische
Abfolgen und Zusammenhänge. Diese Aspekte können auf verschiedenen Ebenen der Aggregation
- von historischen Individuen bis hin zu diversen Gruppierungen - für verschiedene
Fragestellungen von Relevanz sein. Der Workshop wird zu diesem Zweck die Arbeit mit
dem multiperspektivischen Visualisierungsmodul der InTaVia-Plattform ins Zentrum stellen
und mit den Teilnehmer*innen skalierbare Blicke (inkl. close & distant reading) auf
exemplarische Objekt- und Akteursdaten entwickeln (vgl. Abbildung 2).
4) Feedback: Während der explorativen Arbeit mit den Modulen der Plattform werden Fragen und Hinweise der Teilnehmer*innen notiert, die im Rahmen der weiteren Arbeit am Forschungsprojekt in die nutzer*innen-zentrierte Entwicklung der Plattform einfließen werden. Dazu werden sowohl die anonymisierten Notizen zu Aktivitäten des ‘lauten Denkens’ von Teilnehmer*innen dienen, wie auch die Rückmeldungen im Rahmen einer kurzen abschließenden Feedbackrunde.
Zielgruppe und Voraussetzungen
Der Workshop ist als Halbtagesveranstaltung geplant mit Fokus auf abwechslungsreiche Inputs zur Praxis, Erprobung und Evaluierung von aktuellen State-of-the-Art-Methoden der kulturellen Sammlungs- und Biografiedatenanalyse. Seine intendierte Zielgruppe reicht von interessierten Historiker*innen und Praktiker*innen bis hin zu Expert*innen der digitalen Geisteswissenschaften mit einem Schwerpunkt der Datenmodellierung, Kuratierung oder Visualisierung. Für die Teilnahme gibt es keine Voraussetzungen mit Blick auf inhaltliches oder technisches Vorwissen. Für die praktische Arbeit an den Daten genügt die Mitnahme eines Laptops. Die Gruppengröße ist auf 30 Teilnehmer*innen beschränkt. Mit Blick auf die technische Raumausstattung wird ein Beamer, ein Medienkoffer, sowie Whiteboards oder Pinnwände beantragt.
Fördernachweis: Das Projekt InTaVia ( https://intavia.eu ) wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des H2020 Research and Innovation Programme, Grant Agreement No. 101004825 gefördert.
Bibliographie
- Hyvönen, Eero, Leskinen, Petri, Tamper, Minna, and Tuominen, Jouni. 2018. “Semantic national biography of Finland.” In Proceedings of the Digital Humanities in the Nordic Countries 3rd Conference (DHN 2018) . CEUR Workshop Proceedings.
- Khan, Nadim Akhtar, Shafi, S. M., and Ahangar, Humma. 2018. “Digitization of cultural heritage: Global initiatives, opportunities and challenges.” Journal of Cases on Information Technology (JCIT) 20 (4): 1-16.
- Khulusi, Richard, Kusnick, Jakob, Focht, Josef, and Jänicke, Stefan (2019). “An interactive chart of biography”. In 2019 IEEE Pacific Visualization Symposium (PacificVis) , 257-266. IEEE.
- Münster, Sander, Apollonio, F. I., Bell, Peter, Kuroczynski, P., Di Lenardo, I., Rinaudo, F., and Tamborrino, R. 2019. “Digital cultural heritage meets digital humanities”. In 27Th Cipa International Symposium: Documenting The Past For A Better Future , 812-820. ISPRS.
- Ruecker, Stan, Radzikowska, Milena, and Sinclair, Stefan. 2016. Visual interface design for digital cultural heritage: A guide to rich-prospect browsing . Routledge.
- Schlögl, Matthias, Windhager, Florian, Mayr, Eva, und Kaiser, Maximilian. 2019. Biographische Informationssysteme (DPBs, Digital Knowledge Databases, Virtual Research Environments) [Data set]. Zenodo. 10.5281/zenodo.2593761
- ter Braake, Serge, Fokkens, Antske S., Sluijter, Ronald, and Declerck, Thierry. 2015. Biographical Data in a Digital World 2015: Proceedings of the First Conference on Biographical Data in a Digital World (BD2015) . CEUR Workshop Proceedings. http://ceur-ws.org/Vol-1399/
- ter Braake, Serge, Fokkens, Antske, Sluijter, Ronald, Arthur, Paul, and Wandl-Vogt, Eveline. 2018. Biographical Data in a Digital World 2017: Proceedings of the Second Conference on Biographical Data in a Digital World 2017 (BD2017) . CEUR Wokshop Proceedings, 2119 . http://ceur-ws.org/Vol-2119/
- Windhager, Florian, Mayr, Eva, Schlögl, Matthias, und Kaiser, Maximilian. 2022. “Visuelle Analyse und Kuratierung von Biographiedaten”. In Digital History. Konzepte, Methoden und Kritiken Digitaler Geschichtswissenschaft , ed. K. Döring et al., 137-150. Amsterdam: DeGruyter. 10.1515/9783110757101-008