Usability im Fokus: Entwicklung und Evaluation eines Web-Frontends für stylo() mit verbesserter Usability
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Mit dem Poster zum Thema ’Usability für Tools in den Digital Humanities’ wird eine Fallstudie vorgestellt, bei der eine Web-Applikation für die Funktion stylo() der gleichnamigen R-Bibliothek (vgl Eder, Rybicki und Kestemont 2016) entwickelt und hinsichtlich ihrer Usability optimiert und evaluiert wurde. Aus den Ergebnissen der Fallstudie wurden allgemeine Praktiken und Empfehlungen zum Umgang mit dem Thema Nutzer*innenfreundlichkeit im Rahmen der Softwareentwicklung in den Digital Humanities abgeleitet.
Tools haben in den Digital Humanities eine große Bedeutung und eine signifikante Menge an Ressourcen wird in den Digital Humanities für deren Entwicklung aufgewendet (vgl. Gibbs und Owens 2012). Usability sollte jedoch bei der Toolentwicklung eine zentrale Rolle spielen, denn nicht zuletzt kann die Auseinandersetzung mit diesem Thema zu einer verbesserten interdisziplinären Zusammenarbeit führen: So werden etwa (Kommunikations-)Barrieren bei der Verwendung von Tools und Methoden durch eine nutzer*innenfreundliche Ausgestaltung abgebaut. Damit wird auch potenziellen Nutzer*innen ohne tiefergehende technische Kenntnisse oder Programmierkenntnisse eine Verwendung der Tools ermöglicht. Die Frage nach der Nutzer*innenfreundlichkeit von Tools scheint jedoch in der Vergangenheit eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben (vgl. bspw. Burghardt und Wolff 2015, Bulatovic et al. 2016). Auch wenn sich dieser Zustand gebessert zu haben scheint (vgl. bspw. Simon et al. 2019, Du et al. 2021), weisen viele Tools noch immer einen Mangel an Nutzer*innenfreundlichkeit auf. Illustrieren lässt sich dies anhand der Bibliothek stylo, die zwar über ein GUI verfügt, welche jedoch nur über die Kommandozeile zu erreichen ist. Auch bezüglich der Visualisierungen bestehen noch Potenziale zur Verbesserung.
Für die Fallstudie wurde unter Zuhilfenahme der Bibliothek React (vgl. Facebook/React: The Library for Web and Native User Interfaces. 2013) in JavaScript und R eine Web-Applikation für die Funktion stylo() entwickelt. Im Unterschied zu existierenden Web-Applikationen für Stylo (Universität Trier 2023, Piasecki, Walkowiak und Eder 2018) wurden bereits bei der Entwicklung die Anforderungen, die sich aus Usability-Heuristiken (vgl. Nielsen 1994) ergeben, miteinbezogen. Zusätzlich wurde auf digitale Barrierefreiheit geachtet (vgl. World Wide Web Consortium 2023). Im Anschluss an die Entwicklung der Web-Applikation wurde diese in einem vergleichenden Think-aloud Test evaluiert. Für einen solchen Test, wie er beispielsweise bei Krug vorgestellt wird (vgl. Krug 2009), werden Proband*innen aufgefordert, bei der Lösung von Aufgaben in der zu testenden Oberfläche ihre Gedanken zu den Prozessen zu äußern . Aus den Aufnahmen sind oftmals die schwerwiegendsten Probleme direkt ersichtlich. Durch einen Test mit lediglich fünf Proband*innen (vgl. Nielsen 2000), bis auf eine Ausnahme zusammengesetzt aus Studierenden der Digital Humanities mit ersten Erfahrungen mit der Stylo Bibliothek, konnten so die kritischsten Mängel hinsichtlich der Nutzer*innenfreundlichkeit identifiziert werden. Beispiele für diese Mängel waren unter anderem fehlende Suchfunktionen für einige Visualisierungen, Details bezüglich des Uploadprozesses oder auch Kritik an der Anordnung von Buttons im Sinne eines intuitiveren Zugangs. Die identifizierten Probleme konnten nach Sortierung hinsichtlich ihrer Dringlichkeit sowie ihrer Umsetzbarkeit größtenteils behoben werden. Zur endgültigen Bewertung dieser Lösungsansätze wäre jedoch ein weiterer Test im Sinne eines iterativen Verfahrens notwendig.
Entstanden ist so eine Web-Applikation, die die Funktionalitäten von stylo() abbildet. Durch den Fokus auf Usability während der Entwicklung und die entsprechende Evaluation hebt sich das neu konzeptionierte Tool nicht nur vom klassischen stylo-Interface, sondern auch von bereits verfügbaren Lösungen zur Aktualisierung des Software-Pakets ab (vgl. Piasecki, Walkowiak und Eder 2018 und Universität Trier 2023). Nutzer*innen werden über die Gegebenheiten des stylo()-GUI hinausgehende Möglichkeiten geboten. Bereits in der Parameterauswahl sorgt eine übersichtlichere Gestaltung, die ästhetischen Minimalanforderungen genügt, für ein zufriedenstellendes Nutzer*innenerlebnis. Wesentliche Verbesserungen sind auch im Bereich der Visualisierungen vorhanden. Hier haben die Nutzer*innen die Möglichkeit, interaktiv, beispielsweise durch Zoomen, Hovereffekte oder eine Suchfunktion mit den Visualisierungen der Analysen zu interagieren. Neben der Exportfunktion als Bilddatei können die Visualisierungen unter Beibehaltung sämtlicher interaktiver Funktionen als HTML exportiert und in die eigene Website eingebunden werden. Die Fallstudie belegt, dass auch mit begrenzten Ressourcen (vor allem zeitlich, aber auch personell) eine wesentliche Verbesserung der Usability möglich ist.
Als allgemeine Empfehlung, die sich aus der Fallstudie ergeben, kann festgehalten werden, dass bereits einfache Workflows die Usability wesentlich verbessern können. Durch eine Sensibilisierung der Entwickler*innen für Usability-Heuristiken kann ohne signifikanten Mehraufwand die Usability schon im Entwicklungsprozess erhöht werden. Durch den Einsatz iterativer Usabilitytests, die bereits mit einer geringen Zahl von Proband*innen die kritischsten Fehler aufzeigen, kann die Usability noch weiter optimiert werden. Beachtet man diese Empfehlungen, ist eine erhebliche Verbesserung der Usability für das jeweilige Softwareprojekt zu erwarten. Diese hat zahlreiche Vorteile: Zentral ist an dieser Stelle eine verbesserte Kommunikation zwischen Forschenden aus den Digital Humanities und traditionellen Geisteswissenschaften bezüglich der verwendeten Werkzeuge zu nennen. Weiterhin bieten sich auch bei dem im Rahmen des Projekts entwickelten Tools didaktische Potenziale, da Frontends mit verbesserter Usability zumeist niedrigschwelliger sind. Dies trägt auch dazu bei, dass die Etablierung eines Tools innerhalb der Community befördert werden kann und damit gegebenenfalls sogar Parallelstrukturen vermieden werden.
Bibliographie
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- Burghardt, Manuel und Christian Wolff. 2015. “Humanist-Computer Interaction: Herausforderungen für die Digital Humanities aus Perspektive der Medieninformatik”. In Book of Abstracts Zum DHd Workshop Informatik Und Die Digital Humanities. Leipzig, Januar.
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