Sonntag, der 28. März 1971

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Sonntag, 28. März 1971

Der Bundespräsident wird bei seiner Wahlreise durch
Vorarlberg in Klösterle empfangen. Staribacher begrüßt
ihn bereits eine Etappe früher, beim Verladen des Kon-
vois in Langen am Arlberg. Der Minister steht nicht auf
den Redekonzepten der Begrüßungsredner und wird daher
beim offiziellen Spektakel nach dem Grundsatz "Nicht
sein kann, was nicht am Zettel steht" geflissentlich
ignoriert. Umso herzlicher ist die Begrüßung durch den
Bundespräsidenten selbst. Dennoch bringt diese Veran-
staltung in Klösterle ein eindrucksvolles Bild, wie
passiv die Rolle eines Ministers in Begleitung des
Bundespräsidenten auf einer Wahlreise eigentlich ist.

In Landeck wird das Werk der Donau-Chemie besichtigt.
Dieser Betrieb wurde eigentlich errichtet, weil es
dort Wasserkraftwerke gab, und es am Beginn dieses Jahr-
hunderts nur schwer möglich war, Strom zu transportieren.
Lieber transportierte man den für die Karbiderzeugung
benötigten Koks und Kalk zum Strom. Heute ist das Trans-
portproblem umgekehrt und dementsprechend ist die Kosten-
lage des Betriebes ungünstig. Dazu kommt noch, daß der
Bedarf an Karbid laufend zurückgeht. Die Belegschaft
des Werkes, neben einer Textilfabrik das einzige Industrie-
unternehmen im weiten Umkreis, ist bereits auf 1/3 ge-
schrumpft. Die Hoffnung der Betriebsräte durch neue Pro-
duktionen dem Werk zu neuer Blüte zu verhelfen erinnert
in mancher Hinsicht an die Idee, wegen einer bereits vor-
handenen Autohupe ein neues Auto zu kaufen. Der Besitzer,
ein internationaler Chemiekonzern, scheint jedoch an
diesem neuen Auto nicht interessiert - vielleicht weil
ihm auch die Hupe als zu klein erscheint. Unter diesen
Umständen scheint nicht vielmehr möglich, als bloßer Zeit-
gewinn, in der Hoffnung, daß eine neue Konstellation zu


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vermehrten Interesse des französischen Besitzer führen
könnte. Die Chancen dafür sind freilich gering.

Mittags werden in 15 Minuten Verhandlungen mit der TAL
geführt. Vorläufig scheinen die internationalen Konzerne
an einer Vermittlung des Ministers noch nicht interessiert.
Sie deuten jedoch eine Kompromißlösung für die Verhandlungen
mit der ÖMV an.

Der Nachmittag bringt Wahlveranstaltungen in Zell am Ziller
und Mayrhofen im Zillertal. Ein Konvoi von 8 Personen
reicht von Ort zu Ort, um etwa 50–80 Personen, die ohne-
dies entweder Sozialisten oder exponierte Gegner sind,
mit Argumenten zu versorgen. Wahlveranstaltungen sind
sicher nötig, aber traditionelle Wahlreisen dieser Art
werden vermutlich erst aufhören, bis der Begleitkonvoi
die anwesenden Zuhörer bereits majorisiert. Tieber ver-
suchte mich davon zu überzeugen, daß die Fortschritte
der SPÖ in solchen Gebieten nur auf diese Art von Ver-
anstaltungen zurückzuführen und nur so möglich seien.
Er meinte, außerdem lerne der Konvoi bei einer solchen
Reise außerordentlich viel und aus dem Gespräch heraus
entstand die Anregung, junge Parteireferenten in Zukunft
stillschweigend solchen Konvois zuzuteilen, um diese
Veranstaltungsreihen gewissermaßen als eine Art intensiver
Rednerschule zu verwenden. Vielleicht könnten die jungen
Referenten dann im Rahmen solcher Veranstaltungen sogar
ein paar Worte sprechen und allmählich in ihre Aufgabe
hineinwachsen. Ich bin neugierig, ob die Tiroler diese
an sich sicherlich gute Idee in Zukunft realisieren werden.

Die Abendveranstaltung in Kufstein wurde zum Höhepunkt
der Wahlreise. Junges interessiertes Publikum und ein
Staribacher in Hochform, den der Vorsitzende zu Recht als
"Maschinengewehr der Regierung" bezeichnete. Daneben ein
blendender Dr. Salcher. Trotz der Anwesenheit von zwei
prominenten Journalisten, die im Podium mitdis-
kutierten, erhebt sich freilich die Frage ob es rationell
ist, ein derartiges Feuerwerk, das zu den Besten zählt,


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das die SPÖ zu bieten hat, in einem Ort wie Kufstein
abzubrennen.

Die Reise endet, auch bei den gesunden Teilnehmer, mit
Erschöpfung am Montag um 2.00 Uhr früh.



Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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      GND ID: 125942052


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