Montag, 29. März 1971
In Bludenz ersuchte mich der Bezirkshauptmann Hofrat Längle,
ob ich mich mit Rösch besprechen könnte, damit er einem Protu-
giesen einen österreichischen Paß ausstellen kann. Der Prä-
sident der Handelskammer Gasser will seine Textilanlagen in
Westafrika verkaufen und dieser Mann kann sich dort mit seinem
portugiesischen Paß dort kaum bewegen. Rösch, bei dem ich sofort
intervenierte, erklärte, daß es unmöglich sei, da man ihm vor
einiger Zeit angeschossen hat, als er auf eine Mitteilung des
Mödlinger Bezirkshauptmannes das alles in Ordnung sei, wenn er
einem Ausländer einen österreichischen Paß geben würde. Als
die Sache dann aufflog hieß es, Rösch sei schuld. Aus prin-
zipiellen Gründen würde er deshalb einer solchen Lösung nicht
mehr zustimmen. Ich teile dies sofort dem Hofrat telefonisch
mit. Da die Bezirkshauptmannschaft Paßbehörde in erster Instanz
ist, konnte ich ihm nur mitteilen, daß Rösch dem Ministerial-
rat Hermann, dem Leiter der Paßabteilung, nur Mitteilung machte,
daß er davon nichts zu wissen braucht. Her Hofrat war er-
staunt, daß ich ihm in der Früh sofort in dieser Angelegenheit
verständigte. Noch mehr erstaunt war er, als er erfuhr,
daß wir erst um l/2 2 Uhr morgens nach Hause gekommen sind,
weil man uns in Vorarlberg in Götzis bei einer Versammlung
die Antenne abgebrochen hat und sogar versuchte, den Reifen
aufzuschlitzen. Typisch für das österreichische Fremdenver-
kehrsland war, daß wir bis Landeck fahren mußten, bevor wir
einen Ersatzreifen kaufen konnte, da Sonntag war.
MR Schleifer war ganz verzweifelt, daß es bis jetzt noch
immer nicht geglückt war, den Kokspreis und die Kohlenpreis-
regelung soweit fertig zu machen, daß sie am Dienstag in der
Preiskommission verabschiedet werden kann. Er meinte, daß es
unmöglich sei, die Preise unter S 2,–– zu fixieren. KommRat
Steidl, der Obmann des Gremiums, und Dr. Widhalm, der Sekretär,
hatten sich aber bereits bei mir angemeldet. Ich war deshalb
überzeugt, daß wir den Nervenkrieg gewonnen hatten. Tatsächlich
konnte ich dann sowohl mit Steidl, als auch mit der VÖEST,
05-0393
Direktor Matthes und Platzer vereinbaren, daß der Preis nicht
S 2,07 sondern S 1,95 betragen wird. Schleifer wurde beauftragt,
die einzelnen Durchrechnungen bis am Nachmittag vorzunehmen,
damit er mit den Importeuren ebenfalls deren Abgabepreise ver-
handeln konnte. Die Importeure machten nun ganz große Schwierig-
keiten. Sie hatten sich ja schon errechnet, daß sie als die
mächtigen Vertreter der Reviere sowohl von Donetzer , die BRIKO,
als von Pohl, Pohlkarbon, als auch die tschechischen Reviere
in Zukunft den Preis mehr oder minder diktieren konnten. Da
die Kleingewerbetreibenden sowohl der Kleinhandel, als auch
der Rutschen und Streckenhandel von diesen Angst haben, waren
sie bereit, auf einen Teil ihrer Spannen zu verzichten- Ebenso
verzichtete die VÖEST auf 15 % ihres Gewinnes. Nur Komm.Rat
Sulke wollte bei der Nachmittagssitzung unbedingt noch beweisen,
daß er ein richtiger Kämpfer ist und erklärte, sie würden dieser
Regelung nie ihre Zustimmung geben. Ich fuhr ihm dabei gleich
ganz energisch an und erklärte, daß damit der Versuch als ge-
scheitert zu betrachten sei. Ich beabsichtige nämlich nicht,
gegen die Interesse von Handel, Gewerbe und Industrie eine
Entscheidung zu treffen. Entweder sie akzeptieren dieses
Kompromiß, das letzten Endes von ihnen selbst vorgeschlagen
wurde, oder es gibt keine einvernehmliche Regelung und damit
auch überhaupt keine Regelung.
Bei der Arbeitsgemeinschaft für Gemeinwirtschaft hielt ich
einen Vortrag über die österreichische zukünftige Wirtschafts-
politik. Da ich mich nach wie vor mit meinem Magen in einem
saumäßigen Zustand befinde, konnte ich weder mein Feuerwerk
noch mein Maschinengewehr, d.h. meine schnelle Redensart ein-
setzen. Interessanterweise aber kam diese neue Methode des
langsamen Sprechens und des überlegten Ausdrückens gut an.
Da ich die Materie aus dem ff beherrsche, gelang es mir
glaube ich wirklich, obwohl ich vollkommen frei sprach, ein
gutes Referat hinzulegen.
Anschließend an dieses Referat beglückwünschte mich
Ockermüller und ich nützte gleich die Gelegenheit ihm
mitzuteilen, daß GenDir Treichl von der CA in Zürich, er
war gekommen dort meinen Vortrag zu hören, mir folgende
Mitteilung machte: Er, Dr. Treichl, könnte nicht gut mit
Ockermüller das Problem Lenzing, Stickstoffwerke besprechen.
Er, Ockermüller, müßte aber wissen, daß Treichl bereit
wäre, die Stickstoffwerke an Lenzing zu beteiligen. Treichl
ist der Meinung, daß die Acryl-Faser-Produktion mit 8,500
zwar eine gute Anfangslösung für Lenzing darstellt, daß sie
aber auf lange Sicht gesehen nur mit einer größeren Einheit
konkurrenzfähig sein wird. Ockermüller will derzeit noch
keine Entscheidung in dieser Frage treffen. Er glaubt, daß erst
Mitte 1975 dieses Problem aktuell werden wird.
GenDir.-Stv. Feichtinger und Dkfm. Kreutler von der ÖMV er-
zählten mir, daß nun die westlichen Gesellschaften und auch
die ÖMV die Berechnungen über die Erhöhungen der Ölpreise
abgeschlossen hat. Sie werden in der nächsten Zeit bei mir
aufkreuzen und zwar werden alle Gesellschaften vertreten sein,
d.h. es werden über 20 Personen kommen, um mir das Elaborat
zu übergeben. Ich ließ den beiden keinen Zweifel, daß sie
sich ruhig Zeit lassen könnten, weil in den nächsten
garantiert keine Entscheidung fallen würde. Bei dieser Aus-
sprache wies Feichtinger darauf hin, daß die Verhandlungen
mit TAL noch immer nicht abgeschlossen sind. Ich erzählte
Ihnen, daß der Geschäftsführer der Transalpinen Ölleitung,
Dr. Büchlmann, in Innsbruck mit mir reden wollte und ich
auch tatsächlich mit ihm auch eine kurze Aussprache hatte.
Bei dieser Gelegenheit ließ mich Dr. Büchlmann wissen, daß
er glaube, daß es möglich sein müßte, die Differenzen die
zwischen dem Anbot der TAL und dem Anbot der ÖMV noch ex-
istieren, zu halbieren und dadurch dieses leidige Problem
aus der Welt zu schaffen. Da Büchlmann aber nicht wünscht,
daß ich bereits in der jetzigen Phase eingreife, er andererseits
dieses Offert mitteilte, habe ich der ÖMV strengst vertraulich
diese Mitteilung weitergegeben. Ich glaube, daß wenn man will,
müßte es möglich sein, dieses Problem aus der Welt zu schaffen.
Dr. Koppe erklärte mir, daß die APA aus Vorarlberg lauter
tendenziöse Meldungen, die größtenteils vollkommen falsch
waren, über meinen Aufenthalt in Vorarlberg rausgegeben hat.
Unter anderem erklärte diese Agentur, daß ich erklärt
haben soll, wenn ich die Stromkompetenzen in meinem Ressort
haben werden, daß ich dann sofort die Strompreise erhöhen
werde. Ich kann mir nun erklären, wieso alle Politiker, die
bis jetzt in Vorarlberg irgendwelche zu tun hatten,
gerade von dort immer mit Falschmeldungen eingedeckt wurden,
tendenziös wurde sowohl die Äußerung des seinerzeitigen Vize-
kanzlers Withalm gebracht, der erklärte, wenn er Steuer zahlen
müsse, würde er aus der Politik ausscheiden, genauso wie Präs.
Benya des Gewerkschaftsbundes, ebenfalls durch eine Falsch-
meldung aus Vorarlberg größte Schwierigkeiten hatte. Ich er-
suchte Koppe bei der APA dieses Verhalten zu klären und
schärfstens dagegen zu protestieren.
Bei der Ministerratsvorbesprechung kam wieder das Problem
der Gutachten der einzelnen Ressorts zu Gesetzentwürfen von
anderen Ressort zur Debatte. Kreisky meinte, der Ressortchef
müßte jeden Entwurf sehen. Dies ist eine neue Stellungnahme
von ihm, denn bis jetzt war er der Meinung, daß selbstver-
ständlich die anderen Ressorts jeder die Möglichkeit hat,
seine Beamtenstellungnahme dem Minister offiziell zu über-
mitteln. Häuser erklärte sich außerstande, jedes Gesetz
zu begutachten ob seine Beamten nicht grundsätzlich eine
Meinung vertreten, die entgegen der sozialistischen Regierungs-
politik wäre. Gratz meinte, er sehe jedes Gesetz und
behielt sich jede Stellungnahme vor. Häuser konterte darauf,
wieso er dann in dem Arbeitszeitgesetzentwurf den Häuser
ausgeschickt hatte, so entschieden gegen die gewerkschaftliche
und sozialistische Regelung polemisiert hat. Er hat unter
anderem seinen Beamten durchlassen, daß sie geschrieben haben,
wenn dies Gesetz wird, könnte die Butterfly nicht mehr ge-
spielt werden. Ich habe wirklich den Eindruck, daß wir am
meisten noch dieses Problem in der Hand haben. Sosehr auch
manchmal Heindl und Koppe sicher denken, daß Wanke mit
seinen überbürokratischen Lösungen über das Ziel hinausschießt,
05-0396
so sehr muß ich bei konkreten Fällen feststellen, daß es
nur die Organisationsform war, die wir bis jetzt geschaffen
hatten, daß uns diese Lapsus nicht passieren können. Dabei habe
gerade unser Ressort die schwierigste Situation, weil wir
doch rein die Unternehmerinteressen vertreten sollen.
Kreisky wies dann auch noch darauf hin, daß es eine Ver-
fassungsgerichtshofentscheidung gibt, wenn ein Minister von
einem Beamten ein Gutachten verlangt, daß dieser Beamte
keine Weisung bekommen darf. Das Weisungsrecht bei Begutachter-
tätigkeit erlischt.
Kreisky teilte auch mit, daß Geist in der ÖIAG seine Tätig-
keit aufgenommen hat. Außer von Schoeller-Bleckmann müßte
er das Styria-Problem lösen. Ja Kreisky ist der Meinung, daß
in diesen beiden Betrieben es sehr bald zu einem wirtschaft-
lichen Debakel kommen wird. Die Alpine ist nach Meinung von
Kreisky ein aufgeblasener und management-schlecht geführter
Betrieb. Er spricht zwar nur immer von GenDir Fitzinger, der
auch Alkoholiker sein soll, meint aber, davon bin ich überzeugt,
den gesamten Vorstand. Da er scheinbar in der Steiermark
auf Wahlreisen war, hat man ihm dort zugesetzt, daß das
Fohnsdorf gelöst werden müßte. Er fand nun den Ausdruck,
daß Fohnsdorf das österreichische Tennessee-Projekt werden
soll. Durch punktuelle Maßnahmen müsste diese Frage wie
eben in Amerika – Tennessee gelöst werden. Ich stehe aller-
dings auf dem Standpunkt, daß bei 1.300 Beschäftigten, die
in Wirklichkeit nur aus politischen Gründen immer eine solche
Macht gehabt haben, es nicht notwendig sein wird, eine solche
Anstrengung zu machen, wie die Amerikaner in Tennessee wo
sie ja ganze Landstriche, größer fast als Österreich, sanieren
mußten. Kreisky will mit Krainer, Sebastian, die beiden Landes-
hauptleute der Steiermark, und den Bürgermeistern und den
Betriebsräten eine Aussprache herbeiführen, um das Kohlen-
problem in Angriff zu nehmen. Veselsky meinte, daß seinerzeit
Philips sich interessiert hätte, nach Fohnsdorf zu gehen,
daß aber Krainer dies verhinderte. Hier stellte ihn Kreisky
05-0397
sofort richtig, daß sowohl Krainer als auch Sebastian
sich sehr bemüht haben, diese Philips-Produktionsstätte
nicht nach Grad , sondern nach Fohnsdorf zu bringen. Ich
erklärte, daß das Komitee für die Bergbauförderungsver-
gabe bereits Arbeiten leistet und mit Ende des Monats
April die endgültigen Ziffern vorliegen werden. Zu diesem
Zeitpunkt kann dann eine solche Aussprache erfolgen.
Kreisky meint, daß auch das Land Steiermark bereit sein
wird, für Fohnsdorf Mittel zur Verfügung zu stellen und
auch aus dem ERP-Fonds diesbezügliche Mittel kommen sollten.
Häuser meinte auch, man könnte aus der Arbeitsmarktför-
derung einige bedeutende Mittel zur Verfügung stellen.
Kirchschläger möchte für die Anfragebeantwortung der einzelnen
Ressorts jeweils 80 Exemplare haben, damit er diese der
Vertretungsbehörde schicken kann.
Anmerkung für Wanke:
Bitte veranlassen.
Der Handelsminister der USA, Stans, kommt am 1. Mai um
15.00 Uhr nach Wien und fliegt am Dienstag, den 4.5.,
um 8.00 Uhr früh ab. Er meint, wenn ich und er ihn empfangen,
sollten wir ihn auch gemeinsam betreuen.
Anmerkung für Heindl!
Bitte alles veranlassen.
Kirchschläger möchte auch, daß wir uns um eine internationale
Universiät für das große UNIDO-Gebäude am Donaupark interes-
siert. Es könnte ein Campus mit 75 Professoren und 500 Stu-
denten errichtet werden, denn die UNO und die UNESCO wünschen
05-0398
daß über Friedensforschung und Umweltschutz ein euro-
päischer Staat auftritt. Wir wären der 1. der sich da-
rum bemüht, die Kosten betragen 1 Mio. Dollar pro Jahr.
Firnberg, aber auch Gratz hatten Bedenken, weil sie annehmen,
daß dann der Finanzminister kaum mehr Gelder für ihre Uni-
versitäten zur Verfügung stellt. Kreisky meinte aber, man
müßte international stärker in Erscheinung treten.
Kirchschläger berichtete auch über das Ost-West methodologische
Institut, an dem von der Sowjetunion Gwischiani sehr interessiert
sei. Da die Franzosen aber für dieses Institut in der zweiten
Generation zur Verfügung stehen haben, hat Österreich kaum
eine Chance hier in Erscheinung zu treten.
Ich besprach mit Kirchschläger auch die Idee, daß Österreich
in einzelne Kommissionen der COMECON eintreten sollen.
Kirchschläger lehnte dies ganz entschieden ab, da er dann
auf dem Standpunkt steht, wir würden dann in unserer po-
litischen Unabhängigkeit vom Westen als ein reiner Satellit
Sowjetunions betrachtet werden. Er meinte sogar, wir
würden dann hinter Finnland rangieren. Meine Bedenken sind
anderer Natur, wenn wir nämlich z. B. in die Maschinen-
kommission der COMECON eintreten, kann es uns passieren,
daß die COMECON dann uns immer weitere Ausschüsse an-
bietet und wir dann auf diese Art und Weise wirklich
integriert werden. Auf alle Fälle ist dieses Projekt nicht
mehr weiter zu verfolgen, da Kirchschläger große außen-
politische Bedenken hat.
Spät abends rief mich noch MR. Schleifer zu Hause an und
erklärte mir, daß er jetzt doch mit den Importeuren scheitern
würde. Er hat zwar gegen den Willen der Importeure, auch
ich konnte sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugen, daß
es zielführend ist, dieser Regelung zuzustimmen, er hatte
also gegen den Willen der Importeure eine Berechnung über
die Einbruchstationen gemacht. Nun muß er aber noch den
Donauweg berechnen und hier stellte sich heraus, daß eine
05-0399
wesentliche Verbilligung des Kokses möglich wäre. Deshalb
lehnen nicht nur die Importeure, sondern auch der Handel,
ganz entschiede diese Variation ab. Ich empfahl ihm diese
Relation halt nicht jetzt zu bestimmen, sondern in der
Preiskommission nur allgemein darüber zu diskutieren.
In weiterer Folge könnte dann die Importeure, wenn sie
die notwendigen Schiffe haben, die Kohle über den Donauweg
nach Österreich bringen, damit kommen wir auch aus dem
Dilemma heraus, daß wir nicht den Weltmarktpreis diktieren,
sondern sie einen wesentlich höheren Weltmarktpreis durch
die Frachtverbilligung erreichen könnten. Die Importeure
wehren sich nämlich bei den Besprechungen die ich bisher mit
ihnen geführt habe dagegen, daß Österreich ihren Weltmarkt-
preis von 43,88 Dollar nicht akzeptiert, sondern nach Durch-
rechnung von oben herunter bei einem Verbraucherpreis von
S 1,95 nur ein Weltmarktpreis von 42 Dollar und etliche
Cents herauskommt. Wenn man nun die günstige Donaufracht-
relation als Grundlage nimmt dann kann man sagen, daß der
Weltmarktpreis den Sie sich vorgestellt haben, auch tat-
sächlich erreicht werden wird.
Tagesprogramm, 29.3.1971