T.B. Samstag, 10. Juli 1971
BREGENZ. Ein Terminkalender wie an einem Arbeitstag im
Ministerium. Komme mir vor wie eine Sprechzimmerhilfe
bei einem Arzt, die dauernd "der Nächste" ruft.
Vorbesprechung der Forumdiskussion am Gebhardsberg.
Bürgermeister Dipl.Ing. Mayer, Professor Kaspar vom
Institut für Fremdenverkehr an der Handelshochschule
St. Gallen, Direktor Hermann, Marketingdirektor von
Touropa, und der FPÖ-Vizebürgermeister von Bregenz
haben den Ehrgeiz, ihre vorbereiteten Vorträge praktisch
unverändert zu halten und haben Angst, daß die Präsentation
des Fremdenverkehrskonzeptes ihre schönen Argumente
erschlagen könnte. Staribacher verzichtete deshalb
darauf, das Programm schon am Beginn zu präsentieren
sondern legte es erst als Abschluß der Forumdiskussion
vor.
Sektionsrat Würzl und Ministerialrat Beran informieren
über das Fremdenverkehrskonzept und die Aktenlage in
Hohenems. Der ORF nimmt 4 Minuten Interview für das
Mittagsjournal.auf. Dies bedeutet gute Gelegenheit
zur Präsentation des Programms. Dr. Pfitzner von der Journal-
redaktion in Wien hat wieder einmal gut funktioniert.
Es wird hart sein mit der Journalredaktion, wenn er vom
ORF weggeht.
Vertreter der Hotelliers und des Verkehrsgewerbes, nämlich
unser Hotelier Beisteiner und ein Transportunternehmer
namens Delacher sprechen in der Angelegenheit Bahnhof
Wolfurt und Autobahntrasse vor. Ihr Hauptargument:
die Entscheidung muß rasch fallen. Redakteur Stangl von
der Tiroler-Tageszeitung möchte ein Interview machen.
Durch eine peinliche Informationspanne hatte ich Ihm
vor einigen Wochen längst überholte Unterlagen über die
Fremdenverkehrsbürgschaftsübernahme durch den Bund über-
mittelt. Nun findet gewissermaßen ein Versöhnungsinterview
statt. Der Mann ist bestens informiert und will – obwohl
er uns keineswegs besonders feindlich gesinnt ist – an
Hand der alten Budgetziffern nachweisen, daß das Fremden-
verkehrsinvestitionsprogramm in Wahrheit eher blufft, als
die Bereitstellung zusätzlicher Mittel ist. Es gelingt,
ihn zu überzeugen, aber gleichzeitig stellt sich heraus,
daß wir dringend Unterlagen benötigen, welche Mittel von
den 2 1/2 Milliarden bereits beim jetzigen Stand der
Arbeiten von uns aufgebracht würden.
Die Forumdiskussion am Gebhardsberg entwickelt sich wie
erwartet, nur mit noch weniger faszinierender Diskussion.
Es sind 94 Auslands-Journalisten und etwa 20 Inlands-
redakteure anwesend. Einige von ihnen haben freilich
den Eindruck, sie wären gewissermaßen "bei der falschen
Weiche". Es sind nämlich z.T. Kulturredakteure, die damit
wenig anzufangen wissen. Umso entzückter sind die
Fremdenverkehrs- bzw. Reiseberichterstatter der deutschen
Blätter.
Beim Mittagessen gibt es eine Vorsprache des Verkehrsvereines Lochau,
BR Schwarzmann, Dir. Bilgeri, die eine Denkschrift übergeben. Fast je-
de Gemeinde hat ähnlich ehrgeizige Pläne wie Bregenz selbst. Wenn es
hier nicht rasch zu einer Koordination kommt, wird das Ländle für die
Bundesregierung noch viel kostspieliger werden als es jetzt schon
ist. Die Bodenseeautobahn scheint jedenfalls eine absolute
Notwendigkeit und egal ob Mayer's flammender Appell für
eine von ihm selbst auszuarbeitende Lösung oder ein anderes
Projekt – die Entscheidung muß rasch fallen.
Interviews mit dem ORF-Lokalstudio über die Forumdiskussion
sowie über die Gewerbeordnung, Interview mit dem deutschen
Rundfunk, Fernsehinterview und schließlich am Abend noch
ein Interview über Hohenems für das Lokalstudio. Der Tag
ist publizistisch recht ergiebig.
Da ein wenig Zeit bleibt, nimmt der Minister an der Boden-
seerundfahrt der Journalisten teil. Es wird freilich weniger
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ein Beisammensein mit Journalisten als ein solches mit
Künstlern. Am bemerkenswertesten die fast verzweifelte
Feststellung von Langer-Hansel zum Ministerialrat Beran,
die sich beide unbeobachtet glauben, daß es fast zum
Verzweifeln sei, wie geschickt Staribacher die öffentliche
Meinung für sich zu gewinnen weiß und daß kaum Hoffnung
bestehe, ihn loszuwerden.
Winder holt uns nach Hohenems. Der Katastrophensteinbruch
von Oberklien wirkt noch viel beunruhigender als wir an-
nahmen. Es scheint nicht nur eine Katastrophe gewesen zu
sein, die gerade noch glimpflich vorüber ging, sondern
dieser Steinbruch wirkt eher wie der Schauplatz künftiger
Katastrophen. Trotz nächtlicher Scheinwerfer und in Fels-
spalten eingebauten elektrischen Spionen, die übrigens
bei jeder Hineinsprengung im Erlacher Steinbruch Alarm
geben, wären die Anrainer bei einer neuen Katastrophe
vermutlich hilflos.
Im Erlacher Steinbruch warten nicht nur das Aktions-
komitee, sondern auch Dr. Schrofner, der Vertreter der Firma,
und Professor Krapfenbauer, sein Gutachter. Es kommt zu
überraschenden Widersprüchen zwischen der Meinung Schrofners
und der Krapfenbauers, wobei Krapfenbauer klar zu erkennen gibt,
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daß erstens die Meinung des Gutachters des Sozialministeriums,
Sicherheitssprengungen wären nötig, äußerst problematisch
ist und daß zweitens eine Ausdehnung des Steinbruches in
Richtung Hohenems nicht zu verantworten wäre. Der Gut-
achter zeigt entweder Zivilcourage oder er handelt nach
dem Grundsatz "die Ratten verlassen das sinkende Schiff",
denn die Diskussion in Hohenems erweckt eigentlich ein
wenig den Eindruck einer Hinrichtung dieser Firma. Die
Besichtigung der oberen Steinbruchkante in der Buchenau
zeigt eine geradezu verantwortungslos schlechte Sicherung
des 130 m hohen senkrechten bzw. überhängenden Abfalls.
Obwohl in der Nähe ein Gehöft ist und Kinder spielen,
ist z.T. nicht ein Mal ein Draht gespannt. Ministerialrat
Dr. Beran soll die Vorarlberger Landesregierung auf diesen
Mißstand aufmerksam machen.
Die Aussprache im Gasthof Schiffle
Vorsitz von Bürgermeister Amann verläuft zunächst in
geradezu unterkühlter Atmosphäre. Dies gilt freilich nur
für den Stil der Diskussion, denn die Hitze ist unerträglich
und die Luft im Raum geradezu zum Schneiden. "Stimmung"
kommt eigentlich erst in die Veranstaltung als August
Heckeis ein pensionierter Sprengmeister, der den Steinbruch
wie seine Westentasche kennt, dramatische Warnungen vorträgt,
Edmund Hefele, ein junger Student und Organisator des Wider-
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standes, mit Dr. Schrofner zusammenprallt, Professor Krapfen-
bauer neuerlich Erklärungen abgibt, die der Steinbruch-
firma sicher nicht angenehm sind und schließlich ein Mann,
dessen Name ich leider nicht notiert habe , berichtet, daß
bei einer der Kleinsprengungen, die offenbar unsachgemäß
durchgeführt wurden, dieser Tage neuerdings Steine in
unmittelbarer Umgebung von Personen niedergegangen sind.
Er hat Anzeige bei der Gendarmerie erstattet, die diese
Anzeige jedoch angeblich nicht weiter verfolgt. Eine Rück-
frage bei Rösch zählt zu den Vorsätzen, die wir von Hohenems
mitbringen. Eine Frau, Anrainerin von Oberklien, bringt die
Hoffnung zum Ausdruck, daß die Katastrophe wenigstens den
Erlachern und der Häusergruppe Buchenau, oben über dem
Steinbruch, helfen möge. Eine Frau erzählt, daß sie bei
jeder Sprengung mit 6 Kindern, unabhängig vom Wetter, das
Haus verlassen muß, auch wenn die Kinder krank sind. Der
Bürgermeister droht, daß bei einem Abtransport der Ge-
steinsmassen vom oberen Ende des Steinbruchs über die
kleine Gemeindestraße, die Gemeinde ein Fahrverbot für
Lkw verhängen würde, was den Abtransport unmöglich machen
müßte. Dr. Schrofner möchte viel lieber, daß die Felstrümmer
im freien Fall 130 m weit hinabstürzen, weil sie durch
diesen Aufprall gleich auf verarbeitungsbereite Größe
zerschmettert werden. Dies ist nach Meinung der Sach-
verständigen und der Aktenlage allerdings indiskutabel.
Die einzige Lösung des Falles wird darin liegen, der
Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H. allenfalls eine
neue Steinbruchkonzession zu verschaffen. Im Steinbruch
selbst hat sie noch für ungefähr 50 Tage Material und
dürfte tatsächlich am letzten Loch pfeifen. Staribacher
schaffte es wiederum, die Leute zu überzeugen, ohne un-
vertretbare verbindliche Zusagen abzugeben. Der übervor-
sichtige Ministerialrat Dr. Beran ist begeistert.
Der eigentliche Anlaß der Vorarlbergfahrt war die Schenkung
der Bregenzer-Waldbahn-Lokomotive. Die Feier in verhältnis-
mäßig kleinem Kreis wirkt überaus nett. Staribacher er-
klärt, die schwarze Lokomotive ist neu lackiert, aber
sie muß von einer roten geschoben werden. Bei der Ankunft
in Bezau werden manche blau sein. Damit ist nicht nur die
politische Prognose, sondern auch das Programm des Sonntags
bereits charakterisiert.