Montag, 12. Juli 1971
Direktor Seefranz von der Unilever muss entsprechend der Rapsgemeinschaft
mit der Landwirtschaft ein neues Rapsübereinkommen abschliessen. Das
zuletzt geschlossene war auf 3 Jahre befristet und läuft 1971 ab. Prä-
sident Lehner von der Landwirtschaftskammer OÖ und gleichzeitiger
Präsident der Präsidentenkonferenz möchte den Vertrag dahingehend moti-
vieren, dass in Hinkunft nicht mehr so wie jetzt 3.80 pro kg Raps
von der Fettindustrie bezahlt wird, sondern dass der Betrag, der dafür
aufgewendet wird, das sind ca. 30 Mill. S auf die abzuliefernde Menge
aufgeteilt wird. Der jetzige Vertrag sieht vor, dass 8.000 t maximal
plus oder minus 10 % von der Fettindustrie übernommen werden müssen.
Die Fettindustrie verkauft diesen Raps nach Ungarn, erleidet dabei
einen Verlust heuer – da nur 6.000 t abgeliefert wurden – von 5 Mio S.
Wenn die Unilever ca. 61 % zu tragen hat. Bezüglich des Anteils für
die GÖC von 3 % hat die Unilever also fast 2/3 zu tragen. Derzeit sind
die Verluste nicht so hoch, da bereits auf dem Weltmarkt 121 $ pro to
bezahlt werden. Der tiefste Preis war vor einigen Jahren 98.– $. Die
Fettindustrie steht nun auf dem Standpunkt, dass ein neues Abkommen nur
dann geschlossen werden kann, wenn die Paritätische Kommission eine Preis-
erhöhung für Öl zustimmt. Ich habe Direktor Seefranz erklärt, dass doch
verhältnismässig nur sehr wenige Bauern betroffen sind. Meiner Meinung
nach kommen von 2000 Bauern, die Raps abliefern ein Drittel der Menge
auf 5 Betriebe. Die Ölindustrie, die sehr drängt, dass die Ölpreise er-
höht werden, hat seinerzeit allerdings, als die Umsatzsteuer 6,1 % auf
1,7 % gesenkt wurde, die moralische Verpflichtung übernommen, die Preise
stabil zu halten. Dadurch ist eine Kostenentlastung von 8,5 % einge-
treten Gleichzeitig wurde zugegeben, dass auf meinen Hinweis die Schilling-
aufwertung ebenfalls 3,5 % Kostenentlastung bei den Importen bringt.
Den Verlust aus dem Rapsabkommen beziffert Seefranz mit 1,5 % auf den
Ölpreis. Die Rohstoffkosten sind aber in den letzten Jahren ununter-
brochen gestiegen und ziehen auch im jetzigen Zeitpunkt sehr an. Das
Sonnenblumenöl mit 100 1963 bis 1969 beziffert, so war 1970 ca. 130
der Index und steigt nun im Jänner auf 155, Feber 169 und März 177
an-. Bei einer 70 %-igen Rohstoffanteil-Tangente würde der Verbraucher-
preis um 50 % erhöht werden müssen. Ich habe Seefranz nicht im Unklaren
gelassen, dass eine solche Preiserhöhung überhaupt nicht in Erwägung
gezogen werden kann. Die Unilever hat mit 28 % Ölproduktionsanteil, das
sind 10.000 t, einen marktbeherrschenden Einfluss. Der Bona-Preis konnte
von ihr deshalb gehalten werden, weil sie heute nicht 100 %-ig Sonnen-
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blumenöl sondern nur 75 % und 25 % Sojaöl mischt. Eine weitere Bei-
gabe von billigem Sojaöl ist nicht mehr möglich, da ansonsten die
Qualität leidet. GÖC, als mit der Unilever entliiert, hat nur 3.800
bis 4.000 t im Lohn kann noch dafür gewonnen werden, den Ölpreis
nicht unverzüglich zu erhöhen. Ostermann dagegen, der zu 50 % Anteil
aus dem BRD-Besitzer und zu 50 % Clio-Anteil kapitalmässig heute sich
zusammensetzt, hat mir Vegetatbile und Olea-Rauch, Innsbruck, ca.
40 % Anteil und drängt ganz besonders auf eine Preiserhöhung. Ebenso
die Firma Meinl, Wiener Ölwerke. Flaschenöle wurden deshalb von all
diesen Firmen bereits erhöht und ist eine weitere Erhöhung nicht mög-
lich, da Bona einerseits den Preis erhöhen müsste. Im Oktober-November
wird aber die Ölindustrie eine Erhöhung um unter 10 %, damit sie noch
im Preisunterausschuss behandelt werden können, dort einbringen.
Bei der Margarine sieht die Situation anders aus. Dort hat Unilever
fast einen Monopol-Betrieb. Haushaltsware produziert sie 95 % und
Ebhart & Herout nur 5 %. Bei Industrieware, d.h. insbesondere für die
Bäckereien produziert sie 80 % und Ebhart & Herout 20 %. Unilever
lässt bei Ebhart & Herout ca. 1.000 t im Lohnverarbeiten. Für diese
Industriemargarine wird Ebhart & Herout überhaupt produktionsmässig,
kostenmässig erhalten. Die Unilever möchte nämlich nicht einen hundert-
prozentigen Monopolcharakter haben. Ausserdem dürfte Unilever grössten
Wert darauf legen, mit der Landwirtschaft, der Ebhart & Herout gehört,
sich gutzustellen, d.h. dieses letzte bedeutende Konkurrenzunternehmen
nicht auch noch aus dem Markt zu verdrängen. In der Preispolitik be-
absichtigt Unilever, wenn es nicht anders geht, nur Rama erst im
nächsten Jahr dem Preisunterausschuss einen Preiserhöhungsantrags zu
stellen. Im Oktober wird Unilever mit einer neuen Margarine, und
zwar einer Mittelsorte zwischen Thea und Rama, herauskommen. Nicht
4 Mio. S für die Werbung, wie sie für Vita, der neuen Margarinesorte
aufwenden musste, wird kein neuer Name geprägt werden, sondern wahr-
scheinlich unter Feine Thea auf den Markt kommen. Der Preis, befürchte
ich, wird sich zwischen 3.70 und 5.20 S, das sind die derzeitigen Li-
stenpreise für Thea und Rama, bewegen. Die Marke Thea soll aber unter
allen Umständen erhalten bleiben. Vita, die neue Marke mit einem
Listenpreis von 6.20 S hat heute bereits einen Anteil von 5 %, 45 %
ist Thea und 50 % ist Rama. Alle diese Informationen wurden mir streng
vertraulich gegeben, dienen aber sicherlich dazu, mich darauf vorzu-
bereiten, dass auch auf diesem Sektor Preisbewegungen im Herbst zu er-
warten sind. Ich habe keinerlei Zusagen gemacht, sondern nur darauf hin-
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gewiesen, dass auch ich empfehle, mit dem Abschluss des Rapsabkommens
sehr vorsichtig vorzugehen. Die Rapsproduktion betrifft nur einige
wenige Bauern und bedingt immerhin nach ihren Berechnungen 1,5 %
Verlust, die sie tragen müssen, solange nicht die Preise erhöht werden.
ANMERKUNG: Bitte, diese Ausführungen Dkfm. Marsch zur Verfügung stellen
und unbedingt auf den vertraulichen Charakter gegenüber jedermann hinzu-
weisen.
Minister Moser hat gegen das Gutachten der drei Weisen, die die Auto-
bahn am Bodenseeufer entlang führen wollen, selbst grosse Bedenken
und hat mich ersucht, wir sollen einen Fremdenverkehrsfachmann nam-
haft machen. Dr. Edelmann, den ich in Gastein kennengelernt habe und
der bei der OECD arbeitet und insbesondere für die französische
Regierung etliche Fremdenverkehrsgutachten ausarbeitet, hat sich
bereiterklärt, eine solche Arbeit zu liefern. Edelmann erzählt mir,
dass er sich immer wieder bemüht, in Frankreich die Beton-Lobby – wie
er sie bezeichnet – zu bekämpfen, die in Gebieten, wo kaum ein so
grosser Fremdenverkehr zu erwarten ist, bis zu 300.000 Betten, jetzt
z.B. auf der Schweizerischen-französischen Grenze für den Wintersport
hinstellen wollen, bekämpft. Ich hatte Moser ersucht, dass er nach
der Aussprache mit ihm zu uns herüberkommen soll, weil ich ihm
einige Wünsche, die wir haben, mitteilen wollte. Zu meiner grössten
Verwunderung musste ich feststellen, dass Moser ihm zwar den Auftrag
gegeben hat, aber keinerlei Unterlagenmaterial. Selbst das Gutachten
der drei Verkehrsfachleute, das sich Würzl in Vorarlberg beschaffen
konnte, soll er erst in 10 Tagen bekommen. Wir unsererseits stellten
ihm sämtliche Unterlagen, die wir hatten, wie die Errichtung des Fest-
spielhauses, die Untersuchungen Prof. Kaspar über den Bodenseeraum
und div. andere Unterlagen zur Verfügung. Gleichzeitig ersuchten wir
ihn, er sollte eine Fremdenverkehrsstudie über den gesamten Boden-
seeraum, soweit er österreichisches Territorium betrifft, also von
Lochau bis Hard, ausarbeiten. Mittel müssen wir ja dafür nicht auf-
wenden, da die Untersuchung über die Autobahntrasse dies alles tragen
kann.
Gen.Dir. Bauer, von Linzer Verhandlungen, die er mit der ÖSW in
Anwesenheit von Gen.Dir. Geist, Grünwald und Kirchweger von der
ÖIAG geführt hat, kommend, kam zu mir über den Abschluss der italie-
nischen Gasleitung zu berichten. Zuerst wollte er mir erst in weiterer
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Folge, wenn ich einmal Zeit hätte, wie er sich ausdrückte, Bescheid
sagen, aber war gleichzeitig auch bei Kirchschläger angemeldet, da
dieser jetzt nach Italien fährt und informiert sein will, ob und
inwieweit eine eventuelle Intervention möglich resp. von uns notwen-
dig wäre. Ich erklärte deshalb Gen.Dir. Bauer sehr dezidiert, dass
ich eigentlich erwarte, dass er mir ebenfalls zeitgerecht Informationen
zukommen lasst. Auf Grund dieser dezidierten telefonischen Beschwerde
meinerseits ist er wirklich dann sofort erschienen. Er meinte, bei
den Linzer Besprechungen zeichnet sich nun für die ÖMV-ÖSW eine
Tochterlösung endgültig ab. Eine Fusion, wie sie insbesondere die ÖVP
verlangt und wie sie in der ÖIAG vertreten wird, wurde von der ÖMV
einheitlich vom Vorstand ganz entschieden und auch Maurer sowie
Czettel von NÖ hätten dagegen schwerste Bedenken. Die beste Lösung
nach Bauer wäre, das Aktionskapital der ÖMV von 1 Mia. auf 1,5 Mia. zu
erhöhen, bei der ÖSW sollte das Aktienkapital von 385 Mio auf 500 Mio
erhöht werden, hier würde dem inneren Wert entsprechend die Aufstockung
mit 1:2,5 die Forderungen von ÖSW seien angeblich 1:4, von der ÖMV
übernommen werden. Dadurch würde der ÖSW 600 Mio. nach Berechnungen der
ÖSW zusätzlichen Investitionsmitteln von der ÖMV zur Verfügung gestellt
werden und die ÖSW würde dann der ÖMV gehören. Der ÖMV schwebt hier
eine Lösung vor ähnlich wie sie es bei Elan und Martha erreicht haben,
sie würden aber und damit sollten sich die Linzer begnügen natürlich
vollkommene Selbständigkeit d. Unternehmens der Österreichischen Stick-
stoffwerke ÖSW belassen. Ich erklärte Bauer sofort, ich könnte mir nicht
vorstellen, dass die Oberösterreicher einer solchen Lösung zustimmen
würden.
Der Vertrag zwischen ENI und ÖMV betreffend Gasleitung durch Österreich
ist paraphiert. Bis zum 31. Jänner 1972 wird das Genehmigungsverfahren
und die Grundablöse bereits in Angriff genommen werden, die endgültige
Durchsatzmenge bis zu diesem Zeitpunkt zwischen den beiden vereinbart.
Die Grössenordnung wird sich zwischen 6 Mia. und 10 Mia. m³ bewegen. Die
Pipeline bleibt für 8 Jahre Eigentum der ÖMV und wird von einer Betriebs-
gesellschaft betrieben. Nach diesem Zeitpunkt hat die ENI ein Options-
recht auf 49 %. Die Betriebskosten wurden pro Jahr mit 24 Mio incl.
2 Mio. overhead costs, d.h. die allgemeinen Verwaltungskosten festgelegt.
Die ÖMV beabsichtigt mit der NAM, das ist die holländische Gesell-
schaft, mit der Ruhrgas, das ist die westdeutsche Gesellschaft, weitere
Besprechungen zu führen über einen eventuellen Abtausch von sowjetischem
Gas gegen westeuropäisches Gas, sei es gegenüber Frankreich oder gegenüber
Italien vorzunehmen. In weiterer Folge wäre die ÖMV sehr daran inter-
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essiert, dass eine Pipeline quer durch Österreich nach Westen gelegt
wird.
Die Gewerkschaftsjugend-Delegation mit Samlicki, dem neuen Obmann
und dem neuen Sekretär Mrkwicka, überreichten mir ihr Forderungs-
programm, welches sie am 11. Jugendkongress des ÖGB, der im September
stattfindet, vertreten wollen. Erstens fordern sie, dass der Standard
der Lehrlinge gehoben werden muss und die Propaganda jeder, der nur
einigermassen intelligent genug ist, müsste studieren, was zu einer
Übersetzung der Intellektuellen in Österreich führen kann und muss.
Zweitens wünschen sie die Loslösung der Jugendfragen aus der Gewerbe-
ordnung. Drittens möchten sie ein neues Modell der beruflichen Aus-
bildung, viertens die Überprüfung der verwandtschaftlichen Lehrberufe
und fünftens das Polytechnische Lehrjahr in eine berufsschulmässige Aus-
bildung umzugestalten. Sechstens meinten sie, dass die Organisation der
Lehrlingsstellen – derzeit gibt es 500 – von den Innungen weggenommen
werden sollen und in eine Selbstverwaltung, gegebenenfalls sogar
eine Kammer dafür errichtet werden sollte. Siebentens wünschen sie,
dass auch bei der Berufsausbildung eine Aufsichts- und Inspektionsrecht
geschaffen werden soll, wie es derzeit bei der Schule schon existiert.
Achtens sollten die Prüfungen bei Lehrabschlussprüfungen wegfallen,
wenn der Berufsschullehrer in der Berufsschule bereits eine theoretische
positive Note festgestellt hat. Hauptsächlichen Grund für diesen Grund
war, wie ich heraushören konnte, dass sie sehr schwer heute die Prüfungs-
kommissionen besetzen können. Ich ersuchte um eine schriftliche Stellung-
nahme des Forderungskataloges, den wir genau untersuchen werden. Ich
wehrte mich aber ganz entschieden dagegen, wenn man jetzt dazu übergehen
würde, Prüfungen, die die Befähigung nachweisen können, zum Verschwinden
zu bringen. Wir werden in der Gewerbeordnung sehr liberal vorgehen und
wenn sie noch Wünsche haben, werden sie sie im Begutachtungsverfahren
über die Arbeiterkammer und den ÖGB sicherlich uns mitteilen, aber ich
werde alles daran setzen, um die Mobilität zu vergrössern, aber die
Befähigung muss wirklich entsprechend erworben und nachgewiesen werden.
Mit Recht wiesen sie allerdings darauf hin, dass die Berufsschulen in
den Bundesländern, meistens in den entlegensten Orten angesiedelt
werden und deshalb tüchtige Berufsschullehrer kaum bereit sind, dorthin
zu gehen. Dies gilt insbesondere für die Steiermark. Anderseits wird
eine entsprechend lange Lehrzeit von den Lehrlingen verlangt und in NÖ
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z.B. hat das Gast- und Schankgewerbe in St. Pölten im Wifi einen
Kurs errichtet, wo nach zwei Jahren incl. d. polytechnischen Lehr-
ganges eine Befähigungsnachweisprüfung erbracht werden kann. Ebenso
wurden von den Malern und Anstreichern in Baden ein dreijähriger Lehr-
gang incl. polytechnischem Jahrgang gegründet. In der Steiermark macht
die Wifi einen 5- bis 6-monatigen Facharbeiter-Ausbildungskurs für Metall-
und Holzberufe mit Facharbeiter-Prüfung. Überall wird von diesen Orga-
nisationen zwar erklärt, dass dies kein Ersatz für die Lehre sei,
aber man werde sich bemühen, dass dies bei der Meisterprüfung aner-
kannt wird. Ich glaube, dass man wirklich die Lehrausbildung und
Weiterbildung einer neuen Untersuchung und Überlegung unterziehen muss.
Ich persönlich habe Gratz schon einige Male gesagt, dass wir der Berufs-
ausbildung wesentlich mehr Augenmerk zuwenden müsste, auch von der schuli-
schen Seite her und nicht alles nur in die herkömmlichen Formen der
humanistischen Mittelschulbildung investieren sollte. Dies gilt nicht
nur allein für die materiellen Mitteln, die aufgewendet werden, sondern
auch bezüglich der Lehrer, Viel mehr für die berufsausbildenden schu-
lische Tätigkeit gewonnen werden müsste.
ANMERKUNG: Bitte, diesen Abschnitt Sekt.Chef Jagoda zur Verfügung
stellen.
In der Ministerratsvorbesprechung teilte Kreisky mit, dass er
sich vorstellt, dass das Wahlthema Klarheit, d.h. klare Verhältnisse
schaffen für ein modernes Österreich, lauten soll. Die Wahlpropaganda
soll auf der einen Seite die noch offenen Punkte des Regierungsprogramms
umfassen, darüber hinaus aber sollen die zusätzlichen Erkenntnisse,
die man durch 14 Monate Regierung gewonnen hat, verarbeitet werden.
Kreisky wünscht, dass man ihm unverzüglich jetzt einen Brief von
jedem einzelnen Ressort schreibt, wo auf diese beiden Punkte Bezug
genommen wird. Die Forderungen sollen sehr konkret sein, der Brief
dafür aber umso kürzer.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, ein diesbezügliches Schreiben nach Rück-
sprache mit den Sektionen, aber insbesondere mit Gehart und der Grund-
satzgruppe verfassen.
Das Ausscheiden des freien Samstags aus der Urlaubsregelung, wenn der
Betreffende auch nicht gearbeitet hat, würde den Bund mindestens 80 Mio.
S kosten. Die ÖBB würde 210 Beschäftigte mehr und die Post 110 Beschäf-
tigte mehr benötigen. Da bis jetzt nur das Innenministerium und das
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Land- und Forstwirtschaftsministerium sowie das BKA eine solche Regelung
getroffen haben, wird nicht erwartet, dass andere Ministerien sich diesen
Regelungen anschliessen, sondern dass der Bundeskanzler nach Verhandlungen
mit der Gewerkschaft erklärt, dass wir diese Regelung wieder zurücknehmen
müssen. Beispielfolgen für die private Wirtschaft wären nämlich nicht
von der Hand zu weisen und insbesondere wäre eine solche Lösung für die
ÖBB, Post und sonstigen Betrieben verheerend. Kreisky hat auch einen Ge-
setzentwurf über die Ausschreibung der Dienstposten vorgelegt und wird
ihn morgen im Ministerrat einbringen, obwohl z.B. Rösch Bedenken dagegen
gehabt hat, da er meint, es würde in Hinkunft äusserst schwierig sein,
wenn jede Abteilung neu ausgeschrieben werden muss, die Besetzung von
eigenen Leuten durchzubringen. Selbst in Ministerien würde fremde Be-
werber dadurch eine grössere Chance haben, auf Positionen zu kommen.
Kreisky hat aber dieses Wahlversprechen einlösen wollen und seinerzeit
wurde bereits unter Schärf, Waldbrunner und Jonas gemeinsame Anträge im
Parlament in den Fünfzigerjahren zu dieser Frage eingebracht. Der Gewerk-
schaft wurde zugesichert, dass ein Gutachten einer Kommission eingeholt
werden muss. Ob sich der Minister dann dieser Begutachtungskommission
anschliesst, bleibt selbstverständlich ihm überlassen. Kreisky meint, es
wird sowieso immer in Hinkunft die Opposition jede Personalbesetzung
im Parlament zur Sprache bringen. Im Rahmen der Begutachtung können dann
alle Bedenken und Wünsche noch geäussert werden. Er selbst möchte nur,
dass unbedingt vor dem Herbst ein solches Ausschreibungsgesetz in die
Begutachtung geht.
Gratz berichtete, dass zum Privatschulgesetz, welches jetzt im Parlament
verhandelt wird, die österreichische VP nicht nur den Personalaufwand
in Hinkunft mit 100 % vom Staat gedeckt wird, sondern auch den Sachaufwand
in diesen Schulen ersetzen will. Innerhalb der SPÖ hat es im Wiener Aus-
schuss gegen den 100 %-igen Personalaufwand schon heftigsten Widerstand
gegeben und selbst innerhalb des Parteivorstandes hat man sich dann letzten
Endes wirklich nur für die Personalaufwandslösung entschieden. Wenn nun
die ÖVP den Sachaufwand ebenfalls verlangt, dass er den Schulen ersetzt
wird, dann würde die SPÖ diesem Gesetz nicht zustimmen können und versuchen
es zu Fall zu bringen. Kirchschläger wurde beauftragt, dem Nuntius mit-
zuteilen, dass das Konkordat, das mit 1. September in Kraft treten soll,
damit nicht betroffen wäre, die soz. Regierung würde sich auf alle
Fälle bemühen, die im Konkordat ausgehandelten Lösungen auch durchzu-
setzen. Lizitieren könnte sie sich aber von der ÖVP in diesem Falle
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nicht lassen und es wäre dann die Verantwortung der ÖVP zuzuschieben
wenn es zu keiner gesetzlichen Regelung kommt.
Ich konnte ganz kurz über Vorarlberg berichten, da ich bereits vor-
her allen davon betroffenen Ministern bilateral alle Wünsche über.
mittelt habe.
Lütgendorf berichtete, dass die Verkürzung der Wehrzeit für ihn eine
Erhöhung der Prämie, die er für die Leute, die über 6 Monate freiwillig
dienen, 39 Mio. S Personalaufwand ausmachen werden, die aber wo anders
von seinem Budget eingespart werden können. Die Möglichkeit, die SAAB,
die Prader bestellt hat, gegebenenfalls abzubestellen, besteht nicht,
da bereits verbindliche Verträge abgeschlossen wurden.
Lanc hatte mit seinem Verein die Industrievertreter und Bankenvertreter
ins Palais Pallavicini zu einem Abendessen eingeladen, wo ich über
die Industriepolitik referieren sollte. Ein Vortrag darf nicht länger
als 15 Minuten bis maximal 20 Minuten dauern. Anschliessend daran
soll eine Diskussion abgewickelt werden. Ich musste mich deshalb auf
die organisatorischen Massnahmen, die wir ergriffen hatte und habe
insbesondere auf die Studien hingewiesen und auf unsere Management-
ausbildung und Investorenberatung. In der Diskussion meldeten sich
ein Dutzend bedeutende Industriekapitäne oder Bankleute wie Taus und
Treichl, Kienzl, Rueger, Kottulinsky, Schoeller, Geist, Dr. Stepski,
Harmer, Anglan, dabei wurde mir nur eine einzige Frage wirklich pein-
lich. Taus nämlich wollte von mir wissen, wie das Instrumentarium für
meine Industriepolitik in fünf bis zehn Jahren ausschauen wird. Als
ich erklärte, für so lange Zeit keine Prognose machen zu wollen und
zu können, meinte er, er sei auch schon zufrieden, wenn ich ihm sagen
könnte, wies es in drei Jahren ausschaut. Ausser der lehrbuchartigen
Aufzählung von Zollpolitik, Lohnpolitik usw. was ich verhindert habe
und nur angedeutet habe, ging ich deshalb, um dieser Frage auszu-
weichen auf die konkreten Massnahmen. Ich erklärte, dass wir die
Exportindustrie untersuchen würden, einen Hemmniskatalog feststellen
und dass für industriepolitische Tätigkeit 60.000 Zollermässigungen
im Jahr zu geben meiner Meinung nach sinnlos sind. Mit solchen prag-
matischen Lösungen suchte ich mich aus der Schlinge zu ziehen.
Tagesprogramm, 12.7.1971