Freitag, Samstag, Sonntag, den 24, 25., 26. September 1971
Beim Bundeskongress des ÖGB wird die Wahl unter meinem
Vorsitz vorgenommen. Ich habe mich zwar nicht darum gerissen,
sondern Benya ist selbst gekommen und hat gemeint, ich
sollte doch zu diesem Tagesordnungspunkt und zu seinem Referat
den Vorsitz übernehmen. Ich habe mich über diesen Antrag eigent-
lich sehr gefreut. Vielleicht hat es in den vergangenen Jahren
irgendwelche Spannungen zwischen ihm und mir gegeben, die glaube
ich darauf zurückzuführen sind, dass ich immer auf dem Stand-
punkt gestanden bin und ihm auch gesagt habe, dass der Präsident
des Gewerkschaftsbundes keine andere Gewerkschaft führen soll.
Diese Meinung habe ich immer offen erklärt, weil ich auf dem
Standpunkt stehe, ein Gewerkschaftsbundpräsident braucht
keine Hausmacht hinter sich, er hat die stärkste Macht, die
es überhaupt gibt, wenn er so wie Böhm – und Benya macht dies
genauso – versucht, einen Interessensausgleich zwischen den ein-
zelnen Gewerkschaften herbeizuführen. Ich muss allerdings zugeben
dass bei den Metallarbeitern ganz spezifische Verhältnisse herr-
schen und dass es deshalb verständlich Benya diese Metall-
arbeiter nicht im Stich lassen will und daher den Vorsitz nach
wie vor auch von dieser grössten Gewerkschaft beibehalten hat.
Ich glaube, dass Benya in der Zwischenzeit auch erkannt hat,
dass es mir nicht darum gegangen ist, ihm seine Hausmacht
streitig zu machen und zu entziehen, sondern ausschliesslich
aus Zweckmässigkeitsgründen und auch in seinem Interesse es
besser wäre, wenn er nur ein Gewerkschaftsbundpräsident wäre.
Benya ist ein gewachsener Gewerkschafter und ein wirklicher Ver-
treter der Arbeiter und wird sicherlich auch in der Öffentlichkeit
und bei den Mitgliedern als solcher anerkannt. Die Wahl ist
deshalb einstimmig erfolgt und auch die Vizepräsidenten wurden
einstimmig gewählt. Ich benützte diese Gelegenheit, um insbesondere
auf die Angriffe gegen den Gewerkschaftsbund, dass er eine
undemokratische Organisation sei, zu antworten. Auch Benya hat
dann in seinem Referat zum Schluss auf dieses Problem Bezug
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genommen und auch seinerseits alle diesbezüglichen Angriffe
zurückgewiesen. Ich glaube, dass sich Benya ohne weiteres
einer direkten Wahl und zwar einer geheimen Wahl von allen
Gewerkschaftsmitgliedern stellen könnte und wahrscheinlich
auch mit überwältigender Mehrheit gewählt wird. Trotzdem
glaube ich und bin ich überzeugt, dass eine solche Wahl
für den ÖGB sehr problematisch wäre. Infolge seiner Konstruk-
tion könnte es sehr leicht zum Durchbruch der zentrifugalen Kräfte
kommen und das Endergebnis würde dann eine Zersplitterung dieser
mächtigen starken Organisation sein.
Benya gilt schlechthin als der harte Mann, der scheinbar keiner-
lei menschliche Gefühle sich leisten kann. In Wirklichkeit aber,
und dies zeigte nicht nur seine sichtbare Rührung, als er wieder-
gewählt wurde, obwohl dies für ihn ja sowieso feststand, sondern
auch seine sichtbare Rührung in noch stärkerem Ausmass, als er
sich insbesondere von seinem Freund und langjährigen Mit-
streiter Klenner verabschiedete. Klenner, Senghofer und Zak
scheiden als Leitende Sekretär, Klenner als Kontrollobmann und
ehemaliger Leitender Sekretär aus dem Gewerkschaftsbund aus.
Gerade mit Klenner hat ihn in den letzten Jahren eine enge Kampf-
gemeinschaft verbunden, als es darum ging, die schwierige Proble-
matik Olah im Gewerkschaftsbund zu lösen. Jedermann glaubte damals,
dass diese Frage insbesondere in dem ersten Stadium, als man noch
nicht die Einzelheiten kannte, ausschliesslich die Frage eines
Machtkampfes zwischen Olah und Benya ist. Niemand glaubte nämlich
in diese Phase, dass es möglich ist, dass ein Präsident des
Gewerkschaftsbundes überhaupt eine solche Politik machen könnte
und solche für unsere Organisation undemokratische Mittel anwendet.
Erst als im Laufe der Zeit sich herausstellte, dass Olah tatsäch-
lich selbst zugeben musste, dass er solche Methoden angewendet
hat, um sein Machtziel, nämlich Innenminister zu werden, zu er-
reichen, sagten sich selbst die besten Freunde von Olah los.
Ich selbst habe mich auch in dem damaligen Streit letzten Endes
eindeutig auf die Seite Benyas gestellt, versuchte aber, dies
sogar mit einem Teilerfolg, dass diese Affäre im ÖGB so wenig
wie möglich Spuren hinterliess. Vielleicht hat Benya zuerst
dieses mein Verhalten nicht ganz verstanden und es ist aus
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diesem Grund eine gewisse Spannung zurückgeblieben. Ausserdem
hat die Lebensmittelarbeitergewerkschaft schon unter Führung
von Mantler Schwierigkeiten mit dem ÖGB unter Führung von Böhm
gehabt. Damals waren sicherlich persönlich Differenzen, die die
beiden zu einem sehr gespannten Verhältnis brachten. Mantler
hat immer geglaubt, dass er als frühere, der illegalen Gewerk-
schaftsorganisation letzten Endes auch bei Wiederrichten der Ge-
werkschaften im Gewerkschaftsbund die Obmannstelle bekommen würde.
Er hat zwar niemals mit mir darüber gesprochen, aber sicherlich
war er darüber verärgert, weil er diese Stelle nicht angeboten
bekommen hat. Mantler hat sich nach der KZ-Befreiung von Buchen-
wald nicht nach Österreich, sondern in die Schweiz begeben.
Vielleicht hat er erwartet, dass man ihm die Obmannstelle reser-
viert und wartet, bis er nach Österreich zurückkommt. Die
Gewerkschaften aber haben damals anders entschieden und die
führenden Funktionäre sofort Johann Böhm zum Präsidenten des
Gewerkschaftsbundes gewählt. Mantler wurde damals nur das
Präsidentenamt in der Arbeiterkammer reserviert und interimistisch
mit Krisch besetzt. Ich glaube, dass diese Entscheidung von aller-
grösster Bedeutung und vollkommen richtig war. Mantler war als
Choleriker und als letzten Endes sehr verbitterter Mensch keines-
falls imstande, den ÖGB so aufzubauen und über alle Klippen
hinwegzuführen, wie das Böhm tat. Ausserdem gab es noch die
grosse Schwierigkeit, dass natürlich gerade die Lebensmittel-
arbeitergewerkschaft, wenn sie Lohnbewegungen macht, durch fol-
gende Preiserhöhungen auf die anderen Gewerkschaften negativ
beeinflussend wirkt. Und daraus ergibt sich ein gewisses Spannungs-
verhältnis. Im Laufe meiner Tätigkeit als Obmann der Lebensmittel-
arbeiter ist es mir doch immerhin in einem Jahrzehnt gelungen,
diese Spannungen weitestgehend zu mildern. Ich sehe meine
Funktion nämlich besonders darin, zwischen dem Gewerkschaftsbund
und unserer Gewerkschaft Missverständnisse und die Spannungen auf
ein Minimum zu reduzieren. Ich glaube, dass dies auch Benya jetzt
erkannt hat und deshalb haben sich in den letzten Jahren unsere
persönlichen Beziehungen wesentlich verbessert. Benya ist tat-
sächlich – und für mich gibt darüber keinen Zweifel und hat es
auch keinen gegeben – der beste Nachfolger, den wir für Böhm
finden konnten.
Meine Wahlkampfreise in die Bundesländer war durch meine
Anwesenheit am Gemeindetag in Dornbirn bedingt. Freitag abends
besuchte ich noch sehr spät ein Treffen der Bodenseegemeinden
mit dem Fremdenverkehrsverband und meinem Ministerium sowie
dem Professot Kaspar von der Schweiz und Dr. Edelmann als
Fremdenverkehrsfachmann, wo über die Frage einer zweckmässigen
Koordinierung verhandelt wurde. Wir hatten seinerzeit vor etlichen
Monaten die Bodenseegemeinden ersucht, sie sollten sich an
einen Tisch zusammensetzen, um ihre Suprastruktur-Fragen gemeinsam
zu besprechen und zu lösen. Es handelt sich darum, dass viele
Gemeinden gleichzeitig beabsichtigen, Bäder zu errichten und
dass sich in Wirklichkeit daraus ein Resultat ergeben muss
wonach keine auch nur annähernd auf ihre Betriebskosten kommen
könnte. Im Prinzip waren alle schon seit Wochen mit dieser
Vorgangsweise einverstanden, jetzt zeigte sich aber, dass bei
den Detailbesprechungen keine Gemeinde ihre wirklichen Probleme
und Absichten bis jetzt der anderen mitgeteilt hat. In Hinkunft
wollen sie sich zusammensetzen und zuerst einmal einen Bedarf
ermitteln und ihre Einzelprojekte gegenseitig austauschen.
Ich hoffe, dass unsere Besprechung klärend in dieser Hinsicht
gewirkt hatte, denn ich erklärte sofort, dass ich Verständnis
dafür habe, wenn es aus Konkurrenzgründen eine Gemeinde bis
zuletzt verheimlicht, welche Bauabsichten sie – sei
es bei Hotels oder bei Bädern oder sonstigen Suprastruktur-
Vorhaben – hat. Ich halte aber eine Koordinierung für uner-
lässlich.
Beim österr. Gemeindetag war auch Schleinzer anwesend, doch
konnte er nur vom Präsidenten Reiter, der selbstverständlich
ein ÖVP-Mann ist – die Gemeinden sind ja leider noch in der
Mehrheit ÖVP-regiert – als Vertreter der politischen Parteien
begrüsst werden. Die Möglichkeit, ein Wort dort zu sagen, hatte
er nicht. Nach einem interessanten Referat von Kessler, wo
der LH die Leistungen für die Gemeinden der Länder herausstrich,
merkte ich schon eine gewisse Unruhe im Publikum. Immerhin
3.000 anwesenden Gemeindefunktionäre hatten scheinbar nämlich
nicht das Gefühl, dass sie von den Ländern nur positiv protegiert
werden. Der Generalsekretär des Gemeindebundes, Dr. Hammer,
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hatte dann in seinem zweiten Referat sich auch teilweise sehr
negativ zu dem Vortrag von Kessler geäussert. Andererseits aber
ging er auf die zukünftigen Verhandlungen des Finanzausgleiches
ein und hat dort ganz besonders dem Bund seine finanziellen
Wünsche angemeldet. Ich hatte deshalb als letzter Referent
Gelegenheit, auf diese Wünsche und Vorwürfe zumindestens am
Rande einzugehen. Natürlich nützte ich den Gegensatz zwischen
den Ländern und den Gemeinden, um hier doch auch ein wenig
die Bundespolitik zu verteidigen. Dies brachte mir ebenfalls
Zwischenbeifall ein und nach dem Referat kam sogar Staudinger
zu mir und erklärte, dass er gar nichts anderes von mir erwartet
hätte. Staudinger ist zwar ein aggressiver ÖVP-Nationalrat, hat
aber verstanden, sich im Gemeindebund als der Gemeindesprecher
zu verankern. Er ist gleichzeitig auch Bürgermeister von Schwanen-
stadt. Leider sind unsere Genossen im Gemeindebund nicht sehr
aktiv, wahrscheinlich ist es aber auch sehr schwierig, dort
Spitzenpositionen zu erlangen, solange die Mehrheitsverhältnisse
so eindeutig für die ÖVP sind. Da die Zeit schon sehr weit
fortgeschritten war – um 12 Uhr sollte die Tagung zu Ende sein
und ich habe erst nach 12 Uhr zu referieren begonnen – ich fasste
mich halt entsprechend kurz und auch das wurde sehr lobend anerkannt.
Mit der Fa. MEWA hatte ich zwei Aussprachen. Ich gab ihr zwar
nicht die gesamte Information, aber die Kalkulationen über
Nylonhemden wie sie die Handelskammer uns übermittelt hat und
ersuchte um eine entsprechende Stellungnahme. Bei der zweiten
Aussprache ersuchte mich die Firmenvertretung wir sollten eine
Enquete aller Nylonhemden produzierenden Firmen nach Wien einbe-
rufen, es würde sich dabei nämlich zeigen, dass höchstens noch
ein oder zwei ganz kleine Quetschen sich mit dieser Produktion
beschäftigen. Ich sagte dies zu.
Die Wahlveranstaltungen waren so wie immer, nur war die Einteilung
meiner Meinung nach diesmal noch schlechter. Wir hatten im Walsertal
eine Aussprache, eine Diskussion für spät abends angesetzt. Tat-
sächlich kamen dann nur Gegner, denn es gibt ja fast kaum einen
Genossen, der sich dort offiziell zu SPÖ bekannt, und war daher
sehr geschickt, diese Diskussionsveranstaltung überhaupt nicht
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parteipolitisch, sondern nur als der Handelsminister ist im
Walsertal, kommen sie und diskutieren sie mit ihm, ausgeschrieben.
Die Gastronomen, die deshalb zu dieser Veranstaltung kamen, wollten
natürlich eine hinreichende Diskussionsmöglichkeit haben. Dadurch
kamen wir erst spät nachts weg und mussten dann noch in der
Nacht vier Stunden nach Lofer fahren, wo wir am nächsten Tag
um 9 Uhr die Veranstaltungen hatten. Am Samstag dann, eine
Veranstaltung nach der anderen, was mir weniger ausmacht als diese
furchtbare rauchigen Lokale, aber auch das wird vorübergehen.
Heindl hat sich eingebildet, dass wir einmal ein schnelles Auto
haben sollten und deshalb das Angebot von Mercedes, uns für den
kaputten Dienstwagen einen privaten Mercedes 280 SE zur Verfügung
stellen. Das Endergebnis war, dass wir in der Nacht auf Montag
auf der Autobahn selbstverständlich wieder einmal einen lästigen
Reifendefekt hatten und bald einen Reifenplatzer. Meiner Meinung
ist es tatsächlich so, dass ich als Volkswagen-Anhänger noch am
liebsten mit meinem Privatfahrzeug fahren würde. Dieses kenne
ich, da kann man sich darauf verlassen und bis jetzt ist mir
wirklich jahrzehntelang nichts mit dem Volkswagen passiert,
vielleicht erfordert mein Image, dass ich mit teuren Autos
fahren muss, ich selbst kann aber nur wiederholen, dass mir
dies sehr, sehr zuwider ist.
Tagesprogramm, 24.9.1971