Freitag, 15. Oktober 1971
Die Unterlagen für die 50-Jahrfeier der Brau AG in Linz sind
sehr unzulänglich. Ich habe 15 Mitarbeiter vom Generaldirektor
angefangen, bis zum gewöhnlichen Kraftfahrer auszuzeichnen und
weiss über die einzelnen überhaupt nichts. Im Ministerium hat es
einen Kompetenzkonflikt gegeben, weil bisher hat mir die Listen
das Präsidium zusammengestellt und derzeit hat Koppe den Presse-
dienst ersucht, er möge mir Detailinformationen geben. Aber so wie
mir bisher Min.Rat. Ottahal die Detailinformationen nicht lieferte,
so lieferte mir auch Pressedienst, Puffler, keine wirklich brauchbaren
Informationen. Er hat mir zwar fein säuberlich auf jedes Blatt den
Namen aufgeschrieben und halt, dass er Generaldirektor ist und in
Organisationen mit arbeitet und vor allem welche Auszeichnung er
bekommt oder er gab mir den Namen, dann die Kraftfahrertätigkeit
und wieder die Auszeichnung auf einem anderen Blatt bekannt. Warum
aber gerade dieser Kraftfahrer ausgezeichnet wurde, hat er nicht in
Erfahrung bringen können. In Wirklichkeit hätte er sich nur mit der
Gewerkschaft dem Betriebsratsobmann oder vielleicht sogar mit seinen
Arbeitskollegen irgendwie in Verbindung setzen müssen. Bisher war
es halt üblich, dass der Minister die Orden ganz ohne eine persön-
liche Bemerkung zu dem Betreffenden übergeben hat. Wann werde ich
endlich Detailinformationen bekommen die nicht im Akt stehen und
die eine persönliche Ansprache dem Ausgezeichneten gegenüber ermöglichen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, das Präsidium beauftragen, dass in Hin-
kunft zeitgerecht solche Detailinformationen von Betriebsräten, Ar-
beitskollegen, Vorgesetzten usw. angefordert werden. Dies braucht
nicht durch einen langen Schriftverkehr erfolgen und mir dann akt-
mässig die ganze Angelegenheit in Form von 10 Seiten womöglich mit-
geteilt werden, sondern nur in Form eines Telefonanrufes mit Stich-
worten und persönlichen Erklärungen einige Tage vor der Auszeichnung.
Noch schlimmer war es mit den Unterlagen bezüglich der Firmenaus-
zeichnung zur Führung des Staatswappens im Geschäftsverkehr. Hier
hatte ich überhaupt keinerlei Informationen. Dabei sitzen dort
bei solchen Feiern natürlich auch die Konkurrenten wie Mauthner und
Reininghaus und Harmer, mein Glück war nur, dass Vorredner waren
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und ich daher auf deren Bemerkungen oder teilweise Wünsche an die
Regierung eingehen konnte. Ausserdem fiel mir im letzten Moment ein,
dass ich der Wieselburger beim Grundtausch geholfen hatte und damals
anerkennend erklärt wurde, wie schnell diese Regierung zum Unterschied
von den vorhergehenden solche Probleme löste. Darüber hinaus war mir
bekannt, dass die Konzentrationsabsicht von der Brau AG über Zipf hinaus
auch mit Mauthner seinerzeit sehr weit abgesprochen war und im letzten
Moment am Einspruch des Familienrates von Mauthner scheiterte. Ich wusste
jetzt wenigstens die Tendenz meiner Rede. Je mehr Fakten man aber
hätte, umso weniger müsste man sich auf Bemerkungen der Vorredner ein-
stellen, die Gott sei Dank aber immer wieder kommen. Ich wollte noch –
da das Unternehmen 50 Jahre besteht – es wurde 1921 gegründet – darauf
hinweisen, dass diese 21-er-Jahrgang ein besonderer Jahrgang ist.
Anspielend auch auf mein Alter. Ich betrachtete dies aber dann als
zu anzüglich und unterliess diesen Gag – LEIDER. Gen.Direktor Beurle
hatte nämlich herausgefunden, dass alle Vorredner, der Bürgermeister
Hillinger, der LH Wenzl und ich 1921 geboren waren und hat uns des-
halb dann am Ende beim Essen jedem einen Bierkrug mit der Inschrift
1921–1971 geschenkt. Hätten wir den Informationsdienst, wie ich
ihn gerne wünschte – wäre dies natürlich mit bekannt gewesen und
ich hätte meinen Gag sehr gut starten können. So lag die Überraschung
bei ihm.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Wenn auch das Branchenreferat kaum solche Gags hervor-
bringen kann, so möchte ich doch in Hinkunft zumindestens Detailinformation
von jedem von mir auszuzeichnenden Betrieb bekommen, um gleichzeitig auch
über die Branche einiges Ziffernmaterial in Stichworten zu haben.
Da uns auf der Fahrt nach Bad Gastein eine Stunde Zeit blieb und
wir ursprünglich ins Felsenbad baden gehen wollten, hatte Koppe einen
phantastischen Einfall knapp vor Bischofshofen. Er meinte, dass hier
die Mitterberger Kupferbergwerks AG liegt und wir beschlossen natür-
lich sofort, ihr einen Besuch abzustatten. Die Befürchtung war, da es
Freitag 1/2 5 Uhr abends war, dass niemand mehr im Bergwerk anwesend
sei. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte mir das auch nichts ausge-
macht, ich hätte mir die Flotation und die Mühle ein bisschen abgesehen
und den Direktor nachher wissen lassen, dass ich ihn also doch besucht
habe. Doch zu meiner grössten Verwunderung war aber die Direktion noch
vollzählig anwesend. Alles war bass erstaunt, dass wir überhaupt ge-
kommen sind, dass wir weder einen Kaffee noch sonst irgendetwas
wollten, sondern ausschliesslich uns sofort den Betrieb und insbesondere
die neuen Laborversuche ansehen möchten. Das gemahlene Kupfergestein
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nicht nach Arnoldstein zum Abrösten zu schicken und dann die Kupfer-
platten zur Verarbeitung nach Brixlegg haben die Mitterberger ein
neues System entwickelt. In Amerika versucht man, mit Laufe die
Gesteine aufzulösen und durch Bakterien das Kupfer herauszuarbeiten.
In Mitterberg haben sie nun ein eigenes System entwickelt. Sie schlagen
das Gestein, nachdem sie es auf Mikromillimeter zermahlen hatten, mit
Kugeln an, dadurch geben sie durch Laugenzusatz eine Möglichkeit, Kupfer
von dem anderen Gestein zu lösen. Mit Hilfe einer Elektrolyse können
sie dann das Kupfer mit einem verhältnismässig hohen Reinheitsgrad
gewinnen. In seiner kleinen Autobatterie haben sie diese Elektrolyse
oben auf dem Dachboden gemacht und mir vom ersten gelungenen Versuch,
der erst ganz kurze Zeit möglich war, ein Elektrolysenkupfer mitgegeben.
Koppe hat dieser Pioniergeist und insbesondere diese primitive Anordnung
sehr gefallen. Sicherlich haben diese Versuche dazu beigetragen, um
der Mitterberger vielleicht einen Ausweg aus ihrem Dilemma zu bringen.
Die Hauptfrage bleibt natürlich, ob dies kostenmässig und technisch
dann im Grossversuch und überhaupt dann in der Produktion möglich ist.
Ich fürchte, dass das Hauptproblem noch immer der tiefe Kupferpreis
ist, der auch ein solches Verfahren kaum rentabel wird abwickeln lassen
können. Wichtig ist, dass mit einer solchen Elektrolyseproduktion
in Mitterberg die Transportkosten nach Arnoldstein erspart werden können.
Nach wie vor ergibt sich für mich aber die Hauptfrage, ob die Rentabilität
dieses ganzen Verfahrens überhaupt gegeben ist. Die Firma Lurgi, ein
ganz bedeutender metallurgischer Konzern hat sich mit diesem Problem
schon seit Jahren beschäftigt und noch immer kein brauchbares Ergeb-
nis erzielt. Vielleicht aber ist es hier wirklich unseren Chemikern
und Technikern gelungen, so wie dies seinerzeit beim LD-Stahlverfahren
der Fall war, eine einmalig günstige Lösung zu finden. Derzeit kämpft
die Mitterberger aber mit grössten finanziellen Schwierigkeiten, da
sie nicht einmal noch die Löhne für die nächsten Monate erwirtschaftet
hat. Der Betrieb an und für sich, den wir anschliessend besichtigten,
macht einen furchtbaren Eindruck. Die Anlagen sind vollkommen veraltet
und das System, welches hier noch arbeitet ist sicherlich kaum mehr
dem letzten Stand der Technik entsprechend. Da die Mitterberger seinerzeit
sehr viel Wälder besessen hat, wurde auch 1938 als man den stillgelegten
Betrieb von 1931 wieder aufmachte, alles mit Holz so wie seinerzeit
gebaut. Der Betrieb wird leider unterversichert sind, sonst könnte
er hoffen, dass er einmal abbrennt und damit die Versicherung einspringen
müsste, um hier einen neuen Betrieb errichten zu können. Ich glaube
aber und hoffe, dass die Brandgefahr in diesem Werk ja nicht allzu
gross ist. In den Besitz der Versicherungsprämien zu kommen, müsste
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man also – wie es im Fachausdruck heisst – warm abtragen.
Bei der Präsentation des Winterprogrammes von TOUROPA, wo ich
eingeladen wurde, um vor österreichischen und insbesondere vor
deutschen Journalisten, einiges zum modernen österreichischen Fremden-
verkehr zu sagen, war ich in zweierlei Hinsicht sehr überrascht. Erstens
war ich noch niemals im Grünen Baum und habe angenommen, dass es sich
dort um ein auch auf den Landkarten vermerktes Gasthaus handelt. Die
Besitzerin, mit der ich sprach, hat zwar nicht gewusst, dass sie überhaupt
schon in den uralten Landkarten schon als Grüner Baum bezeichnet war.
Mich überraschte es aber, dass es sich hier nicht um ein Gasthaus
im gewöhnlichen Sinne handelt, sondern wirklich, wie es heute bezeichnen
wurde, um ein Hoteldorf. Der Besitzer, Herr Linsinger und seine Frau
haben hier Phantastisches geleistet. Da sie – wie sie mir erzählte – auch
die Ökonomie, d.h. die Landwirtschaft in dieser ganzen Gegend scheinbar
besessen hat, hat sie es verstanden, hier mehrere Gasthäuser gleich-
zeitig zu errichten und durch ein Hallenbad sowie durch die Zuleitung
von Thermalwasser, die 3,5 km von Gasteinmitte weg, ein wirkliches
Zentrum der Erholung zu schaffen. Ein eigener kleiner Skilift gibt
auch den Wintergästen die Möglichkeit, ohne – wenn sie nicht wollen –
nach Gastein hineinfahren zu müssen, doch den Skisport im Winter be-
treiben zu können. Im Sommer haben sie jetzt den grossen Vorteil, dass
sie jetzt dem grossen Trubel einigermassen entfernt abgelegen sind.
Was sich also vor Jahrzehnten vielleicht als Nachteil herausgestellt hat,
ist jetzt in der Zwischenzeit der grösste Vorteil geworden. Die zweite
Überraschung war, dass so viele Journalisten, aber auch sonstige österr.
Zeitungsleute, aber auch andere z.B. Zentraldirektor Millwisch, Langer-Han-
sel, Hofrat Manzano und eine Menge andere, die ich nicht namentlich kannte,
daran teilnehmen, Erklärlich wurde mir dies, als ich dann am Abendessen,
das das Handelsministerium bezahlt, teilnahm. So etwas von guter Küche und
reichlicher Auswahl habe ich noch niemals erlebt. Herr Linsinger, der
gleichzeitig auch an demselben Tag Grossvater wurde und endlich einen
Buben bekommen hat, verfertigt solche Gedichte bei festlichen Anlässen.
Da es Abend war, begnügte ich mich mit der Vorspeise. Dafür hielt ich
glaube ich eine umso launigere Tischrede. Zumindestens Koppe meinte,
dass die Charmeoffensive insbesondere bei den deutschen Journalisten
ungeheuer gewirkt hat. Wir werden ja sehen, was sie letzten Endes in
ihren Zeitungen berichten werden und vor allem wie sie berichten werden.
Sicher ist, und ich habe diesen Gag, den mir Koppe bei der Hinfahrt
empfahl und ich zuerst nicht starten wollte, dann doch gebracht, nachdem
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die Stimmung sehr aufgelockert war, ich wies darauf hin, dass Journalisten
geben wurden, jetzt über den österreichischen Fremdenverkehr und Österreich
gut zu schreiben und selbst wenn sie Kritik üben, was ihr Recht ist und
was ich auch erwarte, so ist es noch immer billiger und zielführender als
unsere Annoncenkampagne. Wenn man dann noch meint, dass wenn sie Kritik
üben, das negativ wäre, so sagte ich, so wäre das noch immer besser und
billiger, als manche schlechte Annonce, die wir sicherlich schon aufgegeben
hatten. Als Minister für den Fremdenverkehr könnte ich hier wirklich glaube
ich eine Zeitlang in Österreich herumreisen von einer Veranstaltung zur
anderen, überall wäre ich von den Bürgermeistern und sonstigen Honoratioren
eingeladen. Mit einem Wort, ich könnte herrlich leben, glaube aber, dass
dies – obwohl man unterunterbrichen eingeladen wird, wenn man annehmen
würde, den schlechtesten Eindruck bei den Leuten dann hinterlassen würde
und ich bezweifle, ob ich dabei auch wirklich glücklich wäre. Als nämlich
– als wir am nächsten Tag – um 5 Uhr führ wegfuhren, meinte, dass hier
alles sehr teuer ist, konnte ich ihm nur bestätigen, dass dies nicht
unsere Preiskategorie gewesen ist und in Hinkunft sicherlich auch nicht
sein wird.
Gedicht E. Linsinger, Hotel Grüner Baum (Bad Gastein, Sbg.), anl. Touropa-Tagung, 15.10.1971