Montag, 28. Februar 1972
Jour fixe mit Mussil allein. Wirtschaftsbund hat gehofft, 1969
mit der Handelskammernovelle endgültig das Problem der Werbe-
Zugehörigkeit von den graph. und Baugewerbe endgültig geregelt
zu haben. § 35 spricht aber von Betriebsform, nicht aber von
Betriebsgrößen und deshalb hat Tomandl und Mayer-Maly ein Fach-
gutachten gegeben, das ihnen die Möglichkeit gibt, jetzt von
der Handelskammer jetzt die Einführung einer eigenen Industrie-
gruppe für das Baugewerbe zu verlangen. Die 16 Industriebetriebe
nicht zu einer einzigen Industriegruppe zusammenfassen zu können,
wollen sie nun die Größenordnung bis zu 200 Beschäftigte für
das Gewerbe und darüber hinaus sollten Industriebetriebe sein.
Dies würde bedeuten, daß wieder 500 in der Industriegruppe zu-
sammengefaßt wären und damit wieder nicht die 16 wirklichen
Industriebetriebe eine Fachgruppe bilden würden. Zwei weitere
ähnlich gelagerte Probleme, das graph. Gewerbe besteht eben-
falls aus großen Industriebetrieben und die Sägeproduktion hat
nur Industrie. Auch wenn das Unternehmen nur ein oder zwei
Beschäftigte hat. Ich sagte Mussil,
daß wir, wenn ein Antrag von der Handelskammer auf Errichtung
eines Fachverbandes für Bauindustrie ablehnen werden, gibt
Mussil auf. Wir einigen uns, daß Jagoda eine Besprechung über
dieses Problem ansetzt und einmal grundsätzlich über die Frage
diskutiert wird. Ironie des Schicksals. Die Handelskammer hat
Tomandl als ihren Konsulenten mit 80–100.000,-- Jahresein-
kommen engagiert und der macht jetzt die Gutachten für den FIBÖ ,
Dir. Meissner, gegen die Interessen resp. Wünsche der Kammerleitung.
Bezüglich des EWG-Erstattungswunsches weist Mussil auf seinen
Brief an mich hin, wo er verlangt, daß die drei Minister zu-
sammentreten, um eine Lösung zu suchen. Da er aber um 10.30
eine Besprechung beim Finanzminister hat, gehe ich auf diese
Forderung nicht konkret ein, sondern stelle nur fest, daß eine
innerösterreichische Angelegenheit bis 8. März nicht entschieden
sein muß. Betreffend der Abschöpfung werde ich versuchen, eine
Lösung bis zu diesem Zeitpunkt mit den Interessensvertretungen
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herbeizuführen.
Die Rundreise Kreisky betreffend ist Mussil der Meinung, daß der
Bundeskanzler bereits entsprechende Zusagen vor seiner Reise ge-
habt hat. Er denkt dabei an das Treffen der soz. Minister und
Bundeskanzlers in Tirol, um jetzt nur spektakulär seine Bestätigung
bei der Rundreise erreichen will. Da Kreisky die Besprechungen
unter vier Augen führte, hat überhaupt niemand eine Möglichkeit
zu erfahren, was er wirklich ausgemacht hat, resp. wie er wirklich
mit seinen Wünschen auf Änderung des Vertragsentwurfes angekommen
ist.
Pauli Blau ist wegen seiner Anstellung bei der AK nach Wien zurück-
gekommen und als Pressereferent der an der franz. Botschaft weiß
er auch keine Details. Er hat nur den Eindruck, daß Kreisky zwar
aber geschickt versucht hat den österr. Standpunkt Chaban-Delmas
vorzutragen, doch hat er sicherlich keinerlei konkrete Zusagen
erhalten. Da Kreisky der erste Bundeskanzler ist, der von einem
neutralen Staat mit den Ministerpräsidenten verhandelt und für
den Standpunkt Österreichs wirbt, ergibt sich erstens einmal die
Einmaligkeit dieser und Erstmaligkeit dieser Aktion und zweitens
natürlich sicherlich auch eine Verwendungszusage alle dieser
Ministerpräsidenten. In der Regierungsbesprechung berichtete
auch Kreisky zu diesem Punkt, daß in allen Ministerpräsidenten
versichert haben, daß sie mit ihren Fachministern sprechen werden
und für Österreich eine gute Stimmung erreicht werden konnte.
Die ÖVP, Mussil, denkt, daß hier ein ganz großer Plan von Seiten
Kreiskys seit eh und je bestanden hat. Ferner sieht er nicht,
daß das Ergebnis unbefriedigt im Parlament die Diskussion dahin-
gehend führen wird, daß Kreisky auch nichts erreicht hat, wird
sie Kreisky kaum angreifen können. Da sich Mussil klar ist, daß
er den Vertrag, wie immer er aussieht, akzeptieren muß, wird er
in eine schwierige Oppositions gedrängt.
Verkehrsministerium hat der Ausschuß, der sich mit dem Gelegenheits-
verkehrsgesetz beschäftigt, getagt, bringt aber, wie Mussil be-
hauptet, nichts weiter. Ich verweise darauf, wenn das große
Kompetenzgesetz in den nächsten Monaten aktuell wird, dann das
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ganze Problem sowieso im Verkehrsministerium ressortiert und
die Verkehrsleute auf dem Standpunkt stehen, daß sie dort besser
vertreten sein werden. Mussil muß deshalb solange zuwarten und
gibt zu, daß seine Leute fest damit rechnen, daß sie im Verkehrs-
ministerium dann eine bessere Ausgangsposition für ihre Wünsche
haben werden. Ich erkläre, daß Mussil und ich dann sehr gdagenen
wehren müssen, damit nicht die Verkehrsleute unter sich eine
Lösung anstreben, die dann gegen die Interessen der Industrie
als solche gerichtet sind. Als nicht ausgesprochenes Beispiel
gilt hier die Konzessionierung des Werksverkehrs.
Mussil will neuerlich, daß ich die Genehmigung gebe, daß Swoboda
der Leiter für die thailändische Fachschule, angestellt wird,
obwohl er höchste Bedenken dagegen hat, diesen Posten so hoch zu
dotieren. Ich verweise auf mein Antwortschreiben, wo ich ihm
vorschlage, er sollte doch Ausschreibung für diesen Posten vor-
nehmen.
Für die Starthilfeaktion hat die Handelskammer bis jetzt 30 Mio
und der ERP-Fonds ähnliche Beträge aufgewendet. Firmen sollen
für die Entwicklungsländer einen 5 %igen Kredit bekommen. Die
Österreichische Kontrollbank hat die politische und wirtschaftliche
Risikoabwicklung dieses Kredit der E.u.E-Fonds soll nun ebenfalls
eingeschaltet werden, doch währt dieser dem Kreditinstitut bis
80 % Garantie. Nun wünscht die Unternehmerschaft eine Novelle
und möchte gerne, daß bei diesen Krediten auch das Einzelprojekt
von den Firmen bis zu 50 % abgedeckt wird, wobei 25 % der ERP-
Kredit und 25 % die Handelskammer für Außenhandelsförderung
zuschießt, wenn ein Projekt von einer Einzelfirma realisiert wird.
Ich erkläre, daß ich dafür nicht zuständig bin und Mussil selbst
wird das Problem selbst noch einmal überdenken, ist aber auch
im Prinzip eher negativ zu der Forderung eingestellt.
Die Wirtschaftstreuhänder wünschen einen Kommerzialratstitel.
Eine grundsätzliche Entscheidung wird von mir nicht getroffen,
sondern das Einzelansuchen soll von der Handelskammer für Fröhlich
negativ beschieden werden. Die Wirtschaftstreuhändertariferhöhung
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wird von der Handelskammer jetzt genauer geprüft und im Prinzip
ist Mussil aber für eine Erhöhung positiver gestimmt.
Ich erinnere Mussil neuerdings daran, daß wir uns im nächsten
Wochen über die Probleme der Preisregelung resp. G Preisgesetze
in Österreich unterhalten müssen. Mussil selbst wird nun mit
Hofstetter die Studie des Wirtschafts- und Sozialbeirates über
diesen Punkt eingehend diskutieren. Ihm schwebt vor, eine
Regelung in diesen Gutachten einzubauen, wonach, wenn der Markt-
preis nicht unter Marktbedingungen, d.h. unter der freien Kon-
kurrenz erstellt wird, daß gegebenenfalls auch wirklich die ad-
ministrative Preisregelung eingreifen sollte und könnte. Er denkt
nur daran, daß dieser Zustand von einem Wirtschaftsprüfer durch
ein entsprechendes Gutachten oder einem Universitätsinstitut
prüft und der administrativen Preisstelle dann mitgeteilt werden
sollte. Ich erkläre sofort, daß dies ein viel zu kompliziertes
und aufwendiges Verfahren sei. In diesem Falle müßte man die
Routenfunktion des Ministeriums auf ein Begutachtungsver-
fahren der Interessensvertretungen aufbauen in Funktion treten
lassen. Von der Handelskammer kann es aber nicht abhängig gemacht
werden, weil sie als Interessensvertretung auf alle Fälle auch
ihre Unternehmungen zu schützen hat, die sich nicht marktkonform
verhalten. Immer muß die Interessensvertretung, ich weiß dies
aus meiner vorhergehenden Tätigkeit, habe ich erklärt, jedwede
Firma resp. Arbeitnehmer vertreten, auch dann, wenn sie ganz anderer
Meinung ist. Mussil dürfte also schön langsam doch bereits an diese
Sperrstellung aufzugeben, um eine gesamtwirtschaftliche einigermaßen
erträgliche Lösung für dieses Problem zu finden.
Ich verweise auf die für morgen angekündigte Protestdemonstration
der Frauen und meinte ironisch, daß, wenn die Delegation einver-
standen bin, an der Spitze an der Delegation in die Handelskammer
kommen werde. Mussil meinte er sei glücklich, daß er nicht mehr
der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses der ÖVP sei, denn jetzt
könne er dafür nicht mehr verantwortlich gemacht werden. Er selbst
ist über diese Demonstration nicht sehr glücklich. Da Mitterer jetzt
der Vorsitzende dieses Ausschusses ist, außerdem die Demonstration
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vom Wiener Frauen und wahrscheinlich für die Wiener Preise gilt,
erkläre ich, daß ich gegebenenfalls in die Wiener Handelskammer
zu Mitterer gehen würde. Ich bin allerdings überzeugt, daß die
Delegation gar nicht denke, mit mir eine solche Vorsprache zu
machen.
Information über kommunalpolitische Belange war keine Angelegenheit
des wiener Ausschusses, sondern war der übliche und nach etlichen
Monaten wieder eingesetzte Ausschuß der Nationalräte und Bundes-
räte mit Wiener Vorstand und Stadträten.
Anmerkung für WIESINGER
Bitte auf diese Unterscheidung streng achten.
Zum Glück war ich der einzige Minister der anwesend war, sonst
hätten die Teilnehmer mit Recht noch mehr kritisieren können, daß
so wenig Regierungsmitglieder sich um die Interessen der wiener
Organisation kümmern. Slavik berichtete über die Kommunalprobleme
In der Bundesregierung, Koren, wurde seinerzeit vereinbart, daß
U1, U2, U4 2,4 Md. Zuschuß bekommen sollen. Damals war ange-
nommen, daß die Gesamtkosten 5,063 Md. betragen. Jetzt hat
die Gemeinde U3 fertiggestellt und denkt, daß insgesamt die
Kosten 24 Md. ausmachen werden. Allein die 5 Md. sind schon in
der Zwischenzeit auf 7,5 Md. angewachsen. Slavik möchte deshalb
einer perzentuelle Beteiligung des Bundes an den Kosten. In diesem
Falle müßten die Abgrenzungskosten für Umleitungsstraßen, Kabel,
Kanäle, genau abgegrenzt werden, wie weit sie der U-Bahn ange-
lastet werden können. Androsch selbst soll sich im Prinzip be-
reit erklärt haben, daß der Bund einen Beitrag für die städt.
Verkehrsaufkommen in den Ballungszentren gibt. In anderen Städten
hat der Bund durch seine Post und Verkehrsleistungen der ÖBB
entsprechende Unterstützung gewährt. Dies gilt für die Bahn
Innsbruck – Bad Hall, aber auch für die anderen Linz, Graz, Salzburg,
St. Pölten und Klagenfurt.
Im Wasserwirtschaftsfonds hat Wien zuerst auf Leistungen ver-
zichtet, Jetzt ergibt sich eine Diskussion, daß man nur die
überregionalen Projekte fördern will. Dadurch werden Gemeinden,
die z.B. nur 5 km auseinanderliegen und ein gemeinsames Projekt
einreichen, als überregional betrachtet. Wien dagegen wird als
Lokalbereich eingestuft. Außerdem wird behauptet, daß z.B. die
Neuerrichtung der dritten Wasserleitung ein Fortsetzungsbau sei.
Wien versorgt aber heute 43 nö. Gemeinden mit Trinkwasser mit
15.000 m³ jährlichen Bedarfszuwachs hat Wien einen ungeheuren
weiteren Bedarf und möchte deshalb Mitteln des Wasserwirtschafts-
fonds bekommen. Auch die Kläranlagen werden nicht als Fortsetzungs-
bau zu bewerten sein. Wien wird am rechten Donauufer eine große
Kläranlage errichten und den linken Sammelkanal, der jetzt riesig
Dimension, 5,40m x 3,80m haben wird, durch einen Unterdüker
unter die Donau herüberführen. Dafür waren 90 Mio veranschlagt, die
bereits jetzt auf 120 Mio. angewachsen sind.
Betreffend die Bundesstraßen möchte Wien eine Dezentralisierung
der entsprechenden Bauvorhaben erreichen. Der Bund hat jahrelang
verhindert das Altmannsdorfer Unterführungsprojekt und wollte
sogar eine Kuppelüberführung, die verkehrstechnisch eine Katastrophe
gewesen wäre.
Auf der Donauinsel hätte die ÖVP-Regierung kein Grundinteresse
gehabt, jetzt dagegen will Androsch sich 1/3 die ihm zu-
stehenden ideellen Eigentumsanspruch sichern. Der Bund wird ent-
sprechende Baukostenzuschüsse machen, erklärt sich aber jetzt nicht
bereit, das Gelände nur für Sport und Erholungszwecke zu verwenden.
Die Gemeinde hätte damit eine Notreserve finanzieller Art für
spätere Zeiten gehabt, erklärte Slavik. Sport und Erholungsgebiet
hätte es gegebenenfalls umwidmen und entsprechend verkaufen können.
Diese Möglichkeit ist nicht mehr gegeben, Androsch gegen einen
Baukostenzuschuß für den Kanal 1/3 des Geländes beansprucht und
sogar Schulen dort errichten möchte. Die Landesverteidigung wird
vielleicht bei Klosterneuburg sogar ein Übungsgelände verlangen.
Schwierig wird es, wie der internationale Wettbewerb gestaltet
werden soll. Bis jetzt hat sich herausgestellt, daß bei solchen
Wettbewerben niemals österreichische Architekten zum Zuge gekommen
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sind, siehe Wien – Süd, Karlsplatz, UNIDO. Bei UNIDO hat Staber
als letzter einen Preis bekommen. Die Betrauung von Staber mit
dem Projekt hat große Schwierigkeiten bereitet. Slavik sieht aus
diesem Problem keinen Ausweg, da er denkt gegebenenfalls, ob man
nicht eine nationale Jury nur einsetzten sollte, d.h. einen nationalen
Wettbewerb machen soll. In diesem Fall meinte er aber würden die
Architekten wieder nicht die Möglichkeit haben, sich mit ausl.
Architekten zu messen und gute Projektideen vielleicht verloren
gehen. Ich glaube, daß in einem solchen Fall sich die ausl.
Architektenbüros eines österr. Architekten als Strohmann benützen
würden. Damit wären zwei Fliegen auf einen Schlag, es würden die
Ideen doch nach Österreich kommen und ein österr. Architekt würde
dann mit der Durchführung betraut werden.
Einbürgerung auf Staatsbürgerschaftsgesetz muß geändert werden.
Derzeit ist es so, daß nach 30 Jahren man automatisch Staatsbürger
wird, nach 10 Jahren kann man ein Ansuchen machen, nach 4 Jahren
bestätigt das Bundesministerium für Inneres die wirtschaftliche Not-
wendigkeit oder einen 2. Grund, denn zwei Gründe müssen laut Gesetz
angegeben werden und bis vier Jahre muß die Bundesregierung diese Be-
stätigung ausstellen. Die Frauen, welche Österreicher heiraten, werden
automat. österreichische Staatsbürger, bei den Männern, die hier
Frauen heiraten, ist dies nicht der Fall. Das Innenministerium
hat 1965 durch einen Erlass ein Ermittlungsverfahren angeordnet
und dieses Ermittlungsverfahren ist furchtbar kompliziert und
hat den Nachteil, daß das Ministerium angeblich sich dann auf die
einzelnen Auskünfte, selbst der Staatspolizei stützt, die man
meistens sehr negativ sind, oder zumindestens Andeutungen enthalten
wie Spionageverdacht oder sonstiges gegeben sei. In der Diskussion
melde ich mich zu diesem Punkt und erkläre, daß Rösch genau das
Gegenteil von Slaviks Ausführungen in der Regierung immer macht,
d.h. nicht das Ministerium, sondern die Gemeinde Wien an den
zögernden Einreichungen schuld sei. Slavik verspricht, daß er
dieses Problem mit Rösch gemeinsam besprechen und lösen wird, wie
ich vorgeschlagen habe. Slavik meint allerdings, daß die im Gesetz
vorgesehenen zwei Gründe auf einen Grund, also z.B. nur wirtschaftl.
Grund reduziert werden sollte. Gleichzeitig sollte auch über Er-
suchen nicht 10 Jahre, sondern schon 4 Jahre Aufenthalt ohne Be-
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stätigung genügen.
Die Landeshauptleute haben die gewünschte Erhöhung der Beteiligung
am ORF auf 49 % dieses Angebot hat Kreisky ihnen gemacht, akzeptiert.
Bei dieser Gelegenheit haben sie erst erfahren, daß alle Länder
30 Minuten beim ORF Tagesrundschau haben, während Wien, NÖ. und
Bgld. zusammen auch nur 30 Minuten, d.h. auf jedes Land nur 10
Minuten entfallen. Dieser Zustand wurde einstimmig in der Landes-
hauptleutekonferenz beschlossen, ist unverzüglich zu beseitigen.
Die nächsten Wiener Konferenz am Donnerstag wird sich mit den Leit-
linien für Wien beschäftigen. Die Erfüllung des Wahlprogrammes ist
zur Hälfte bereits erfolgt und mit diesen Leitlinien soll bereits
die Vorschau für das Wahlprogramm 1974 bis 79 erfolgen. Die Wiener
Wahlen würden im März – April 1974 stattfinden, gegebenenfalls aber
auch im Herbst 1973, wenn die pol. Situation dies verlangt. Damit
Wien die Regierungserklärung, nämlich das Regierungsprogramm die
Wohnbau zu verdoppeln erfüllen kann, muß die Gemeinde Wien ent-
sprechende Gründung durch ein Bodenbeschaffungs- und Assanierungs-
gesetz erhalten. Der Rechnungshof prüft derzeit und ein Rechnungs-
hofbeamter ist der Meinung gewesen, daß Wien zuviele Gründe hat.
Er hat vergessen, daß tausende m² für Wald- und Wiesengürtel, Park-
landschaften, Sportanlagen und Straßen ebenfalls als Grundeigentum
der Gemeinde Wien aufscheinen, obwohl dort ein absolutes Bauverbot
herrscht. Der Rechnungshof denkt noch immer an eine Transaktion
bei den Grundstücksverkäufen und Käufen und hat deshalb gewünscht,
daß die Gemeinde ihm mitteilt, wo die ÖVP gegen Grundstücksver-
käufe gestimmt hat. Slavik sagte, es handelt sich dabei nur um 7
Projekte, die alle einwandfrei sind und wo die ÖVP nur politische
Gründe vorgegeben hat, daß sie dagegen gestimmt hat, z.B. war sie
gegen die entsprechende Grundtransaktion in dem na die SPÖ, die
Kinderfreunde und den Verein der Geschichte der Arbeiterbewegung
wieder in die Malwörthgasse zurückgebracht hat. Dieses Haus wurde
1934 der sozialistischen Partei geraubt und die Organisation mußte
im Finanzamt vom 8. Bezirk gegen jederzeitige Kündigung Unterkunft
akzeptieren. Slavik versichert, daß die Rechnungshofprüfung gar nichts
ergeben kann, weil eine Parteifinanzierung über Tankstellen, Grund-
käufe oder Superzinsen für Einlagen niemals gemacht wurde. Die Gemeinde
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Wien hat für die Parteifinanzierung durch Gemeinderatsbeschluß
S 10,–– pro Wähler beschlossen und dafür bekommt die SPÖ 5,5 Mio.
die ÖVP 3,5 Mio., die FPÖ 500.000,–– und die DFP sogar 470.000,––
Die Gemeinde hätte auch einen seinerzeitigen Plan mit Hilfe von
Annoncen der AZ 1 Mio. zukommen zu lassen, abgelehnt, da dies die
Gemeinde 10 Mio. gekostet hätte.
Probst ergänzt die Ausführungen, daß nun im Rechnungshof der
Antrag kam, über Fernheizwerkablöse zur Debatte stehen wird.
Slavik meinte, daß seinerzeit die Gemeinde Wien beantragt hat,
daß das Allgemeine Krankenhaus mit 400 Mio. S Heizkosten be-
lastet sein wird und deshalb um diese Investitionen dort zu
ersparen, im Zwetschkenkern der Bund eben 200 Mio. $, er muß
die Hälfte der Kosten des Allgemeinen Krankenhauses tragen,
zugeschossen hat. Damit hat man Investitionen im Allgemeinen
Krankenhaus erspart und die Kontrolle des Rechnungshofes kann
sich daher ruhig auf diesen Punkt erstrecken. Probst ergänzt
auch, daß am Parteitag auch ein kommunalpol. Antrag von Seiten
Wiens kommen wird und das seinerzeitige Programm zu überarbeiten.
Die Gemeinde wird sich mit dem Schulbuchproblem, mit dem Wohnungs-
problem der public relation und des Spitalproblems noch sehr
eingehend beschäftigen, wie der Wiener Vorstand und die Stadt-
räte bereits am Samstag und Sonntag gemacht haben.
Benya trifft den Nagel ins seinem Diskussionsbeitrag auf den
Kopf, in dem er erklärte, es wäre früher üblich gewesen, daß
in der Partei immer alle eng zusammengestanden sind, besonders
dann, wenn einer attackiert wurde. Ich habe in der letzten Zeit
leider nachgelassen, ob es sich um das Fernsehen, ob es sich um
Zeitungen handelt, oder auch nur um sonstige Informationen, immer
wieder kann man feststellen, daß eine einheitliches, starkes
und geschlossenes Auftreten leider nicht zu verzeichnen ist.
Man hat das Gefühl, daß sich einzelne doch ihre eigene Suppe
kochen wollen.
Da für das Preisschürfproblem
ist, ersuche ich Hintschig, der für Grundaufkäufe und Transaktionen
der zuständige Stadtrat ist, dieses Problem im Stadtsenat zu klären.
Die Gemeinde will nach Mitteilung vom Berghauptmann für Wien nicht
mehr um eine Erneuerung der Preisschürfe ansuchen, obwohl dies nach
dem Gesetz notwendig ist, da bei Nichtschürfen nach einigen Jahren
das Freischürfrecht entzogen wird.
Sekanina hat die Diskussion eingeleitet, in dem er darauf hinge-
wiesen hat, wie er und wir alle bei den Sektions- und Bezirkskon-
ferenzen das Unbehagen über die Gemeindeverwaltung feststellen
müssen. Jeder hat erwartet, jetzt kommt eine riesige Angriffswelle
gegen die Gemeindeverwaltung oder gar gegen Slavik angewiesen,
Sekanina auf das mangelnde Informationsmaterial. Den meisten Teil-
nehmern war ein sichtbares Aufatmen zu hören. Richtig ist, daß
die Public-Relations-Arbeit der Gemeinde sehr unfruchtbar ist.
Slavik unterscheidet die Tätigkeit außerhalb Wien für die Bundes-
hauptstadt ganz gut geworben wird. Im Ausland selbst, meinte er,
liegen wir mit den Leistungen und auch unserer Public-Relations-Arbeit
an der Spitze. Für Wien selbst gibt er allerdings zu, daß dies
sehr unbefriedigt ist. Robert Weisz, der neben mir sitzt, meinte,
daß es eben nichts genützt hat, daß man drei Kommunalredakteure
von den Zeitungen, die früher Wien kritisiert haben, in den Infor-
mationsdienst übernommen hat. Die Angriffe werden von den Zeitungen
fortgesetzt und die Kommunalredakteure bewähren sich gar nicht,
da sie überhaupt nichts mehr leisten können. Der einzige und gute
Mann sei der von der kommunistischen Presse Stimmer, der auch
das politische Gespür hat, und die Stadträte selbst bestätigen,
daß er imstande ist ein Problem wirklich so darzustellen, daß es
1. ankommt und 2. nicht danebengehauen wird. Wenn man bedenkt,
daß in dem Presse- und Informationsdienst jetzt schon drei Dutzend
Redakteure arbeiten, dann fragt man sich wirklich wozu. Hier be-
wahrheitet sich wieder, daß ein großer Apparat keinesfalls gute
Leistungen erbringen muß, sondern daß es zielführender ist, wirklich
nur einen Mann dafür zu engagieren, den man dann auch frei entwickeln
lassen muß. Würde sich die Gemeinde dazu entschließen,
Stimmer, wenn er wirklich der Mann ist, was ich nicht weiß, aber
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auch nicht bezweifeln will, als Public-Relations-Mann, so wie
Koppe bei uns im Ministerium arbeiten zu lassen, dann hätten
sie wahrscheinlich einen besseren Erfolg. So aber wird die
Arbeit drüben sicherlich bürokratisch erstickt und bringt
keinerlei positive Ergebnisse.
Mit Pauli Blau wird besprochen, die zukünftige Arbeit in der
Arbeiterkammer. Wanke hat mir vorgeschlagen, daß man Blau als
Institutsmann gewinnen soll, da Rauscher seine Funktion jetzt
endgültig zurückgelegt hat, wird es notwendig sein, einen Mann
wie Blau für diese Arbeit einzusetzen. Wanke selbst hat als
Sekretär nur sehr beschränkt zeitliche Möglichkeit. Blau müßte
sich dann kraft seiner Verbindung, aber infolge wesentlich mehr
Zeit mit dem Institut eingehend beschäftigen. Um das Institut
mehr unabhängig zu machen, gleichzeitig aber die Funktionäre des
Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer, insbesondere deren
beide Präsidenten nicht allzu sehr zu belasten, erscheint es Wanke
zielführend, daß wir eine Stiftung errichten, in diesem Falle
würde auch die an den Ministerien und vor allem die Nationalbank
und sonstige Stellen leichter Geld für entsprechende Projekte
des Institutes flüssig machen können. Hrdlitschka möchte, daß
Blau primär der Nachfolger Rauschers im Gesellschaftsmuseum wird.
Rauscher hat dort angeblich mit Jahresmitte bereits gekündigt.
Blau selbst findet aber, daß er für diese Arbeit kaum Interesse
und vor allem nicht die Voraussetzungen mitbringt. Rauscher hat
dort eine umfangreiche Sammlung von neuen statistischen Daten
und von Bildmaterial und von Modellen angehäuft. Sicherlich ist
dies nur ein Posten für einen Pensionisten der sich für diese
Probleme z.B. durch Detailkenntnisse usw. und durch Vortrags-
tätigkeit und ganz besonders durch weiteres Sammeln von Material
und Demonstrationsobjekten usw. auszeichnen müßte. Ich muß einge-
stehen, daß ich mich eigentlich für einen solchen Job einmal in
etlichen Jahren interessieren würde. Pauli Blau lehnt aber eine
solche Arbeit derzeit ganz entschieden ab. Da ich mit Hofstetter
seinerzeit auch besprochen , daß Blau als Rauscher-Nachfolger ins
ÖPZ und ins ERKW kommen sollte, gäbe dies mit der Arbeitsplatz-
technik in der AK kombiniert ein zusätzliches Betätigungsfeld für
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ihn. Blau ist auf alle Fälle hoch erfreut, daß sich Benya, der
ihn ja niemals im Stich gelassen hat, jetzt seiner annimmt, da
das Projekt Kreiskys, der ihm versprochen hat, er wird Botschafter,
in Wirklichkeit als gescheitert betrachtet werden muß. Der Presse-
referentenposten in Paris war von Blau, aber auch von Kreisky, wie er
meint, nur als vorübergehende Notlösung betrachtet werden. Eine
Berufung ins Institut würde Blau als sehr zielführend betrachten,
weil er damit ohne Prestigeverlust nach Österreich zurückkehren
könnte.
Der Innungsmeister Leiter von Tirol war von LH.-Stv. Salcher
geschickt worden. Leiter betreibt heute elastische Netze, die
aus Italien der Fa. EPB importiert. Trotz 38 % Zoll- und Ausgleichs-
steuer ist er noch wesentlich billiger, als eine österreichische
Firma. Er verkauft diese Netze um 3,50 pro Meter, während der Ver-
trieb Frey 5,95 verlangt. Ein Patent der Firma Haymerle soll im
Jahre 1960 erteilt worden sein, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits
die Italiener am österr. Markt verkauft haben. Ich habe nicht ge-
wußt, daß mein ein Patent in Österreich anmelden kann, auch wenn
man gar nicht produziert und dann den Verkauf dieser Ware in diesem
Land verbieten kann. Ich habe immer nur angenommen, daß man mit
einem Patent eine Erzeugung verbieten kann, wenn man nicht Lizenz
bezahlt, und sich mit den Produzenten einigen kann. Daß aber auch
ein Patentschutz gegen Import und gegen Verkauf von Waren existiert,
ist mir neu.
Anmerkung für WANKE
Du siehst, wie man Detailkenntnisse braucht. Bitte feststellen,
wie es sich hier wirklich verhält.
Auf alle Fälle hat Leiter dann nichts anderes wollen, als wie ich
mich einschalte, daß er auch gegen Bezahlung der Lizenzgebühr
den Vertrieb von der Firma Haymerle, einer österr. Firma, die
allerdings als Ball in Vaduz ihren Sitz hat, bekommen kann.
Ich erklärte sofort, daß ich dies wahrscheinlich kaum könnte.
doch würde ich mich um das Problem annehmen, wenn er mir als
Innungsmeister der Fleischer mitteilt, daß durch die Verteuerung
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von 3,50 auf 5,95 eine gewisse Belastung der Fleischhauer be-
steht. Die Kalkulationen bei den Fleischhauern sowieso sehr
knapp sind, würde ich auf diesem Wege versuchen, das Problem
aufzuholen.
Ministerkomiteesitzung über die Pressewünsche hat sehr verspätet
begonnen, da Kreisky mit den UNIDO-Projekt noch immer aufgehalten
ist. Er beabsichtigt ein Hearing mit dem österr. Zeitschriften-
vertrieb und insbesondere mit den Zeitungsherausgeberverband zu
veranlassen. Da Sassmann, der Vorstand der Zeitungsherausgeber
vom Styria-Verlag und ein ÖVPler, und Schaffelhofer, der Sekretär,
ein extrem aggressiver ÖVP-Mann ist, wird der gesamte Vorstand
zu diesem Hearings eingeladen. Bei dieser Gelegenheit möchte er
gleich, daß auch der Chefredakteur von Svenska Dagbladet und
aus der BRD ein Chefredakteur Vorträge über die Unterstützung
der Presse in ihren Ländern hat. Kreisky schwebt eine Teilung
der Subventionen an zwei Sektoren vor. Den parteipolitischen
Zeitungen muß man, da sie ja passiver waren, eine Direktsubvention
geben, die AZ würde 15 Mio. S brauchen. In Summe würde eine
Subvention von 30 Mio. erforderlich sein. Für die Boulevard-Zeitungen
aber wäre eine steuerliche Ermäßigung vollkommen genügen, da
die Länder die Hälfte dabei mitzahlen müßten. Derzeit befinden
sich die Zeitungen in einem ausgesprochenen Krieg mit dem ORF da
sie befürchten, daß Annoncen-Geschäft vom ORF vollkommen zerschlagen
wird. Auch hier wird es notwendig sein, eine zweckmäßige Lösung
zu finden.
Ministerrat berichtet Kreisky über die Aussprache betreffend des
UNIDO-Projektes. Er beabsichtigt im Ecksalon des Bundeskanzleramtes
alle Akte, Modelle und sonstige Unterlagen aufzulegen, damit jeder-
mann sich Einblick verschaffen kann. Die Aktiengesellschaftsorgane
werden Fragen beantworten und er hofft sogar, daß der Architekt
Schuster sich zur Verfügung stellt. Zu einer Aussprache wird der
nicht die Bundeskammer der Zivilingenieure einladen, da der Präsident
Müller-Hartburg mit dem Projekt Pelli als persönliche interessiert
von ihm abgelehnt wird, sondern er wird die stellvertretenden Vor-
sitzenden zu einer Aussprache bitten. Dadurch werden die informiert
werden, wie weit der Präsident mit Privatinteressen diese Frage be-
handelt hat. Zweifelsohne ist dies ein ganz harter Schlag gegen
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Müller-Hartburg und ich bin neugierig, ob die anderen sich mit
ihm solidarisch erklären oder ob sie auf die Art, die Kreisky
die Diskussion führen will, eingehen. Kreisky meinte, daß man
in Personalfragen nur entsprechende Härte zeigen muß und ver-
weist auf die Bestellung von Zernetz für die Alpine, wo der
ÖAAB-Mann Pichler nicht zum Zuge gekommen ist. In der CA wird
Kreisky versuchen die Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten der SPÖ
auf 9, 7, 1, d.h. daß die SPÖ die absolute Mehrheit hat, zu
ändern. Bock wird als Aufsichtsratsvorsitzender bleiben und
auch Treichl als Generaldirektor, doch wird er nicht mehr
gegen die SPÖ dann entscheiden können. Das Anbot Schleinzers
gegebenenfalls auf das Dirimierungsrecht von Bock zu verzichten,
kann nicht als befriedigt akzeptiert werden. Auch bei der ÖIAG
werden die Aufsichtsräte von 15 auf 17 erhöht, um der FPÖ auf
eigene Kosten ein Mandat zu sichern. Auch dann wird in 9, 7, 1
herauskommen und nicht der FPÖler auf SPÖ Kosten in Frage kommen.
Als weiteres Drohungsmittel hätte noch immer die SPÖ die
Möglichkeit, daß die Betriebsräte im Aufsichtsrat nicht ange-
rechnet werden, allerdings ergibt sich dann die Frage, ob die
ÖIAG oder die einzelnen Gesellschaften Betriebsräte in den Auf-
sichtsrat schicken können.
Kreisky berichtet auch über die Reise, die Hauptstädte. In Frank-
reich hätte er festgestellt, daß das Patronat noch immer sehr
großen Einfluß hat. Die Meinung Kienzls, daß der Kapitalismus
in diesen Ländern liquidiert sei, sei vollkommen falsch, sowohl
in GB als auch in Belgien, aber ganz besonders in Frankreich
gibt es den Kapitalismus noch im reinsten Gepräge. Sein großes
politisches Argument, und ich glaube, da liegt er wirklich richtig,
war, daß er erklärt hat, wenn keine wirtschaftlichen Zugeständnisse
von Seiten der EWG zu erwarten sind, die UdSSR dann Recht bekommen
würde mit ihrer Argumentation, es handelt sich also doch um einen
politischen Anschluß, nachdem wirtschaftlich für Österreich dabei
nicht viel herausschaut. Hauptschwierigkeiten wird das Papier
ergeben, weil in Frankreich die Papierindustrie den großen Verlagen
gehört und diese wieder die großen Zeitungen herausgeben, die die
Meinungen bilden. Da alle auf einen größeren Beschluß Wert
legen, müßte doch auch in der Landwirtschaft Zugeständnisse gemacht
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werden, weil man es sonst der ÖVP unmöglich macht, zuzustimmen.
Für Edelstahl und den anderen sensiblen Produkten, glaubt er, müßte
man eine bessere Lösung vorschlagen. Ursprungsregelung wurde von
ihm überhaupt nicht besprochen. Die Einführung der Mehrwertsteuer
mit 1.1.1973 wird allgemein sehr positiv bewertet. Kreisky
hat bezüglich der sensiblen Produkte mit Marquet und Reiterer
bei einem Zwischenaufenthalt in Frankfurt einige Besprechungen
geführt. Kreisky dürfte die Idee gehabt haben, daß man nicht 3
Jahre oder 5 Jahre aussetzt, sondern gleich auch bei den sensiblen
Produkten mit einem Zollabbau beginnt und dann nach 6 Jahren und
bei Papier nach 10 Jahren fertig ist. Reiterer wollte mir bei seiner
Berichterstattung weismachen, daß er über dieses Problem nachge-
dacht hat und folgenden Plan sich zurecht gelegt hat. Er meinte,
er rede nicht sehr viel über diese Probleme, aber er könnte sich
folgendes vorstellen. Bei den sensiblen Produkten werden 3x 10 %,
2x 15 % und 2x 20 % die Zölle gesenkt. Bei Papier sollten 4x 4 &
1x 10 %, 2x 15 % und 2x 20 % die Zölle gesenkt werden. Da die EG
auch einen Plafond vorsieht, eine Art Zollkontingent, könnte auch
dieses mit denselben Sätzen wie die Zollsenkung erfolgt, auch auf-
gestockt werden. Einen unmittelbaren Zusammenhang kann ich aus
diesen beiden Maßnahmen überhaupt nicht ablesen. Das Zollsenkungs-
ausmaß hat mit einer Plafond- oder Kontingentaufstockung überhaupt
keinen Zusammenhang. Natürlich kann man dieselben Ziffern auch
anwenden, aber eine logische Begründung gibt es dafür überhaupt
nicht. Ich glaube auch, es gibt keine wie immer geartete logische
Begründung für seinen Staffelungskalender. Da er dies aber gegenüber
der österr. Industrie vertreten soll und muß ist es mir eigentlich
ganz egal, welchen der Kalender er ihr vorschlägt. Ich werde mich
hüten, immer hier zu deabuieren oder einen anderen Vorschlag zu
machen. Wenn er sich einbildet damit die große Lösung gefunden
zu haben, dann soll er glücklich werden, er wirds ja erst in Brüssel,
zuallererst bei uns in Österreich, gegenüber der Industrie durchsetzen
müssen.
Bei der Ministerratsbesprechung schnitt ich auch das Problem der
Erstattung an. Ohne mich für eine Lösung auszusprechen erkläre ich
die Gegensätze zwischen den Interessensvertretungen und daß die
Landwirtschaft bis 8. März eine diesbezügliche Entscheidung wünscht.
Androsch berichtete von der Vorsprache Mussils mit einem ganzen
Stab von Experten, die sich mit seinen Beamten noch stundenlang
unterhalte haben, um überhaupt das Problem einmal abzugrenzen.
Mussil hätte keinerlei wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern nur
dann ihm gegenüber das politische Argument, daß man damit die
Bauernschaft für die Zustimmung gewinnen müsse, angeführt. Androsch,
aber auch Kreisky sind nach wie vor dagegen, daß wir eine solche
Erstattung machen sollten. Ich bin nicht überzeugt, daß sie dies
bis zur letzten Phase werden durchstehen. Da aber zwischen den
Interessensvertretungen in diesem Punkt sowieso keine Einigung
erzielt sein wird, werde ich mich jetzt nicht exponieren, sondern
abwarten, wie sich die ganze Sache weiterentwickelt. Vielleicht
ist es ganz gut, wenn wir dann letzten Endes dann doch die Erstattung
in irgend einer Form machen, daß die Bauern dann sagen sie haben
einen großen Erfolg erzielt, weil Androsch jetzt noch immer entsprechend
Widerstand leistet.
Allgemein wird angenommen, daß der EWG -Vertrag im Herbst im
Parlament wird zur Debatte stehen und daß es dort dann tagelange
Diskussionen geben wird. Man erwartet, daß eigentlich nur das
Budget ein paar Nebengesetze und der EWG-Vertrag im Herbst über
die Bühne gehen wurden.
Fischer bringt das alte Problem vom Klubobmann Gratz zur Debatte,
daß das Parlament mit Berichten der Regierung überhäuft wird. Da-
durch kann die Opposition immer wieder riesige Debatten abführen,
ohne daß Zeit für Gesetzesbeschlüsse bleibt. Derzeit ist das Verhältnis
schon 50 % berichtet, 50 % gesetzt, insbesondere Häuser meint, daß
dann viele Gesetzentwürfe, die er jetzt dringend benötigt und dem
Parlament zuleiten wird. nicht mehr zur Verhandlung kommen könnten.
Veselsky urgiert, daß zwischen dem Bautenminister und dem Finanzminister
über die Wohnbauten in Aichfeld Murboden noch immer keine Einigung
erzielt wurde. Androsch ist bereit, die 18 Mio. Zuschuß zu geben, möchte
allerdings, daß dies über die Gesellschaft abgewickelt wird. Veselsky
meint, bei der Gründung der Gesellschaft müßte das Handelsministerium
aktiver werden. Anschließend an die Sitzung erkläre ich Androsch, daß
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dann sofort die Aufgabe übernehme, wenn ich von ihm die klare
Zusage erhalte, daß er diese Gesellschaft nicht selbst gründen,
und vor allem gründen muß er sie ja, aber führen wird. Androsch
meinte, dies wäre doch Aufgabe der Organe, worauf sich aber fest-
halte, daß es darauf ankommt, wer diese Gesellschaft zu betreuen
hat. wenn der Finanzminister dies allein machen will, dann müßte er
dies jetzt klar und deutlich sagen. Ich selbst bin bereit, wenn
das Finanzministerium die Gründung der Gesellschaft durchgeführt
hat und uns mehr oder minder die Betreuung überträgt, daß wir
dann alle die notwendigen Schritte, wie es z.B. auch die WIPAG
in Wien macht, zu betreuen und zu lenken. Für mich ist da gar kein
Zweifel, daß es darauf ankommt, wer den Geschäftsführer bestellt,
weil dann der Geschäftsführer natürlich weiß, wo er sich hinzu-
wenden hat. Androsch wird sich das Problem noch einmal gründlich
überlegen.
Bei der Eröffnung der ÖAMTC-Ausstellung "Rendezvous Europa 1972"
welches in Wirklichkeit nur eine Propaganda für das Reisebüro
des ÖAMTC ist, hat auch KR. Fröhlich für den Bund der Gastlichkeit
dem Schauspieler Böhm einen goldenen Teller überreicht. Der neue
Führer hat schon wesentlich mehr Gaststätten aufgenommen und Fröhlich
versprach, daß spätestens nächsten Jahres alle Gaststätten, die
einigermaßen eine Küche haben, die man Fremden zumuten kann, aufge-
führt werden. Da die Überprüfung dieser Küchen durch den ÖAMTC
angeblich erfolgt, mache ich Fröhlich neuerdings den Vorschlag, ob
es nicht zielführender wäre, ein Kuratorium bei uns im Ministerium
zu schaffen, welches eine objektivere Überprüfung gewährleistet.
Insbesondere würden dann vielleicht vereinzelte Vorwürfe, die heute
gegen die Kombination ÖAMTC und Bund der Gastlichkeit vorge-
bracht werden, wegfallen. Fröhlich wird sich dies überlegen. Umso mehr
als er meinen Vorwurf, daß manche Betriebe das Gefühl haben, daß
sie dort ganz umsonst, nicht aber hinsichtlich der Bezahlung
Mitglieder sind, entkräften kann.
Beim Empfang für Biro vom Präsidium der ungar. Handelskammer
durch das Donaueuropäische Institut entspinnt sich selbst unter
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Anwesenheit des Ausländers eine interessante Diskussion. Rueger,
Gen.Dir von Semperit, und Abg. Fiedler sowie insbesondere dann
Präs. Mayer-Gunthof drängen darauf, daß für die Exportindustrie
eine entsprechende Revalent für den Entfall der Exportsubvention
zur Einführung der Mehrwertsteuer gefunden werden müßte. Ich
weise darauf hin, daß ich bestrebt gewesen bin alle Probleme
außerhalb des politischen Tagesstreites zu lösen, daß aber leider
die ÖVP scheinbar jetzt alles daran setzt, um gegen die Mehr-
wertsteuerregelung vorzugehen. Bock gibt mir Recht, daß es inter-
national äußerst schwierig ist, unser jetziges Steuersystem zu
verteidigen. Er meinte, er hätte immer wieder lügen müssen und
er weiß nicht, wie es mir jetzt in dieser Frage ergeht. Ich
muß sagen, diese objektive Bemerkung von Bock dat mit
angenehm berührt. Ich glaube noch immer, daß wenn man die ÖVP,
d.h. die Handelskammer stärker unter Druck setzt, daß sie dann
eine wesentlich andere Stellungnahme zu der Mehrwertsteuer ein-
nehmen müßten und würden, wenn sie erfahren, daß wenn es zu keiner
Mehrwertsteuer käme, die Überkompensation verschwinden lassen muß.
In diesem Falle würden sie nämlich ebenfalls ihre Exportsubvention
verlieren.
Tagesprogramm, 28.2.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)