Donnerstag, 12. Feber 1976
Mit Tumpel, ÖGB besprach ich die Glaskonzentration. Ockermüller
hat vor längerer Zeit die ersten Schritte eingeleitet. Ich rief
ihn deshalb sofort wieder an und ersuchte ihn, die Gespräche
fortzusetzen. Tumpel wird mit der Chemie-Gewerkschaft die notwen-
digen Besprechungen führen. Nachdem es geglückt ist, Textil-Ost
jetzt über die Runden zu bringen, müssen wir sofort die nächste
Branchengruppe in Angriff nehmen, dazu ist die Konjunkturlage
ideal und wahrscheinlich auch die Öffentlichkeit und vor allem
die Unternehmungsleitungen heute mehr denn je bereit, entsprechende
Opfer zu bringen.
Anmerkung für PLESCH und WANKE: Bitte entsprechende Schritte auch
einleiten.
Sekretär Prokop, der jetzt die Bildungsarbeit im Gewerkschafts-
bund macht, ersuchte mich, die Referenten für Betriebsräte, die
über die Aufsichtsräte informiert werden sollen. Dadurch, daß
jetzt durch die Mitbestimmung ein Drittel der Aufsichtsräte von
Betriebsräten gestellt werden, ergibt sich eine große Schulungs-
notwendigkeit. Prokop denkt auch daran, ähnlich wie z.B. Grünwald
von der ÖIAG, andere Vorstandsdirektoren zur solchen Schulungs-
kursen heranzuziehen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß man
sogenannte Grundschulungen macht, wo vorerst Referenten aus
Ministerien oder Kammern eingesetzt werden, dann müßte man Aufbau-
kurse machen und dort könnte man Top-Manager à la Grünwald ent-
sprechend einsetzen.
Anmerkung für TIEBER und WANKE: Bitte entsprechende Vorschläge
machen.
Obmann Deutsch berichtete mir, sowie Sekr. Gludowatz schon vorher
über die Gruppen-Ausschußsitzung der Bäcker. Dort BO Serini sich
zwar beschwert, daß die Gewerkschaft einen Brief an die Beleg-
schaftsmitglieder wegen des Angriffes auf Blümel und Gludowatz
und der Abführung der Gewerkschaftsbeiträge geschrieben hat, dann
aber doch zugegeben, daß es Notwendigkeit ist, die finanzielle
Angelegenheit zu bereinigen. Er erklärte, er wird nach der Betriebs-
versammlung im März diese Bereinigung durchführen. Ich habe Kammer-
amtsdirektor Scheer von der Arbeiterkammer ersucht um ein Gutachten
über Rechtsfolgen der nicht zeitgerechten Abführung von Mitgliedsbei-
trägen. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, diese ganze Angelegen-
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heit friedlich und unvernehmlich zu regeln. Es ist in meiner
langjährigen, ja ich kann jetzt schon sagen, jahrzehntelangen
Obmännerschaft in der Lebensmittelarbeiter-Gewerkschaft, das
erste Mal, daß ein solcher Konflikt entstanden ist.
Im Bundesvorstand berichtete Benya über die wirtschafts- u. sozial-
politische Situation. Insbesondere verwies er darauf, daß die
Marktordnungsgesetze und das Preisgesetz jetzt beschleunigt ins
Parlament kommen müssen, damit die notwendigen Beschlüsse dort
gefaßt werden können. Er beschwerte sich auch über die Exporte
von Rindvieh, das jetzt zu einer Erhöhung der Fleischpreise und
Wurstpreise führt. Die Wiener Arbeiterkammer hat zugestimmt, daß
die Rindfleischpreise um 6 % und die Wurst um 4 % erhöht werden.
Besonders unterstrich er die Notwendigkeit die Konkursordnung
und andere Gesellschaftsgesetze zu ändern. Von der Christlichen
Fraktion meldete sich als erster sofort Gassner. Er meinte, man
hätte viel mehr die Belastungen der Konsumenten herausstreichen
sollen. Seiner Berechnung nach, sind bei 6.000 bis 7.000 Schilling
Nettoeinkommen die Belastungen für das Auto 1.200 cbcm also ein
Mittelwagen 4.000 Schilling pro Jahr, die den Pendler, der zur
Arbeit muß, besonders stark trifft.
Anmerkung für TIEBER: Bitte dies einmal nachrechnen lassen.
Bezüglich der Investitionen meinte Gassner, diese seien im noch
stärkeren Maße notwendig und man wollte dafür sogar ein höheres
Budgetdefizit in Kauf nehmen. Die Betriebskonzentration sieht
er unter einem außenpolitischen Gesichtspunkt, daß für Exporte
es zweckmäßig ist, große Konzernbetriebe zu haben, innerösterreichisch
befürchtet er aber, marktbeherrschende Unternehmungen. Man sollte
deshalb analysieren und alle plus-und minus einer solchen Betriebs-
konzentration zusammenstellen. Für die neue Markterschließung im
Export sollten auch die Kontakte der Arbeitnehmer, er stellt sich
scheinbar hier vor über die Internationalen, entsprechende Unter-
stützung gewähren. Dies ist eine reine Utopie. Ich kann immer
wieder feststellen, daß selbst die Fach-Internationalen, wie
die Inter. Union der Lebensmittelarbeiter, nicht imstande ist,
auch nur die einfachsten Probleme zu lösen, ja selbst nur ganz
schwache Informationen zu geben. Die Arbeitnehmerorganisationen
im internationalen Maßstab leben nur davon, was sie von den
nationalen Verbänden bekommen. Die nationalen Verbände werden aber
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kein Interesse zeigen, andere Unternehmungen in ihr Versorgungs-
gebiet oder auf Drittmärkten hinzulassen, als wieder ihre nationalen
Unternehmungen. Gassner trat dann für die 5 Wochen Urlaub ein und
begründete dies als eine Treueprämie. Über diesen Punkt ent-
wickelte sich dann eine interessante Diskussion. Kindl, von der
FPÖ meinte, daß diese Urlaubsphilosophie noch aus der feudalistischen
Untertanenzeits-Dazugehörigkeit stammt, er ist eigentlich dagegen
und interessanterweise waren es auch viele sozialistische Gewerk-
schafter, die sich, so wie Benya dann im Schlußwort gegen eine solche
Urlaubsphilosophie aussprachen. Ich selbst habe auch größte Bedenken,
den Urlaub nach der Zugehörigkeit zu staffeln, dies führt in Re-
zessionen nur dazu, daß die Arbeitnehmer dann, bevor sie einen
solchen höheren Urlaub erreichen, gekündigt werden. Der Unternehmer
ist dann vielleicht noch bereit sie neuerdings aufzunehmen, meistens
aber ist er froh, wenn er die alten los wird, die ihm mehr Kosten
verursachen. Der Urlaub sollte ausschließlich nach Notwendigkeiten
der ärztlichen Seite und ich weiß nicht was sonst noch gegeben
werden. Auf alle Fälle aber einheitlich, je geringer die Differenz
ist, früher bestanden ja Differenzen von 8 oder 14 Tage bis 5 Wochen,
umso gerechter um so besser. Ein weiteres Problem ergibt sich, daß
Arbeiter und Angestellte die das Glück haben immer bei einer Firma
beschäftigt gewesen zu sein, sehr bald in höhere Urlaubszeiten
kommen, während Arbeiter, die ihren Arbeitsplatz wechseln müssen,
immer wieder vorne anfangen müssen. Wenn daher jetzt 4 Wochen
Mindesturlaub kommt und nicht mehr als 5 Wochen gegeben werden,
dann gibt es nicht mehr diese große Differenz und nicht mehr
diese großen Ungerechtigkeiten, daß Arbeiter die mobil sind und
wechseln, weil vielleicht sogar von schlechten Firmen weggehen
die früher oder später zusperren, nicht auch bei Urlaub zu stark
benachteiligt werden.
Natürlich haben der kommunistische Vertreter Hofer und auch der von der
Gewerkschaftlichen Einheit Zickler die Preisentwicklung heraus-
gegriffen und ganz besonders mich wegen der Ölpreise und der Auto-
preise, Zickler verwies zuerst auf die Zollsenkung dann auf die
sofort jetzt durchgeführten Preiserhöhungen, die die wieder mehr
als kompensieren, schon allein aus diesem Grund mußte ich mich
melden und habe die Preispolitik des Handelsministers dargestellt.
Natürlich gab ich zu, daß die Unternehmer höhere Preise durch
Kalkulation, allerdings belegt erwarten und dann froh sind, daß
sie einen Teil dessen bekommen. Sie rechnen also bei dem Einreichen
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ebenfalls wie die Gewerkschafter, wenn sie ihre Lohnforderungen
stellen mit einem gewissen Spatium, das sie nachlassen müssen.
Zickler hat diesen Vergleich richtig gebracht und sogar als Beispiel
gesagt, bei Kündigungen der Arbeitgeber auch zuerst vom Betriebs-
rat mindestens doppelt so viel, als dann tatsächlich gekündigt
werden. Er meinte diese spanische Hofzeremoniell ist ja allgemein
bekannt. Zickler hat vollkommen recht, nur vergisst er eines,
dass wenn wir heute den Unternehmern dieses Spatium nicht herunter-
handeln, er dann natürlich die vollen Preissteigerungen verrechnen
würde. Benya hat in seinem Schlusswort dann ganz besonders auf alle
die Anfragen geantwortet und die an und für sich sehr friedliche
Diskussion noch friedlicher geschlossen. Ausser dem Kommunisten Hofer
haben alle für die Resolution gestimmt. Mir persönlich war beim
Schlusswort nur sehr unangenehm, als er auf die Kompetenzen des
Handelsministers eingehend meinte, ich sein nur ein Stein-und
Offsetdrucker und müsse mich jetzt in die verschiedensten Sparten
und Gebiete einarbeiten und mache dies, sehr zur Zufriedenheit
der Gewerkschafter. Ich war selbst überrascht, wie peinlich mir
dieses zum ersten Mal so öffentlich ausgesprochene war. Benya
ist glaube ich über das wenig kooperationsbereite Vorgehen von
Weihs, sei es in der Frage der Marktordnung, sei es in der Frage
des Exportes und Versorgung der Bevölkerung sehr verärgert.
Weihs hat früher mit ihm entsprechenden Kontakt gehalten, in der
letzten Zeit dürfte dies aber nicht der Fall gewesen sein. Ich
werde Ossi bei der nächsten Ministerratssitzung diesbezüglich
einen Wink geben.
Die sozialistischen Gärtnervertreter, Arbeitsbauern und auch
Freie Wirtschaftsverbändler haben mir ebenfalls zum Valentinstag
gratuliert und ich hatte auch mit ihnen Gelegenheit ihre Situation zu
besprechen. Auch sie sind der Meinung es sollte nicht schlechter
werden, interessant war nur, dass sie sehr erfreut waren Plesch
jetzt in meinem Büro zu finden. Sie haben insbesondere mit ihn
in der Vergangenheit sehr guten Kontakt gehabt. Sie hoffen und ich
bin überzeugt, dass dies auch in Hinkunft der Fall sein wird, wodurch
den Gärtnern ein zweites Ministerium, wie ich mich ausdrückte er-
schlossen wurde.
Die Miss Bonbon, die immer mit dem Präsidenten und seinen
Stellvertreter, einen ÖVP-ler, der mich in seiner Zeitung
öfters angreift, schilderte mir die wirtschaftliche Situation
der Kleinstbetriebe. Er selbst und sein Stellvertreter haben
zugegeben, dass die Geschäftslage verhältnismässig gut ist. Sehr
zu schaffen macht ihnen die Konkurrenz der Diskonter und sonstigen
Schleuderer. Sie erwarten im Laufe dieser Legislaturperiode eine
entsprechende gesetzliche Regelung. Sehr erfreut waren sie, von mir
zu hören, dass was immer geschieht, sie als Spezialgeschäft
bleiben. Ohne dass ich ihnen den Namen Lachs sagte, denn der wäre
für sie sicherlich ein rotes Tuch gewesen, führte ich aus, dass
jetzt entsprechende gesetzliche Vorschläge ausgearbeitet werden.
Dabei hat man allerdings auf die Süsswarengeschäfte als Spezial-
geschäfte vergessen. Es war daher von mir ein bisschen demagogisch
jetzt schon zu sagen, welche Gefahr ihnen gedroht hätte, doch beide
erklärten sofort übereinstimmend, die Sortimentfrage, d.h. die
Pflicht andere Produkte zu führen, wäre für sie verheerend. Was die
Süsswarengeschäfte aber wollten und ihnen verweigert blieb, war
Espressomaschinen aufstellen zu dürfen. Hier meinten die
beiden, hätte eben die Gast- und Schankgewerbeorganisation gewonnen.
Jagoda hat wie er sich ausdrückt eine einzige Möglichkeit für
den Umweltschutz etwas zu tun, indem man die Ölverheizungs-
schwefelgrenzen entsprechend fixiert. Es sollten eben in Zukunft
die Immissionsschäden durch eine Emissionsregelung vermieden oder
auf ein Minimum reduziert werden. Sein Vorschlag geht dahin, kurz und
bündig eine Anordnung zu erlassen, die statuiert, dass Heizöl schwer
nur 2 % und Heizöl Extra Leicht nur 0.3 % Schwefel beinhalten dürfen.
Für diese Verordnung wären das Handelsministerium zuständig. Ich
glaube aber, dass in Wirklichkeit auch diese Verordnung durch das
Gesundheitsministerium erlassen gehört. Wenn wir nämlich eine solche
Verordnung ausschicken wird man mit Recht oder Unrecht behaupten, ich
hätte Leodolter eine Kompetenz und eine Möglichkeit genommen, sich
zu profilieren. Da ich nicht ganz sicher bin, ob die ÖMV überhaupt
eine solche Verordnung finanziell und marktpolitisch ertragen
kann, ersuchte ich zuerst von einer Aussendung oder Verhandlung
Abstand zu nehmen und Tieber wird mit der ÖMV entsprechende
Gespräche führen. Ich selbst möchte noch gar nicht in Erscheinung
treten.
Die Solidaritätsveranstaltung 12.2. im Konzerthaus, hat mich
in den ersten Teil besonders stark beeindruckt. Topsy Küppers
hat 1/2 Stundenprogramm vorgetragen, das mich wirklich innerlich
ergriff. Weniger glücklich war, dass sie einen neuen Song
"Der Segen" zum Schluss zum Vortrag brachte. Einleitend erklärte sie,
dieses Lied hätte sie Bruno Kreisky gewidmet und dafür entsprechenden
Applaus des Publikums, die natürlich alle Kreisky-Verehrer
waren. Als sie das Lied aber vortrug, war es nichts anderes, als
ein Song der Menschen, besonders den alternden alles Gute
wünscht. Meine Frau war mit meinem Sohn, wie sie mir dann Abends
erklärte auch bei der Veranstaltung und sass in einer Gruppe von
jungen Leuten, Diese haben ständig und das mit Recht, über diesen
Song und vor allem über die Widmung an Kreisky gelacht. Küppers
erkannte aber sofort diese Situation und hat als Draufgabe dann
noch einen revolutionären Song "Viele sind stark" zum Vortrag
gebracht, womit sie wieder das Publikum begeisterte. Von den
Ansprachen hat mir am besten, weil er sich am meisten vorbereitet
hat, Gratz gefallen. Seine Formulierungen waren wirklich sehr
gut. Bei González hatte ich den Eindruck einen halb illegalen
Revolutionär vor mir zu haben, der auch in seiner Kleidung dies
zum Ausdruck brachte. Soares dagegen hat sich wesentlich revolutio-
närer gegeben, er grüsste immer mit links erhobener Faust und
dankte auch mit links erhobener Faust und machte doch nicht auf
mich diesen revolutionären Eindruck. und Eindrücke können
natürlich sehr täuschen. Ich kenne weder das spanische Volk noch
das portugiesische genug, geschweige denn die sozialistischen Parteien
dort. Der spanische Bürgerkrieg war aber nur wesentlich härter als
die portugiesische Revolution. Ich fürchte auch, dass es in Spanien
auch in Zukunft wesentlich härter zugehen wird. Am 12.2. dieser
revolutionären Bewegungen zu gedenken in Verbindung mit unserem
Februaraufstand, war wahrlich eine gute Lösung. Kreisky verwies
mit Recht darauf, wenn es gelingt jetzt die spanische Diktatur
zu beseitigen, dann ist Europa von allen Diktaturen befreit mit
Ausnahme des Ostens. Kreisky teilte auch in seiner Art mit, dass
er heute früh einen Bericht des österreichischen Botschafters
in Spanien bekommen hat, wo dieser mitteilt, einer von González
vorgesehener Vortrag hat auf der Universität 10.000-e von Zuhörern
gebracht. Dies wundert mich nicht, denn ich bin überzeugt davon, dass
gerade in auflösenden Diktaturen die Bevölkerung bereit ist jede
Demonstration, die keine Gefahr darstellt für den Einzelnen, wohl
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aber für den Veranstalter von Nutzen, um zu demonstrieren
hätte das austrofaschistische System z.B. 1937/38 zugelassen,
dass ein prominenter sozialdemokratischer Führer oder vielleicht
gar ein revolutionärer Sozialist, der allerdings auch schon in
der Republik bekannt gewesen ist, in Wien eine Ansprache irgendwo
halten können, dann hätten wir sicherlich auch das Stadion
gefüllt. Jetzt hat die Sozialistische Partei, ich will nicht sagen
Schwierigkeiten, aber füllt gerade noch das Konzerthaus.
Revolutionäre Stimmung, revolutionäres Denken, revolutionäre
Handlungen setzt man eben dann, wenn es einem schlecht geht. Dies
muss sich nicht auf den physischen Zustand beziehen. Vielleicht
sogar stärker auf den psychischen. Wenn aber alles läuft, wenn
die Regierung scheinbar im Interesse der Partei handelt. Wenn es
den Leuten gut geht, dann sind sie nur sehr beschränkt bereit auch
nur eine Solidarität zu dokumentieren. Es ist ja viel bequemer
seinen sonstigen Beschäftigungen nachzugehen. Auch ich über-
rasche mich dabei, dass ich ähnlich denke.
Tagesprogramm, 12.2.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)