Freitag, 13. Feber 1976
Eine französische Journalistin, die sehr gut Deutsch konnte, hat
ihre Wirtschaftszeitung auf 3 Tage nach Österreich geschickt. Sie
war sehr unglücklich darüber, dass sie so wenig über Österreich
wusste. In Wirklichkeit aber war sie zu meiner Überraschung sehr
gut informiert. Das Interesse galt dem Problem der Verstaatlichung,
der Mitbestimmung, Neutralität, der Sozialpartnerschaft und natür-
lich dann auch der wirtschaftlichen Prognose. Mit Recht stellte
sie fest, dass man in Frankreich so wenig über Österreich wusste.
Sie selbst auch hatte nur die Klischeevorstellung von Heurigen,
Sängerknaben, Staatsoper usw. Zum Schluss fragte sie mich, ob
2 Bücher, die sie jetzt über Österreich liest, typisch sind.
Zu meiner Schande musste ich gestehen, ich habe gar nicht mitbe-
kommen, um welche Bücher es sich handelt. Noch niemals hatte ich
ein Interview mit jemand gegeben, der so detailinformiert war und
so unglücklich, dass er so wenig angeblich wusste, ausgenommen
Journalisten aus Osten. Vielleicht aber war der starke Eindruck
dieser Journalistin dadurch bedingt, dass wir keinen Dolmetscher
brauchten, was meistens bei japanischen oder sonstigen fernöst-
lichen Ländern, sowie bei COMECON-Staaten der Fall ist.
Bei der Überreichung der Staatswappen an Hämmerle und Thurnhofer
Fa. Lasnausky war vollkommen formlos, da beide nur allein erschienen.
Dadurch hatte ich Gelegenheit mich über die Wirtschaftssituation
der beiden Betriebe eingehend zu unterhalten. Dr. Lenz von
Hämmerle teilte mir mit, dass die Vorarlberger Baumwollindustrie
ohne entsprechende Unterstützung sich modernisiert, ja sogar
teilweise spezialisiert hat. Hämmerle auf Hemden und Freizeit,
Getzner auf Damast und Ganahl auf Samt. Die Abgrenzung ist aber
nicht vollkommen durchgezogen, denn z.B. Getzner hat auch noch
Hemden, Hämmerle auch noch Bettwäsche. Die Hemden werden heute
in Österreich zu 50 % nur mehr im Inland erzeugt. In Deutschland
werden sogar schon 2/3 importiert. Nur durch das gute Dessin und
durch die modische zeitlich vor den Fernen Osten am Markt sein,
gibt ihnen überhaupt eine Produktionschance. In der Freizeitware
können sie nur existieren wo keine Standardware erzeugt wird,
sonst schlägt der Ferne Osten sie aus dem Markt. In der Ausrichtung
können sie nur deshalb reüssieren, weil sie in der Qualität und im
Timing besser sind. Trotzdem haben sie in den letzten 2 Jahren Ver-
luste erlitten. 73/74 sie haben ein gebrochenes Wirtschaftsjahr
29-0192
betrug ihr Umsatz 1 Milliarde und cash-flat 92 Millionen.
74/75 ging der Umsatz auf 900 Millionen zurück, und der cash-flat
nurmehr 263 Millionen, noch 50 Millionen AFA, das Defizit betrug
aber schon 38 Millionen Schillinge. 75/76 wird es nicht viel
besser sein und das Defizit wird 30 - 40 Millionen Schillinge be-
tragen. Für einen so riesigen Betrieb mit fast 4000 Beschäftigten
ein trauriges Ergebnis.
Thurnhofer war überhaupt über die wirtschaftliche, Entwicklung auf
dem chemischen Sektor sehr besorgt. Er ist ein Zulieferbetrieb
für grosse chemische, aber auch Stahl- und sonstige Schwerindustrie-
betriebe einen Export in den Nahen Osten usw. und eine sehr triste
Wirtschaftssituation. Er sieht nicht einmal noch die Mengenkonjunktur
Im Vergleich zu den Absatzschwierigkeiten kommt es noch immer zu
30 - 40 %-igen Preissteigerungen am Chemiesektor. Weltweit wird wenig
investiert. Hoechst z.B. sagt er hätte 2.6 Milliarden DM in Plan
gehabt und nur 1.4 Milliarden tatsächlich investiert.
ANMERKUNG für PLESCH und WANKE: Unsere Brancheninformationen sind
hier scheinbar vollkommen unzulänglich.
Der kubanische Botschafter und sein Handelsrat Becerra teilt mir
mit, dass der Industrieminister den die Handelskammer dringendst auf
Besuch nach Österreich wünscht, jetzt noch nicht kommen kann,
Gleichzeitig lud mich der Botschafter zu einem Empfang am 19.2.
ins Palffy ein, um 15 Jahre Handelsministerium Kuba zu feiern.
Der Empfang wird vom Handelsrat gegeben und nicht vom Botschafter.
Ansonsten bin ich nicht bereit zu Empfängen zu gehen. Als ich
aber erfuhr, dass von der Firma Bauer ein Vertreter dort inhaftiert
ist, glaube ich soll ich die Gelegenheit benützen, um dort neuer-
dings zu intervenieren. Der Botschafter hat mir zwar mitgeteilt,
dass der Vertreter jetzt vor Gericht gestellt wird und ob er
verurteilt wird oder nicht, wird er auf alle Fälle sofort abge-
schoben. Vielleicht kann ich aber doch noch etwas den Prozess be-
schleunigen. Voraussetzung dafür ist, dass ich über die Verhaftung
informiert werde. Derzeit weiss ich überhaupt nichts und auch die
Sektion Dr. Fels war wie er mir sagte im Einzelnen nicht informiert.
Er hat nur gehört, dass dort ein Mann verhaftet sein soll.
ANMERKUNG für TIEBER: Bitte sofort alle Details von Bauer erfragen.
Die Firma Bauer soll jetzt ein Bewässerungsprojekt laufen haben,
das 400 Millionen Schilling ausmacht. Auch die VÖEST Alpine hat
jetzt die Absicht ein Zellulose-und Papierprojekt dort anzubieten
und hoffentlich auch zugeschlagen zu bekommen. Insgesamt wurde
unser Export in der letzten Zeit verdreifacht. 1975 betrug der
Import 52 Millionen, der Export 532 Millionen.
ANMERKUNG für WAIS, TIEBER und PLESCH: Wir müssen ein Berichtsformular
ausarbeiten, wo ich die wichtigsten Ziffern bekomme und nicht entweder
gar nichts, oder eine seitenlange Information.
Beim Jour fixe mit Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund stellt
sich immer mehr heraus, dass wir Detailbesprechungen führen.
Das ist an und für sich sehr angenehm, weil dadurch offene Fragen
zeitgerecht geklärt werden können. Das einfachgesetzliche neue
Preisgesetz geht am 24.2. mit den Marktordnungsgesetzen des Land-
wirtschaftsminister im Ministerrat und dann sofort ins Parlament.
Tieber hat vollkommen Recht, dass wir nicht von einem Ersatzgesetz
reden dürfen, brauchen wir dringendst einen Arbeitstitel. Wanke
hat mit Recht kritisiert, dass wir den Fehler machen, bei Schaffung
von einfachgesetzlichen Regelungen, des Angriffs der ÖVP, wir seien
hier Verfassungsänderer, viel zu wenig dagegen zu argumentieren.
Bei Schaffung unserer Verfassung nach dem ersten Weltkrieg war
die Landwirtschaft Landessache, weil sie damals auch politisch
nicht anders lösbar, nicht aber annähernd einen solchen Bundes-
einfluss, Subvention, Preisbildung usw. notwendig gehabt hat.
Wenn wir jetzt dieser verfassungsmässigen anderen Situation Rech-
nung tragen, dann dürfen wir uns nicht von der ÖVP als fast Ver-
fassungsänderer um nicht zu sagen Verfassungsbrecher kritisieren
lassen.
ANMERKUNG für TIEBER und WANKE: Hier müssen wir eine Kampagne ent-
fachen.
Bezüglich der Ölpreise hat Bauer von der ÖMV der Arbeiterkammer und
dem Gewerkschaftsbund zugesichert, dass er die 50 Groschen Mineral-
ölsteuer doch wird schlucken können. Auf eine telefonische Anfrage
teilt er mir allerdings mit, dass die endgültigen.Besprechungen
noch nicht abgeschlossen sind. Bauer hätte 7.30, 6.80, 6.10 und 3.30
Schilling akzeptiert. Die Arbeiterkammer ist aber nur bereit maxi-
mal 70 Groschen für Super, Normal und Diesel und 10 Groschen bei
29-0194
Heizöl Extra Leicht zu akzeptieren. Ich bin allerdings überzeugt,
dass dies noch nicht das letzte Angebot ist. Insbesondere wenn tat-
sächlich der Mineralölsteuersatz bei 50 Groschen Erhöhung bleibt,
werden wir mit diesen Ansätzen garantiert nicht durchkommen.
Im Verfolg der Preisbesprechung mit den Importeuren der Autos
werde ich in der nächsten Paritätischen Kommission berichten,
dass sich die Firmen bereiterklärt haben, zeitgerecht der Sonder-
kommission ihre Preisanträge mitzuteilen.
ANMERKUNG für TIEBER: Bitte mir dann einen Bericht auch über die
Verhandlungen mit den Einzelimporteuren und Briefen an die Mutter-
werke für nächste Paritätische Kommission vorbereiten.
Gegen die Kartoffelpreiserhöhung gibt es kaum etwas zu unternehmen.
Ich werde aber eine Aussprache mit den Lagerhäusern, d.h.den
Produzentenvertretern und dann mit dem Handel führen.
ANMERKUNG für PLESCH und TIEBER: Vielleicht können wir einen Teil-
erfolg durch Zusicherung einer Höchstpreis-Barriere die niemand
überschreiten will, erreichen.
Über die Vidierung und Ostliberalisierung der Einfuhr von Gurken
aus Bulgarien und Ungarn, habe ich zwar eine seitenlange Information
von Bachmayer bekommen. Was nicht drinnen gestanden ist und für mich
neu war, dass der Importeur jetzt Hofer sein soll und dass von den
1.000-Tonnen-Kontingent das wir beabsichtigt haben, er allein
482 Tonnen haben will. Jetzt bin ich 6 Jahre im Ministerium, arbeite
mit Bachmayer sehr gut zusammen und selbst der weiss noch nicht,
auf was es bei Informationen in Wirklichkeit für einen Minister an-
kommt.
ANMERKUNG für ALLE: Bitte doch auch versuchen, dass diese wichtigen
Details gemeldet werden.
Bezüglich der Entliberalisierung und Einfuhr von Käse, die eben-
falls Hofer durch seine Schmelzkäse-Importe aus der Schweiz und
Deutschland, insbesondere nach Vorarlberg ausgelöst hat, einigen wir
uns, dass wir die Kompensation von der Landwirtschaftskammer zuerst
abwarten, die wir dem GATT für die Entliberalisierung anbieten müssen.
Lachs teilt mit, dass die Kleinhandelsspannen beim Import wesentlich
höher liegen als beim Inland, 20 % zu 9 % und deshalb bei den Händlern
29-0195
die Importkäse besser untergebracht werden können. Einen Preis
von 24.- - 26.- Schilling gegen 51.- bis 55.- Inlandspreis, ist
dies leicht möglich.
ANMERKUNG für PLESCH: Hier müssen wir eine andere Landwirtschafts-
politik und Verkaufspolitik einleiten.
Zum Reisebüro-Garantiefond ist die Arbeiterkammer und Gewerk-
schaftsbund bereit, die 3 Promille für Österreicher, die im
Ausland Urlaub machen auf das Arrangement draufzuschlagen, zu-
zustimmen.
Tumpel, ÖGB wird jetzt mit der Chemiearbeitergewerkschaft wegen der
Reorganisation der Glasindustrie Besprechungen aufnehmen. Nach
Papier, Textilien ist es notwendig auch auf diesem Sektor Konzentra-
tionen einzuleiten.
Die Kommission über die Agrarmittelpreise hat bis jetzt noch
keine Ergebnisse über Preissenkungen erkennen lassen. Die Ver-
handlungen werden fortgeführt. Ich selbst bin der Meinung, wir
müssten noch bei Düngemittel, Maschinen und anderen Produktions-
mittel für die Landwirtschaft zu Preissenkungen kommen, um eine
Getreidepreiserhöhung abzuwehren. Die Arbeiterkammer und der Ge-
werkschaftsbund nehmen mit Befriedigung zur Kenntnis, dass jetzt
auch bei dem DURUM-Weizen der Landwirtschaftsminister bereit ist,
von einer amtlichen Preiserhöhung Abstand zu nehmen, wenn sich die
sechs Teigwarenerzeuger und 3 DURUM-Mühlen formaler verpflichten
und 40 Groschen freiwillig bei DURUM-Weizenpreis zu erhöhen.
20 bis 25 Groschen sagt Plesch, hat er bereits eine Zusage.
Die einzelnen Firmen, insbesondere Textilindustrie und sonstige
Produkte, wo öffentliche Aufträge vergeben werden, beschweren sich
bei Tumpel über die ungerechtfertigte Behandlung durch Beamte der
zuständigen Ressortministerien. Bei diesen wird auf die gewerk-
schaftliche Organisation oder auch auf die Wirtschaftssituation fast
nicht Rücksicht genommen. Ich schlage ihm vor, er soll einen Brief
an alle zuständigen Ressorts und dem Bundeskanzler und ich werde
dann versuchen, im Ausschuss öffentliche Auftragsvergabe im Handels-
ministerium, wo die Ministerien vertreten sind, eine Änderung dieses
unbefriedigenden Zustandes herbeizuführen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Hier müsste in die einzelnen Büros an konkreten
Fällen versucht werden, die zuständigen Ministerienvertreter zu beein-
flussen.
Tagesprogramm, 13.2.1976