Mittwoch, der 27. Oktober 1976

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Mittwoch, 27. Oktober 1976

Bei der Sekretärsbesprechung von der Lebensmittelarbeitergewerkschaft
konnte erst die wirkliche Tagesordnung für den Gesamtvorstand ver-
einbart werden. Ursprünglich waren nur Berichte vorgesehen, dies
erstreckt sich normalerweise auf meinen Bericht, der des Zentral-
sekretärs, der Gruppensekretäre und der Landessekretäre. Dies ist
eine ewig gleichbleibende Tagesordnung, wahrscheinlich nachdem
es die Gewerkschaft der Lebensmittelarbeiter gibt. Diesmal be-
schlossen wir, weil ich Angst hatte die 3 Tage sonst nicht systematisch
füllen zu können, dass Blümel über die Geschäftsordnung, wir wollen
ein neues Komitee einsetzen, das die Geschäftsordnung reformiert,
in der Gruppen- und Landessekretäre-Berichte entsprechend am nächsten
Vormittag behandelt werden sollen. Da die Rahmenkollektivvertrags-
verhandlungen jetzt ziemlich dem Ende zugeben, wird auch über dieses
Problem eingehendst nach einem Bericht von den Verhandlungsleitern
diskutiert werden. Am Freitag wird dann, der mit der Bildungsarbeit
beauftragte neue Bildungssekretär Göbl, der mit dem Jugendsekretär Demel
diese Arbeit von Gludowatz übernimmt, über seine Bildungsvorstellung
referieren und darüber soll dann auch diskutiert werden. Natürlich
müssten und mussten bereits am ersten Tag die entsprechenden formellen
Beschlüsse über den Gewerkschaftstag im nächsten Jahr gefasst werden.
Die Aufteilung der Delegierten, provisorische Tagesordnung usw. Die
Aufteilung der Delegierten ist deshalb schwierig, weil die entspre-
chenden Gruppenstärken selbstverständlich auch auf die Länderstärke,
dann aber auch noch auf die entsprechenden Fraktionen, Sozialisten,
Christliche und Kommunisten Rücksicht genommen werden muss. Die Kommu-
nisten hätten keinen Anspruch mehr auf einen Delegierten, insbesondere
dann nicht auf den Delegierten im Gesamtvorstand und im Zentralvor-
stand, haben aber bereits das letzte Mal den Kommunisten kooptiert.
Interessant war für mich, dass der Kollege Pospischil der Kaffeefabrik
Nestle im 22. Bezirk, Kagran, freimütigst erklärte, die KP hat grosse
Schwierigkeiten Delegierte zu finden. Voraussetzung ist nämlich
dass dieser zumindestens in einem Lebensmittelarbeiterbetrieb irgend-
eine Funktion, zumindestens Kandidat eines Betriebsrates gewesen
ist. Wir haben uns bei den Lebensmittelarbeitern nämlich niemals
irgendwelche Apparatschiki von der Parteizentrale aufdrängen lassen.
An dieser Taktik werden wir natürlich weiterhin festhalten. Wenn wir
schon jemanden kooptieren, so muss dies ein Gewerkschafter sein. In
der Steiermark wollte Dragosits unser Landessekretär, wieder eine


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Verschiebung der Delegationsaufteilung von Tabakarbeitern, Pensionisten
weniger, und dafür einen Bäcker mehr. Dies bedeutet aber, dass
sofort dann die ganze Matrix, d.h. die Quer- und Senkrechtauf-
stellung zerstört wird. Wir setzten ihm deshalb Blümel und auch andere
sowie ich mit aller Deutlichkeit auseinander, dass dies nicht geht.
Dragosits meinte nämlich allen Ernstes, dann wird man halt in der
Landeskonferenz in der Steiermark andere Beschlüsse fassen, als jetzt
die Aufteilung vorgelegt wurde. In der Fraktionssitzung der sozialisti-
schen Fraktion gab es deshalb auch eine heftige Diskussion. Dragosits
meinte allen Ernstes, wird die Steiermark eben andere Beschlüsse
fassen als jetzt hier vereinbart wird. Obwohl es ein nichtiger Anlass
ist, denn in Wirklichkeit könnte es uns ganz egal sein, wer von der
Steiermark delegiert wird, wenn die dortigen Gruppen zustimmen, so
erschien es mir doch notwendig, mit aller Deutlichkeit gegen eine Tendenz
aufzutreten, die ich für gefährlich halte. In der Steiermark dürfte
es auch in der Politik üblich sein, sich erst gar nicht viel um zentrale
Beschlüsse, die in Wien gefasst werden, zu kümmern. Jeder möchte
scheinbar seine Eigenständigkeit im Gegensatz zur Wiener Vereinbarung
die er aber letzten Endes mitfasst dadurch beweisen, dass er eben
dagegen opponiert.

In der Fraktion der sozialistischen Gewerkschafter berichtete ich dann
ganz kurz nur über die harte Linie der ÖVP die Bergmann eingeleitet
hat und Steinbauer jetzt auch im Parlament fortsetzen möchte. Die
Zeitungen der bürgerlichen Seite und vor allem der sogenannten
Unabhängigen verlangen jetzt, dass jetzt die Regierung, insbesondere
Kreisky aber, aufgibt. Kreisky verlangt dagegen und das glaube ich
sogar mit Recht, eine formelle Entschuldigung wegen des Watergate
Vorwurfes. Wenn die Zeitungen Recht haben und ich möchte dies gar nicht
bestreiten, dass Kreisky damit Schwierigkeiten überdecken will
und kann, dann müssten sie doch Steinbauer empfehlen, wie dies auch
seinerzeit Bürgermeister und soz. Nationalratsabgeordnete Pölz von
Amstetten getan hat, sich ganz einfach zu entschuldigen. In der Dis-
kussion kamen aber dann ganz interessante andere Details zur Sprache.
Deutsch berichtete, dass er eine sozialistische Programmdiskussion im
Renner-Institut in Favoriten mitgemacht hat. Dort wurde von der Ar-
beiterkammer Woda als Referent und Dr. Wagner, ich glaube Raumplanung,
engagiert. In der Diskussion, die Deutsch dann mitmachte, war Ein-
kommensproblematik zur Sprache gebracht worden. Die Referenten ver-
langten Lohnleitlinien auf der einen Seite, Offenlegung aller


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Einkommen und insbesondere die Begrenzung nach oben, selbst für die
Gewerkschaftsbonzen. Ich weiss nicht, ob die Referenten diesen Aus-
druck gebrauchten, ich glaube eher nicht, sondern dies hat sich
sicherlich dann in der Diskussion in Favoriten ergeben. Auch Serini
meinte bei seinem Diskussionsbeitrag, dass kleinen Funktionäre jetzt
müde sind und nicht mehr die Kreisky'sche Computerpolitik, oder
das Kreisky'sche Diktat machen wollen. Kreisky versucht durch
Meinungsumfragen wie sich die Bevölkerung zu Atomkraftwerken, zu
Ladenschluss usw. verhält und macht dann danach die Politik. Ausserdem
diktiert er wie z.B. bei Beistellung der Regierungsmitglieder Pahr
und Schober wurde. Kritisiert wurde auch von einigen Sekretären
dann, dass bei "Die SPÖ hält Wort" viel zu wenig Zeit zum Diskutieren
bleibt. Androsch hat man im Burgenland durch Dutzend Versammlungen
durchgeschleust. In Mattersburg war er dann bei der letzten müde und
hat entsprechend hart auf entsprechende Fragen reagiert. Kritisiert
wurde selbst in der Fraktion, dass die Lohnpolitik zumindestens von
der Handelskammerseite immer wieder als etwas ausgemachtes hingestellt
wird. Durch Benya-Erklärungen wird scheinbar schon die Lohnpolitik vor-
weggenommen. Dragosits meinte, er könne von vorneherein schon
festlegen wie hoch die Abschlüsse der einzelnen Gruppen sein werden.
Dies ist natürlich ein Unsinn – und ich habe ihm dies auch klar und
deutlich gesagt. Die Brauer haben sieben erfolglose Verhandlungen geführt
bis dann bei den letzten zweien nach 2 1/2 Monaten endlich eine be-
friedigende Lösung erreicht werden konnte. Dieses Ergebnis hat allen
Funktionären, ja sogar den Brauarbeitern, obwohl es nur 1/2 bis 1.1 %
Reallohnsteigerung gebracht hat, genügt. Wenn die Benya-Formel mit 3 %
Reallohnerhöhung, die in den letzten Jahren von uns ständig weit über-
schritten wurde, zur Anwendung käme, hätten die Brauer schlecht abge-
schnitten. In Wirklichkeit gibt es keine Lohnleitlinien und ich habe
mit aller Deutlichkeit dies auch in der Fraktion vertreten. Natürlich
orientieren sich die anderen Gruppen unserer Gewerkschaft und vor
allem die Unternehmervertreter dann, was die starken Gruppen, die
meistens auch am Anfang unserer Lohnbewegungen stehen, die Brauer,
die Zuckerarbeiter, sich herausholen können.

Auch bei der Gesamtvorstandssitzung kam nach meinem Bericht die
Preis- und Lohnpolitik besonders zur Diskussion. Interessanter-
weise verlangen jetzt immer mehr Sekretäre und Gruppenvertreter, d.h
auch die Funktionäre, wir sollten eine Preisregelung gegen den Ver-
kauf unter dem Einstandspreis finden. Die Beschwerde richtet sich


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auch gegen die Untersuchungsanstalt Petuely, der angeblich von den
österreichischen Unternehmungen härtere Bedingungen bezüglich Halt-
barkeit usw. verlangt, als bei importierten Lebensmitteln. Hier
dürfte es tatsächlich in den einzelnen Betrieben grosse Schwierigkeiten
geben.Ich verlangte, dass konkrete Beschwerden mir mitgeteilt werden.
Mit allgemeinen Andeutungen, mit Hinweisen, dass Petuely sich gegen
die Wirtschaft wendet, kann ich gar nichts anfangen.

Die Konferenzen, ob es sich jetzt um die Klubtagung in Linz handelt,
oder z.B. die Gesamtvorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter, sollte
dazu dienen, um offene Probleme freimütigst zu diskutieren, zu kriti-
sieren und die Politik für die Zukunft zu bestimmen. Tatsächlich stelle
ich immer mehr fest, dass es darauf ankommt, wie man diese Tagung nicht
nur vorbereitet, sondern letzten Endes dann auch durch Referate und vor
allem durch vorbereitete Diskussionsteilnehmer aktiv gestaltet. In
der Partei, ja selbst in überparteilichen Organisationen ist eine
ungeheure Lethargie eingetreten. Von einer lebhaften Diskussion kann
nicht geredet werden. Bei uns wurde gerade noch in der Fraktion ein
wenig kritisiert, dort sogar manchmal unsachlich und hart, aber wirklich
keinerlei neue Erkenntnisse gewonnen. Ich nehme die Kritik ziemlich
ernst, auch dann wenn es sich oftmals wirklich um dumme Bemerkungen
handelt. Sie zeigen mir nur klar und deutlich, wie sehr die Massenme-
dien, die ja immer nur das Negative bringen und die sich sofort auf ir-
gendwelche Gegensätze stürzen, dass dies wie man so schön sagt, bei
den Leuten reingeht. Wenn dann sogar der interessantere Diskussions-
teilnehmer meint, hier handelt es sich klar und deutlich um eine
Diktatur von Kreisky bezüglich der Ministerbestellung, ohne die Er-
klärungen der Partei auch nur annähernd zu akzeptieren, dann zeigt es
für mich, dass die Meinungsbildung viel mehr ausserhalb der Partei über
Massenmedien erfolgt, als durch Parteiinformationen. Bis jetzt hat
uns meiner Meinung nach nur die verhältnismässig günstige Wirtschafts-
situation gerettet, dass wir von Wahl zu Wahl doch über die Runden
gekommen sind und die absolute Mehrheit bekommen haben. Wenn die
Massenmedien die negativ kritische Politik fortsetzen, dann glaube ich
würde bei dem ersten kleinen wirtschaftlichen Rückschlag der ernstlich
unsere Leute betrifft, das Wahlergebnis wesentlich anders aussehen.
Ich versuchte den Genossen klarzumachen, dass die angeblich offene
Diskussion innerhalb der ÖVP, die ja doch nichts anderes wie ein
Streit ist, manchmal sachlich, meistens aber persönlich, der ÖVP
nur geschadet hat. Wenn wir dieselbe Situation in der SPÖ hätten,
dann würde meiner Meinung nach nicht eine grosse Bewegung im Kampf


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gegen den Kapitalismus Erfolge erzielen können, sondern wir würden
uns vielleicht wünschen, dass manchmal die Linken ausschliesslich
in theoretischen Diskussionen und in verbalen Auseinandersetzungen mit
den Gegnern verzetteln. Das Ergebnis einer solchen Politik brauche ich
im Einzelnen glaube ich nicht auszumalen. Wir haben es in Wirklichkeit
in der Ersten Republik erlebt.

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Tagesprogramm, 27.10.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


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