Mittwoch, der 26. Jänner 1977

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Mittwoch, 26. Jänner 1977

Bei der Überreichung des Staatswappens für den Zentralkonsum
erinnerte mein Vorredner Haberl an die faschistische Periode.
Damals sagte er richtig, war auch der Konsum eine Zufluchtsstätte
für echte Demokraten. Er nützte auch die Gelegenheit um die Leistung
der Konsumorganisation, die vor 120 Jahren gegründet wurde und vor allem
die geschichtliche Entwicklung zu würdigen. Aus kleinsten Anfängen zu
einer mächtigen zentralen Organisation, die jetzt 16 Mia. Schilling
Umsatz macht. In meinen Aufzeichnungen stand nur 10 Mia. Ich verwies
deshalb auf diese Differenz. In meiner Rede ging ich deshalb deletär
aus den Akten stammenden nackten Fakten, die Haberl viel besser aufzeigte,
auf die persönlichen Beziehungen mit dem Konsum ein. Als Kind musste
ich sehr weit zur nächsten Konsumfiliale einkaufen laufen. 1934 ist
meine Mutter selbstverständlich aus dem Konsum ausgetreten. In der
austrofaschistischen Zeit sind wir in der Jugendorganisation Konsum-
klub untergetaucht. Damals machten wir auch ein Sommerlager für die Kin-
der der justifizierten und inhaftierten Mitglieder?? Der Sepp war der
Lagerleiter. In der damaligen GÖC-Zentrale am Donaukanal schlug bei
unseren Genossen diese Aktivität, von denen sie natürlich nichts
wussten, wie eine Bombe ein. Die alte Genossenschafterin, die an-
wesend war, konnte sich genau daran erinnern und hat mit gesagt,
dass damals von der anderen Seite eingesetzte Direktor oder Kommissar,
ich weiss nicht, was er war, bei Strobl sehr viel deckte. Strobl war dann
in der ÖVP-Zeit nach dem zweiten Weltkrieg auch der grosse Genossen-
schaftler der anderen Seite. Illegal ist also unsere Tätigkeit damals
gar nicht gewesen, wie ich jetzt erfahren musste. Riskant war sie aber
auf alle Fälle. Zum Schluss kam ich auf das wichtigste Problem. der
zukünftigen Aufgabe der Zusammenführung aller Konsumorganisationen
im Zentralkonsum zu sprechen. Eine solche grosse Zentralisation ist aus
verschiedensten Gründen zweckmässig. Die Obersteirer und einige west-
liche Konsumgenossenschaften sind in einer schlimmen finanziellen
Situation. Die Konzentration soll daher zwischen den gut geführten und
den schlecht geführten und deren finanziellen Belastungen einen Aus-
gleich schaffen. Natürlich ergibt sich dann automatisch die Frage,
wie weit einzelne Ländervertreter mitmachen. Die Dreisäulentheorie
Grundlage der Politik, z.B. zur Zeit meiner Mutter, nämlich sozialistische
Organisation bedeutet Partei, Gewerkschaft, Konsumgenossenschaft, heute
nur mehr bedingt Geltung. Genossenschaft und Gewerkschaft werden heute


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als überparteilich geführt. Diese beiden mächtigen Organisationen
haben aber heute einen kapitalmässig wesentlichen stärkeren Einfluss
als in der Ersten Republik. Beide Organisationen, aber das gilt auch
sicherlich für die Partei, werden heute finanziell aufwendiger und
vor allem viel stärker vom Management geführt.als früher.

Im Klub berichtete Kreise und begründete seine Politik in der Frage
Lütgendorf. Lütgendorf war interessanterweise gar nicht anwesend.
Kreisky überzeugte vor allem durch das Argument, so lange einer nicht
verurteilt ist, er z.B. das Parlament wissentlich angelogen hat,
solange soll ihm ein jedes anderes Regierungsmitglied und ganz besonders
der Kanzler halten. Die Untersuchung muss zuerst durchgeführt sein
bevor endgültig entschieden wird.An der Diskussion beteiligten sich
einige, weil viel Zeit noch zur Verfügung stand, aber die Diskussion
war sehr lustlos. Da Benya sich gleich als erster Diskussionsredner
meldete und die Meinung Kreisky's 100-%ig teilte, war natürlich von
vorneherein jedwede Unzufriedenheit oder andere Vorschläge kaum zu
erwarten. Wenn die Achse Kreisky Benya funktioniert, kann man mit
ruhigem Gewissen sagen. ist die Sache schon entschieden. Bei der Parla-
mentsdebatte dann selbst halten deshalb alle Angriffe zentrisch ab.
Die FPÖ habe es am allerschwierigsten letztlich zu begründen, warum sie
der gesamten Regierung aussprach. Heinzi Fischer hielt eine blendende
Rede auch gegenüber der ÖVP die ab absurdum führte, zuerst zu ver-
urteilen und dann erst zu untersuchen. Bezügliche Zitate aus ÖVP
Alleinregierungszeit von Withalm, aber was noch für die ÖVP viel
peinlicher wirkte, die anwesenden Präsidenten Minkowitsch und Staudinger,
die damals oft sogar Untersuchungen ablehnten, war für die ÖVP mehr
als peinlich. Lütgendorf stellte einmal mehr fest, dass er alles klagen
wird, was ihm in seiner persönlichen Ehre kränkt, dass er nach wie vor
nicht wusste, dass diese Munition nach Syrien ging. Die Behauptung er
sei öfters auf der Jagd Weichselbaumers gewesen, soll das Profil
oder die ÖVP durch Vorlage des Jagdbuches von Weichselbaumer beweisen.

Da Kreisky mich ersuchen lies, dass ich auch auf die Regierungsbank
kommen sollte, sass ich dann stundenlang dort. Nur bei der Rede Peter
war dies zweckmässig, weil er, eben um die Aktion Misstrauen gegen die
ganze Regierung zu begründen, alle Hasstouren aufzählte. Unter anderem
wollte er gerade sagen, dass das Handelsministerium eine 2-%ige Lehr-
lingssteuer einführen wollte, worauf ich ihm sofort ins Wort fiel und
erklärte, die Gewerkschaftsjugend und nicht ich haben diesen Vorschlag


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gemacht. Er musste sich deshalb korrigieren. Zeillinger wieder meinte,
die Konzession Weichselbaumers gehört schon längst eingezogen. Dieser
alte Demagoge weiss als Rechtsanwalt sehr genau, dass dies auf Ver-
dachtsmomente kaum möglich ist. Greift aber zumindestens in einem Nebensatz
mich auch an. Die Debatte zog sich von 11.00 Uhr bis 10.00 Uhr abends
und brachte glaube ich wirklich, der ÖVP und der FPÖ nicht den ge-
wünschten Erfolg. Entscheidend ist in meinen Augen aber gar nicht
was dort im Parlament geschieht, sondern wie die Massenmedien weiter
reagieren werden. Da sie sich einmal auf die Abberufung Lütgendorfs
eingeschossen haben, wird dieses Ziel, davon bin ich überzeugt, von
ihnen weiter verfolgt.

Gen.Dir. Malzacher von Steyr-Daimler-Puch rief mich verzweifelt an,
dass er jetzt entscheiden muss, ob er weitere Syriengeschäfte für
3 Mia. Schilling tätigen soll. 2.000 Pinzgauer, 500 sofort für das
Graz-Werk von Bedeutung. 1.000 LKW schwerste Lastkraftwagen von Steyr
200 Busse vom Simmeringer Betrieb, 200 Feuerwehrwagen von Steyr & Rosen-
baum in Linz, 300 LKW mit Aufbauten für Betonmischung, Müll von der Fa.
MUT, Stockerau, Mobilkräne aus Steyr und Palfinger in OÖ und für allem
auch von Steyr-Hellas stehen zur Diskussion. Diese Geschäfte, ein Kredit-
rahmen von 3,8 Mia. Schilling soll eröffnet werden und für 1.2 Mia.
Schilling sind schon Promessen eingereicht, gehen nur, wenn Weichselbaumer
weiter als Vermittler auftritt. Der Versuch der Steyr Werke Weichsel-
baumer
auszuzahlen, d.h. für diese Tätigkeit abzulösen, ist daran
gescheitert, dass dieser ganz entschieden ablehnt. Ich empfahl Mal-
zacher
an Kreisky einen diesbezüglichen Brief zu schreiben. Abends kam
dann eine Aussprache mit Malzacher, Kreisky, Gehart und mir zustande.
Malzacher wollte, dass die Regierung zur Kenntnis nimmt, dass er weiter-
hin Weichselbaumer einschalten muss und ihn deshalb deckt. Dies begründet
er damit, dass ein Regierungsmitglied, Lütgendorf, Anzeige gegen Weichsel-
baumer
wegen Verstoss gegen die Neutralität erstattet hat. Im Strafge-
setz § 320/1 steht, wer wissentlich einen Staat für diesen Landfahrzeuge
ausrüstet, ein kriegsführendes Land, verstosst gegen die Neutralität.
Kreisky sagte richtig, dass wir das Geschäft decken können. In meinen
Augen handelt es sich bei den Lieferungen um normale Fahrzeuge und nicht
darum, dass Landfahrzeuge ausgerüstet werden. Kreisky schlug Malzacher
vor, er soll diesbezüglich mit Sallinger und Igler als seine Interessens-
vertretung sprechen. Bezüglich Weichselbaumer kann er ihm weder raten
noch irgend etwas sagen. Geht nämlich das Geschäft schief, weil Weich-
selbaumer
ausgeschaltet ist, dann wird man ihm die Verantwortung zu-
schieben. Geht das Geschäft aber gut und Weichselbaumer ist dabei, wird


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die ÖVP ihn angreifen, dass er diesbezügliche Empfehlungen ge-
geben hat. Ich habe Malzacher dann noch sofort zu Sallinger geführt,
der gerade eine Aussprache mit Taus hatte. Die Vermittlungsfunktion
ist damit erschöpft. Mehr den je festigt sich bei mir die Meinung
dass diese schwere Auseinandersetzung wahrscheinlich auch die zu-
künftige Entwicklung österreichische Wirtschaft oder zumindestens
einzelne Betrieb wenn es so weitergeht, sehr schwer treffen kann.
Neisser verwies, dass im Mutterland der Demokratie Maudling zurück-
getreten ist, weil eine Firma, wo er einmal Aufsichtsrat war, Pleite
machte. Ein einem Nebensatz erwähnte er, dass Profumo auch gehen
musste, was er als Beispiel nicht heranziehen möchte. Die geschickte
demagogische Methode, etwas zu erwähnen, zu sagen und damit in den
Raum zu stellen und gleichzeitig zu sagen, das wollen wir ja nicht
als Beispiel nehmen. Natürlich werden in einem solchen Fall dann
immer persönliche Frage hineingezogen, die mit der ganzen Angelegen-
heit wirklich nichts zu tun haben. Wobei das englische Beispiel
wirklich zum nachstreben anregen sollten, bezweifle ich. Die so gerühmte
parlamentarische Demokratie in England hat die Wirtschaftsprobleme
dort überhaupt nicht lösen können. Noch immer gilt für mich die
bessere Lösung das Schweizer System und überhaupt die Schweiz.

Zur Vertragsunterzeichnungen über die Papiermaschine 650 Mill. S
zwischen Voith und der UdSSR Import und Fachorganisation kam ich
leider zu spät. Trotzdem wünschte ich dann beiden Firmen Glück und be-
dankte mich für ihre Tätigkeit. Der Generaldirektor erzählte mir
dann noch schnell, dass dies erst der Anfang ist und dass noch viele
diesbezügliche Verträge kommen werden. Voith hat vor 50 Jahren
die erste Maschine in die UdSSR geliefert und ist seit dieser Zeit
ein guter und treuer Kooperations- und Lieferpartner. Mit diesem
Abschluss wird unser Aktivum mit der Sowjetunion noch mehr erhöht,
dadurch können wir umso leichter unsere Energiebezüge bezahlen.
Ich wäre glücklich, wenn wir neben dem Öl und Gas, das wir vielleicht
wirklich nicht in vollem Ausmass von der SU beziehen können, endlich schon
einen Elektrizitätsbezugsmenge festlegen könnten.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte erkundige Dich, wie es mit den Verhandlungen
weitergeht.

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Tagesprogramm, 26.1.1977


Tätigkeit: Präs. Bauernbund
GND ID: 118894366


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    GND ID: 1017902909


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        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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          GND ID: 118634100


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            Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg., Volksanwalt


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              Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


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                Tätigkeit: FPÖ-Obmann


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                      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
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                        Tätigkeit: -obmann


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                            Tätigkeit: Bundeskanzler
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                              Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                  Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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