Donnerstag, der 27. Jänner 1977

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Donnerstag, 27. Jänner 1977

Die Vertreter der Patentanwaltskammer Präs. Beer und Vizeprä-
sident Sonn und Dipl.Ing. Atzwanger, sehen nach wie vor auf dem
Standpunkt, es ist besser, einige Jahre zuzuwarten, bevor man
dem Europa-Patent beitritt. Ihrer Meinung nach wird Österreich
mit dem Beitritt sein Patentamt ruinieren. Die Verpflichtung des
Europa-Patentamtes durch 15 Jahre 1.500 Recherchen mit einem Er-
lös von 6 Mio. S nach Österreich zu geben, ist unbefriedigend.
Sie sind auch überzeugt, dass ausser Norwegen noch andere Staaten
darauf verzichten werden, dem Europa-Patent beizutreten. Ich
erklärte ihnen sofort, dass der Zug abgefahren ist und Österreich
gar keine andere Möglichkeit hatte und hat, als eben bei der
Integration des Patentwesens dabei zu sein. Leberl ist es ge-
glückt, dafür wenigstens das österreichische Patentamt als
Recherche-Büro zu installieren. In Wirklichkeit hat Präs. Beer
es richtig ausgedrückt, 1939 musste er nach Berlin gehen, weil
das österr. Patentamt, damals allerdings seine Selbständigkeit
verloren hat. In Hinkunft wird natürlich die Haupttätigkeit der
Patentanwalt in München und nicht mehr in Wien sein. Entweder
schafft er sich dort ein zweites Büro oder wird sich dort mit
einer Münchner Firma liieren oder er wird halt seine fetten Ge-
schäfte verlieren. Für 50 Patentanwälte können wir uns aber nicht
gegen die Integration Europas und damit auch des Patentwesens
stellen.

Bei der 25-Jahr-Feier des Gewerbeforschungsinstituts hat anstelle
von Sallinger Mussil gesprochen. Vor ihm hat bereits der Obmann
der Gewerbesektion, Dipl.Ing. Moser mich direkt wegen mehr
Förderung für das Gewerbe und, wie er sich ausgedrückt hat,
eine bessere Mittelstandspolitik angesprochen. Mussil natürlich
wieder: Wie hält es der Handelsminister mit der freien Markt-
wirtschaft. Was mir bei Mussil so imponiert war, dass er voll-
kommen frei gesprochen hat und trotzdem sehr konzentriert ausser
dieser Polemik sein Mittelstandkonzept entwickelte. Im besonderen
kam er auf die Gesetzeswünsche der Handelskammer oder besser gesagt
des Gewerbe zu sprechen. Natürlich ging ich auf die einzelnen
aufgeworfenen Fragen sehr präzise ein. Finanzielle Unterstützung des
Gewerbes charakterisiert am besten die Ausdehnung der BÜRGES:
Verdoppelung innerhalb von 3 Jahren des Kreditvolumens.



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Ausserdem neue Aktionen wie warme Küche und Existenzgründung
in diesem Jahr. Auf legistischem Gebiet die Verhandlungen mit
Sozialpartnern für Klein- und Mittelbetriebe oder wie ich mich
ausdrückte, das neue deutsche Wort small business ähnlich wie bei
der Gewerbeordnung. Die Frage der freien Wirtschaft: meine alte
Abwandlung und dort vor einige Professoren der Welthandel Ge-
schichtsbeispiele demonstrierend. Die theoretische Konzeption
Adam Smiths, Ricardos die Praxis mit dem ständigen Einfluss des
Staates oder der Interessensverbände, Ablehnung 97 % Bevölkerung
gegen die zentral gelenkte Planwirtschaft des Ostens, Bedürfnis der
konservativen freien Marktwirtschaft durch eine soziale und der
ÖVP jetzt einer qualitativen geänderten Gesellschafts- und Wirt-
schaftsverhältnissen anpassend, mit Recht geforderte Freiheit und
Demokratie und soziale Marktwirtschaft unsere Gesellschaftsordnung
sichernd, wie die Parole der Handelskammer lautet und daraus
eben das Bestreben dieser Regierung und meine persönliche Auffassung
der Weg zur sozial-demokratischen Marktwirtschaft. Der Markt
bleibt Zentrum des Geschehens, die Funktion des Marktes muss
erhalten bleiben, das Gesellschaftssystem aber durch mehr
Demokratie, mehr Mitbestimmung, mehr sozialen Ausgleich gekennzeichnet
sein. Der Rektor der Wirtschaftsuniversität sagte anschliessend
zu mir, er wird in Hinkunft dann immer von einem liberalen
Kommunismus sozusagen aus Pendant gegen die sozialdemokratische
Marktwirtschaft sprechen. Die Mehrheit der Konservativen glaubt
natürlich fest, dass Sozialdemokratie und Marktwirtschaft ein
glatter Gegensatz sein müsse. Hier sollte man wirklich ver-
suchen, ein kleines theoretisches Gebäude aufzubauen, welches
ich schlagwortartig jetzt überall predige. Den Markt als zentrale
Funktion belässt, die freie Entfaltung des Unternehmens garantiert
und doch die Auswüchse und vor allem die wirklich noch theoretischen
Forderungen der Bürgerlichen widerlegt resp. beseitigt.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Wie weit können wir ein solches theoretisches
Gebäude aufrichten?

Gen.Dir. Dr. Eich von der AEG stellte seinen neuen Nachfolger
Dipl.Vw. Moslener vor. Wanke hat die Gelegenheit benützt, um beiden
unser Interessen an ihrer Konzeption zu erklären. Die AEG hat jetzt
bereits 50 % Anlagentechnik in Österreich in Eigenleistungen und
nur mehr Zulieferung von 15 % aus Deutschland. Die neuen Gebiete
sind Solarenergie und Wärmepumpen. An beidem erklärte ich besteht


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riesiges Interesse in Österreich, insbesondere vom Handels-
ministerium bezüglich Solarenergie sollten sie sich wegen der
Spiegel mit Swarovski ins Einvernehmen setzen. Moslener war
daran sehr interessiert und hat sich alles notiert.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Swarovski verbinden.

Eine Aussprache mit den Vertretern der Kunststoffverarbeiter zeigte,
dass meine Konzeption bezüglich Einwegflaschen von diesen geteilt
wird. Dr. Pauler mit Prof. Porgali, Schmitz und Sekr. Dr. Bosnjak,
dem Fachverbandsvertreter und Sekretär Dr. Vaiscek vom Chemie-
verband sowie den beiden Firmenvertretern Gscheider, Steinabrückl,
und Prok. Postler von Eder, waren besorgt, aus meinen Andeutungen
die Einwegflaschen für Massengetränke zu verbieten, dass ich über-
haupt die ganze Plastikproduktion diskriminieren möchte. Sie selbst
erklärten mir dezidiert, dass sie auch auf dem Standpunkt stehen,
Einwegflaschen für Kohlensäuregetränke, Bier usw. auf gar
keinen Fall zu verlangen. Ihrer Meinung nach weiss man nur viel zu
wenig über die Möglichkeiten der Verwendung und vor allem der zweck-
mässigen Beseitigung von Plastikverpackung. Durch den hohen Heiz-
wert von Plastikabfällen braucht die Müllverbrennung diesen Energie-
träger. Die beiden Firmen, die 800 Beschäftigte haben, die Plastik-
industrie beschäftigt 25.000, muss jährlich, um die jetzige Flaschen-
und Verpackungsproduktion aufrechterhalten zu können, 8–10 Mill. S
investieren. Durch meine Erklärung sei jetzt Unruhe nicht nur in
die Betriebe gekommen, sondern auch in ihre Geld- resp. Bankinstitute.
Wanke hat dann mit ihnen Teilgespräche geführt, nachdem ich persön-
lich ihnen versichert habe, sie nicht zu bekämpfen sondern mit
ihnen gemeinsam alle Problem lösen zu wollen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Wie geht es weiter? Was hast Du mit ihnen
vereinbart?

Der scheidende Botschafter Vlahov, die spärlichen Unterlagen für
das Wien-Triester-Kanalprojekt, das er sofort erklärt, wahrscheinlich
überhaupt nur für Koper in Frage käme, für Snuderl mitzunehmen.
Vlahov war sehr erstaunt, dass Snuderl sich für dieses Projekt
so interessiert, er meint, Jugoslawien könnte niemals die notwendigen
Mittel für dieses Kanalprojekt aufbringen. Er wird neuerdings in
meinem Auftrag und Namen Snuderl zu einem Besuch der Draukraftwerke
für den Sommer einladen. Dasselbe gilt natürlich auch für den
Aussenhandelsminister Ludviger.



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ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte versuche inoffiziell über den Handelsrat
resp. dann über den neuen Botschafter herauszubekommen, wie die Jugo-
slawen zu den Kontakten mit Österreich stehen.

Botschafter Bukowski berichtet mir, dass Handelsminister Nedew
ihm niemals die versprochenen Grossprojekte mitteilte, die Bulgarien
in der nächsten Zeit in Angriff nimmt. Die Bulgaren reduzieren jetzt
die Importe aus Österreich wesentlich. Dies ist mir verständlich,
weil sie kaum eine Chance haben, ihre Produkte in Österreich, obwohl
alles liberalisiert ist, verkaufen zu können. Jetzt haben sie
einige Projekte, Hotels und Seilbahnen, in Bulgarien die Absicht
auszubauen. Bukowski meint, da sollten wir versuchen, auch einen
Teil zumindestens der Seilbahnprojekte zu bekommen. Derzeit wird
aber ausschliesslich mit den Franzosen verhandelt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Fälbl soll versuchen, Näheres zu erfahren
und die Handelskammer davon verständigen.

Bukowski könnte im Aussenamt hören, dass dieses grosse Bedenken
hat, die Finnlandisierung Österreichs jetzt durch die Politik des
Handelsministerium eingeleitet wird. Dies bezieht sich auf die Verhand-
lungen, die wir intern und interministeriell wegen der Zollwünsche der
Oststaaten führen. Grosse Angst hat man aber auch, dass Kreisky
wie beim ungarischen Staatsbesuch und sonstigen angedeuteten engeren
Kooperation mit den Oststaaten. Ich muss nur ganz besonders auf-
passen, dass wir nicht aus ganz unbedeutenden Gesprächen oder Be-
sprechungen im Handelsministerium einen politischen Wahlschlager
für die ÖVP liefern. Jetzt finde ich umso mehr meine Taktik
bestätigt, auch diese Schritte im Einvernehmen mit der Handelskammer
zu machen. Wenn die Handelskammer dem nicht zustimmt, dann bitte
lieber unterlassen, als in so einer unbedeutenden Frage der ÖVP
eine ungeheure Angriffsmöglichkeit gegen unsere bis jetzt so erfolgreiche
Aussenhandelspolitik zu geben. Als Ausweg, wenn der Druck der Ost-
staaten immer stärker wird und die Handelskammer verständlicherweise
nicht bereit ist, ein Zugeständnis zu machen, ist die von Pahr und auch
Mussil anerkannte Möglichkeit, die Oststaaten an die EFTA nach Genf zu
verweisen. Auch dies kann und muss nicht offiziell geschehen. Wichtig
ist nur die erfolgreiche Bindung der Handelskammer an die Politik
des Handelsministeriums durch zwar schwer zu erringendes, aber letzten
Endes aber doch immer gegebenes Einverständnis von Mussil resp.
Gleissner. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die ÖVP jetzt über


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das Aussenamt hier eine entsprechende Änderung herbeiführen möchte.
Die Aussenamtsbeamten haben Schwierigkeiten bei der UNO-City,
Schwierigkeiten in Brüssel und nützen daher jedwede Andeutung,
man zweifelt an der Neutralitätspolitik Österreichs, um uns
politisch eins auszuwischen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte in der Frage Lösung der Zollwünsche
des Ostens diese neue Entwicklung besonders beachten.

Der Obmann des Freien Wirtschaftsverbandes, Pasterer, berichtet
mir, dass in der RUEFA Salzburg Brandstätter und in der BAWAG
Aschenbrenner durch die neue Konzeption der BAWAG gefährdet sind.
Gen.Dir. Flöttl, mit dem ich über dieses Problem freimütig spreche,
teilt mir mit, dass mit der RUEFA die BAWAG ganz überraschend
unmögliche Zustände festgestellt hat.Haftungen werden resp. wurden
übernommen, Firmen die Eigenkapital mit 1 Mill. und Schulden
von 30 Mill. wurden Bürgschaften von 8 Mill. gegeben, ohne dass
entsprechende Grundlage vorhanden ist, nicht einmal eine Evidenz-
buchhaltung über die Kredite ist bei der RUEFA vorhanden. Die
Reorganisation ist unvermeidlich.

Die Fa. Moulinex hat in der Grossen Neugasse ihr Bürohaus moder-
nisiert und zur Eröffnung eingeladen. Der französische Botschafter
und vor allem der Besitzer ist extra aus Paris gekommen. Ich
nützte die Gelegenheit, um weniger das wie ja sagte so gute
französische Buffet zu essen, als Herrn Moulinex für einen
Betrieb in Österreich zu animieren. Als ersten Schritt war
ich daran interessiert, ihm klar zu machen, dass er zweckmässiger-
weise hier Assembling mit seinen bedeutenden Produkten wie
elektrische Schneidmaschinen durchführen könnte. Der Geschäfts-
träger war sehr überrascht über meine Aktivitäten und meinte,
genau dies wollte er auch mit seinem Chef aus Paris besprechen.
Moulinex erklärte zwar, dass er 11 Fabriken hat, in Spanien auch
z.B. eine errichten musste, weil dort die Importe sonst nicht zuge-
lassen werden. Für mich war dieses typische Beispiel mehr denn
je ein Beweis, dass staatliche Einflüsse zwar für die ausländi-
schen Unternehmer Sachzwänge ergeben wie z.B. eben Errichtung
einer eigenen Fabrik in Spanien, andererseits dadurch aber
keinesfalls die wirklichen Probleme gelöst werden. Wenn wir unseren
Inlandsmarkt so wie die Spanier mit welchen Methoden ist mir
im einzelnen nicht ganz klar geworden, schützen und ausländische


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Produktionsstätten erzwingen, so müssen sie eindeutig gegen inter-
nationale Vereinbarungen verstossen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte wegen der Details sich mit der
Geschäftsführung von Moulinex ins Einvernehmen setzen.

Tieber teilt mir mit, dass er grosse Schwierigkeiten mit den Formalisten
Min.Rat Singer wegen der Konsumenteninformation hat. Frau Dr. Smolka
vom ÖGB und unsere Leute im Handelsministerium haben grosse Differenzen.
Sowohl der ÖGB als auch die Handelskammer möchten bei der OECD
als Staatsvertreter für Konsumentenfragen akkreditiert werden. Tieber
hat verständlicherweise dagegen grösste Bedenken. Singer, der letzten
Endes auf Empfehlung des ÖGB Gruppenleiter wurde, kommt jetzt mit
den Vertretern des ÖGB nur sehr schlecht aus. Tieber schlägt deshalb
vor, wir sollten das ganze Problem an das Büro ziehen und Wais als
offiziellen Vertreter Österreichs nach Paris zur OECD delegieren.
Ich bin mit dieser Vorgangsweise einverstanden, da Wais vor einigen
Jahren schon dieser Vertreter gewesen ist. Tieber wird dieses Problem
beim nächsten Jour fixe insbesondere aber das Verhältnis Singer : ÖGB
zur Sprache bringen.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte auf die nächste Tagesordnung setzen.

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Tagesprogramm, 27.1.1977


GND ID: 1017902909


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    Tätigkeit: Außenhandel BWK


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        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


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            Tätigkeit: Straßburg


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              Tätigkeit: bulgar. Außenhandelsminister


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                Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


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                  Tätigkeit: Präs. Patentanwaltskammer


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: vw. Referat ÖGB


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                      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                        Tätigkeit: SChef HM
                        GND ID: 12195126X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Präs. Patentamt


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                            Tätigkeit: jug. Außenhandelsminister


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                              Tätigkeit: Fa. Swarovski, Wattens (Tirol)


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                                Tätigkeit: Gf. Schattbergbahn, Saalbach; SPÖ-Mitglied [1972]


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                                  Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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                                    Tätigkeit: Beamter HM


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                                      Tätigkeit: AEG


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                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


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                                          Tätigkeit: GD BAWAG


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                                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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