Montag, 13. März 1978
Beim Jour-fixe beschwerte sich Sallinger über die Zeitschrift der
Textilarbeitergewerkschaft, Exportangriff, Spesen, Spesen war
die headline. Ich kontrierte sofort mit der Aussendung der
Bundeshandelskammer in einer Radiosendung, wo erklärt wurde,
durch die Zuckerpreisfestsetzung enteigne ich die Zuckerindustrie.
In beiden Fällen stellten wir gemeinsam fest, dass dieser unsachliche
Ton nicht zweckmässig ist. Vom Ministerium hat eine gewisse Dr. Mühl
die Handelskammer angerufen, um über Personenkraftwagen eine Aus-
kunft zu bekommen. Die Handelskammer beabsichtigt darauf nicht zu
antworten – oder wahrscheinlich – wenn sie antwortet, sehr spät.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Sofort feststellen, was hier vorgeht, und wieso
weiss ich nichts davon.
Adlmüller bekommt jetzt ausser den Empfang durch Sallinger in München
die Einkleidung seiner Hostessen und noch das Personal, welches er
in München braucht, von der Handelskammer beigestellt. Damit, glaubt
Sallinger, sind alle Möglichkeiten der Unterstützung der Modevorführung
in München für Adlmüller durchgeführt.
Der Herausgeber der Zeitschrift "Die Bunte" sollte auf meine Inter-
vention den Kommerzialrat-Titel bekommen. Dazu wäre die Handels-
kammer auch bereit. Jetzt hat Kreisky ihm den Professor-Titel ver-
liehen, wodurch die Interkalarfrist von 5 Jahren wirksam wird.
ANMERKUNG FÜR HIRSCH: Bitte kläre den Fall.
Im Aufsichtsrat der Verbundgesellschaft sind die beiden Handels-
kammervertreter Wüster und der ehemalige Staatssekretär Gehart.
Die Handelskammer möchte nun den in Pension befindlichen Gehart
durch Dr. Rief ersetzen. Ich erklärte sofort, dies würde den poli-
tischen Proporz stören. Der Sohn Gehart wird jetzt zwar in den
Aufsichtsrat kommen und Sallinger befürchtete, dass er anstelle
seines Vaters entsandt wird. In diesem Fall hätte die Handels-
kammer auf eines ihrer 2 Mandate – wie sie glaubte – verzichten
müssen. Gehart jun. geht aber auf ein anderes Kontingent. Der
Proporz muss aber im Aufsichtsrat der Verbundgesellschaft gewahrt
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bleiben. Eine Reduzierung des Aufsichtsrates, wie ich dies bei
den anderen Gesellschaften gemacht habe, ist bei der Verbund fast
unmöglich, weil in diesem Fall das Gesetz novelliert werden
müsste.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Frank habe ich informiert, wie lösen wir aber
diese politische Schwierigkeit.
Zum Qualitäts- und Herkunftszeichengesetz wurde Dr. Farnleitner zuge-
zogen. Mussil wollte unbedingt von mir vorweg die Zustimmung,
dass wir auf eine gesetzliche Regelung verzichten, weil die Kom-
petenz ja doch beim Bautenminister liegt. Bei der Aussprache stellte
ich dann fest, dass die Handelskammer durch den Gesetzentwurf eine
Enteignung ihres Qualitätszeichens durch ein Gesetz befürchtet. Jetzt
kann trotz dieses Qualitätszeichens ein guter Teil ausländischer
Ware auch unter dem A verkauft werden. Z.B. hat die Genossenschaft
in Fulpmes in ihren Werkzeugkasten Zangen, Hämmer usw., die sie
importieren. Zum Glück konnte ich der Handelskammer am Kopf zusagen,
dass SChef Schwarz, also sozusagen ihr Vertrauensmann in der Legistik,
auf dem Standpunkt steht, ohne Gesetz lässt sich dies kaum regeln.
Farnleitner, der mit ihm verhandelt hat, gab dies zu, meinte aber,
es müsste eine Lösung geben, ohne dass man österreichische Firmen
schädigt und ihnen Exportmöglichkeiten oder österreichische Absatz-
möglichkeiten vermasselt. Wir einigten uns darauf, dass Farnleitner
mit Wanke direkt verhandeln soll.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND HIRSCH: Wie weit wird das A des Vereins
der Handelskammer tatsächlich enteignet?
Mussil hat grösste Bedenken auf Grund einer Information der Handels-
abteilung Dr. Gleissner, dass ich nach Vietnam und insbesondere
Nordkorea fahre, um die Verträge zu unterzeichnen. Die Nordkoreaner
sind nach seiner Information nicht bereit, den neuen Vertrag über die
Zahlungen ihrer Schulden, nicht einmal die Zinsen, die sie sich jetzt
extra verpflichtet haben zu zahlen, werden eingehalten. Nach Vorschlag
der Handelskammer sollte ich lieber nach Südkorea, in die Philippinen
und Indonesien fahren. Ich erklärte unumwunden, dass ich an einer
Reise nach Fernost weder in dem einen oder anderen Fall interessiert
bin. Angeblich aber die unbedingte Notwendigkeit besteht, um viel-
leicht die grossen Geschäfte Eisenbergs mit ihm nach Österreich zu
bringen, die Vertragsunterzeichnungen notwendig sind.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die Details auch unserer Reise – und
wer eventuell von der Handelskammer mitfährt – von Dir mit Gleissner
und den Hauszuständigen besprechen.
Das Internationale Institut für Berufsausbildung hat die Handels-
kammer – Piskaty fährt – eingeladen und Mussil interveniert bei mir,
dass auch Kinscher fahren sollte.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Jagoda soll entscheiden. Wer fährt vom ÖGB
und AK?
Mussil interveniert, dass jetzt endlich an die österreichischen Berg-
baue, trotz Mangel einer gesetzlichen Regelung, die Bergbauförderung
ausbezahlt wird. Ich erklärte, dies wird durchgeführt, ich hoffe
aber, dass im Nationalrat dann nicht die Opposition womöglich mich
deswegen angreift. Grundsätzlich wurde jetzt entschieden, dass den
Bergbauen so wie in den vergangenen Jahren eine Bergbauhilfe zuer-
kannt wird. Jetzt ist allerdings die Frage, wie lange sie noch auf
das Geld wirklich warten müssen.
ANMERKUNG FÜR HIRSCH: Wie ist der Zeitplan dafür. Durch ein Schrei-
ben möchte ich dies der Handelskammer mitteilen.
Die Novelle zum Preisregelungsgesetz wird genau so wie die allumfas-
sende Preisregelung von der Handelskammer entschieden abgelehnt.
Die Liste, die jetzt auf einige Produkte der Importwaren Gemüse,
Obst usw. beschränkt ist, wird unter gar keinen Umständen einer
Ausdehnung zugestimmt. Bei ortsüblichen Preisen wird beim derzeit
bestehenden Gesetz, wenn die Konkurrenz die Preise senkt, dann von
den Organen festgestellt, dass einer seinen Preis unverändert gelassen
hat und trotzdem wird er bestraft. Dies müsste durch die Novelle be-
seitigt werden. In Salzburg hat die Preisbehörde jetzt Unternehmer
mehr oder minder freiwillig gezwungen, ihre Preise den ortsüblichen
Preisen anzupassen und dies sich noch schriftlich bestätigen lassen.
Die Handelskammer wird dagegen beim Landeshauptmann Haslauer pro-
testieren.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte erkundige Dich, was da los ist.
Auch das Versorgungssicherungsgesetz wird von der Handelskammer
abgelehnt. Ihrer Meinung nach genügt es vollkommen, wenn das Roh-
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stofflenkungsgesetz verlängert wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte versucht zu klären, was die
Industriesektion eventuell bereit ist dem Handelsministerium zuzu-
gestehen.
Mussil wird wegen der Einigung statt 4.5% nach Zugeständnis der
Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund nur 4.4% Erhöhung der Elek-
trizitätspreise noch einmal mit den EVUs reden. Ich erklärte, wenn
eine einvernehmliche Regelung zustande kommt, den 1.4. zu akzeptieren.
Mussil kannte nicht die Details und hatte deshalb dann ein Fern-
schreiben geschickt, wo er mit den 4.4% zwar einverstanden wäre,
die von der AK aber geforderte gleichmässig Aufteilung entschieden
ablehnt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Burian soll versuchen, jetzt auf Grund 4.4%
eine einvernehmliche Lösung – wie immer sie aussieht, ist mir egal –
zu versuchen.
Die Handelskammer intervenierte bei mir wegen der Besetzung der
Wirtschaftlichen Landesverteidigung und tritt – während sie früher
doch für Winterleitner sympathisierte, da sie befürchtete ein
Sozialist könnte die Abteilung bekommen – jetzt für Dr. Preglau ein.
Ich erklärte ihnen, wie ich unter Druck der Personalvertretung nicht
einmal imstande bin, Degischer, der von beiden als tüchtig bezeichnet
wurde, hinzubringen. Die Zumutung, ich müsste ihn entgegen seinem
Willen dort hin mit Bescheid dekretieren, lehnte ich, wie mir die
Handelskammer sagte, zu recht ab. Mussil meinte, dies sind die Folgen
mit der Mitsprache der Betriebsräte in Personalfragen. Die Handels-
kammer in ihrem Bereich lehnt es daher ganz entschieden ab. Nicht
einmal eine Personalpolitik kann ich machen, war der Ausspruch
Mussil's, den ich erklärte unbedingt festzuhalten. Ich bin überzeugt,
ich werde dies im Parlament noch einmal gut gebrauchen können.
Kienzl hat Mussil mitgeteilt, dass wir bei einer Wirtschaftstagung
der Österreichischen Nationalbank in Baden, am 31.5., über Wirt-
schaftsmodelle diskutieren sollen. Mussil wusste nicht, wie wir über
diese Probleme einen Vormittag reden sollten. Ich sagte ihm sofort,
was immer in der Überschrift steht, wir werden den Vormittag gemeinsam
so gestalten, wie wir wollen. Ich stelle mir vor, eine Conférence,
wie wir es früher im Parlament als nur Abgeordnete, insbesondere in
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der ÖVP-Alleinregierungszeit getan haben.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Hat Kienzl diesbezüglich mit uns schon
geredet .
Mit Befriedigung stellt ich gegenüber Sallinger fest, dass mit seiner
Messerede die Handelskammer wieder zu ihrer alten Handelspolitik-
linie zurückgefunden hat. Ich stelle diese Rede im krassen Gegen-
satz zu der Erklärung des Vizepräsidenten der Handelskammer Schön-
bichler bei der Gerngross-Eröffnung dar. Dort hat ein Handelsver-
treter – weil ihm dies von Gleissner aufgesetzt wurde – entgegen
die bisherige Handelspolitik, die mit der Handelskammer gemeinsam
festgelegt wurde, polemisiert. Dort wurde ich als eine Art Neoprotek-
tionist dargestellt. Jetzt hat Sallinger wieder genau die gegenteilige
Politik verlangt, die allerdings im Einklang steht, was wir bis
jetzt gemeinsam beschlossen haben. Sallinger stimmte mir in dieser
Frage zu. Ich erörterte noch einmal, dass ich nicht bereit bin, die
Antidumpinggesetznovelle mit dieser wochenlangen Frist, wonach der
Handel noch immer abgeschlossene Verträge einhaltend Waren im-
portieren könnte, vorlegen werde. Mussil erklärte neuerdings, dass
die Handelskammer dagegen nichts unternehmen wird, da sie aber
einen Präsidialbeschluss hat, kann sie aber davon nicht abgehen.
Ihr Handelsvertreter Lauscher wird deshalb dagegen schärfstens
polemisieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Meisl soll auf Grund dieser Erklärung die end-
gültige Formulierung Gleissner mitteilen.
Im Journalistenfrühstück hat Hönlinger und Steyrer über die BÜRGES
referiert. Die Leistung ist wirklich beachtlich, von von 1,4 Mia
Kreditvolumen 1969 auf fast 5 Mia heuer. Sterk berichtet über die Roh-
stoffsicherung, wo ausser dem Gesetz tatsächlich viel in den nächsten
Jahren an Förderung und Projekten durchgeführt wird. Aeromagnetische
Aufnahmen, mineralische Untersuchung, 57 Projekte vom Bund mit
10 Mio gefördert, Koordinationskomitee in der Steiermark, Kärnten,
Tirol und Burgenland. Erstmals wird das Lagerstättengesetz von
47, das bis jetzt praktisch unwirksam war, aktiviert.
Beim Staatsakt in der Hofburg hat Kreisky zur Erklärung der so-
zialdemokratischen Haltung des Anschlusses nach 1918 wieder auf den
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Versuch Viktor Adler's hingewiesen, mit allen Staaten der Monarchie
als beste Lösung eine Art Wirtschaftsgemeinschaft zu gründen. Erst
als dies entschieden abgelehnt wurde, gab es keine andere Lösung
als den Anschluss an das grosse Wirtschaftsreich, an das demokratische
Deutschland. Kirchschläger hat sehr systematisch – und meiner
Meinung nach – eine seiner besten Reden die Lage dargestellt.
Prof. Kahn aus Amerika, ein österreichischer Emigrant, Sozial-
demokratisch-Liberaler, hat den eindeutig die Entwicklung ge-
schildert, deren Ursache ja doch die Ausschaltung der Demokratie
in Österreich war und auch das Fehlverhalten der Westmächte ange-
prangert. Kreisky hat in der Regierungsvorbesprechung dann noch
ergänzend dazu mitgeteilt, dass nach dem Berliner Abkommen Juni 36
der franz. Aussenminister und engl. Aussenminister Schuschnigg nach
Genf eingeladen haben, um die Lage mit ihm zu besprechen, dieser aber
ablehnte. Damit hat Schuschnigg auch noch aussenpolitisch den Fehler
gemacht, die Westmächte formell aus ihrer Verantwortung zu entlasten.
Bei dem Staatsakt war auch Vizekanzler a.D. Pittermann, den ich
selbstverständlich dann die ganze Zeit betreute, worüber er – und
ganz besonders seine Tochter – sehr erfreut waren. Beim Hinuntergehen
ist Nationalratspräsident Probst zu Pittermann und mir gekommen
und hat sich über die Äusserung Pahr's, der Terroranschlag in Israel
sei die Folge, weil man die Palästinenser israelischer Seite nicht
anerkennt, ungeheuer aufgeregt und empörend geäussert. Probst meinte,
da müsse er den Aussenminister nicht nur korrigieren, sondern wahr-
scheinlich auch öffentlich angreifen. Pittermann meinte sarkastisch,
das sind eben die Folgen, wenn man als Kanzler sich einen Aussen-
minister nimmt, der zu allem ja sagt. Ich konnte dazu nur sagen,
zuerst muss man wissen, was er tatsächlich gesagt hat. Auf Agentur-
meldungen bin ich nicht bereit ein Urteil zu fällen. Von Kuwait
sieht die Lage eben anders aus, als von Wien aus betrachtet. Die
ganze Angelegenheit wird Pahr aber noch sehr viel zu schaffen
machen.
Beim Besuch des tunesischen Ministers bei Bundespräsident Kirchschläger
interessierte sich dieser hauptsächlich über die aussenpolitischen
Beziehungen Tunis. Neu und interessant auch für mich war, dass sich
Tunesien und Libyen jetzt geeinigt hat, wegen des Festlandsockels
den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gemeinsam anzurufen.
Da ich bei der Besprechung nachmittags beim Bundeskanzler nicht an-
wesend sein konnte, verabschiede ich mich von ihm und schickte
gleichzeitig Fälbl zur Besprechung. Man einigte sich dort wegen
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der Kreditgewährung dahingehend, dass bei konkreten Grossimporten
von Anlagen aus Österreich die Kreditfazilität neu verhandelt wird
und Österreich weitgehend entgegenkommen wird. Staatssekr. Nuss-
baumer hat mir dies bei der Ministerratsvorbesprechung auch be-
stätigt.
Die Firma Heraklith bekam das Staatswappen und gleichzeitig eine
befriedigende Auskunft für einen Forschungsförderungsbeitrag.
Die Direktion und Betriebsräte waren, wie sie mir beim Runtergehen
dann versicherten, sehr zufrieden.
Die Eröffnung der ungarisch-technischen Woche nützte ich dazu,
um den anwesenden Handelsministeriumsvertretern, Hillebrandt und
anderen, durch die Blume zu sagen, dass das Ziffernmaterial, welches
ich bei der Ansprache benützte, stimmen müsse, denn es stammt von den
Ungarn. Dass ich vom Haus überhaupt erst auf eine Urgenz und dann
unzulänglich etwas bekomme, ist mehr als typisch. Durch den Wiener
Schmäh, einigen Gags und doch ein handgreifliches solides Material
von Haffner durch die Ungarn erfragt, kam die Eröffnungsrede bei
allen sehr gut an.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: In Hinkunft ist es vielleicht wirklich am
besten, Du beschaffst Dir die wichtigen Daten von den Ausstellern
selbst.
Die Firma Ruthner, Ladenbauer und Vorstandsdirektor Schurk waren
sehr erfreut von mir zu hören, dass ihr Magnesiumoxid-Projekt in
Jordanien Priorität I hat. Schurk hat Ladenbauer, der in Amman er-
klärte, 5% Verzinsung sei ohne weiteres akzeptabel, insoferne
korrigiert, als dies grosse Schwierigkeiten bereitet. Im Rahmen der
Österr. Kontrollbank könnte höchstens die Kommission einen Kredit,
wenn er volkswirtschaftlich förderungswürdig ist, von dieser Höhe
beschliessen. Wieso bei dem Lindl-Projekt die Credex in Deutschland
3% Verbilligung zusagen konnte, ist nicht ganz klar. 2% Verbilligung
bedeutet bei 10 Jahre Laufzeit, 9.8% Preiserhöhung. Für die
feasibility-study haben sie 1,7 Mio Schilling von den Jordaniern
schon erhalten und müssen diese bis Mitte des Jahres abliefern.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND BURIAN: Prüft, wie weit hier tatsächlich
eine finanzielle Sicherung möglich ist.
In der Ministerratsvorbesprechung kam das Verhalten des Landes-
hauptmann Haslauer, der anlässlich der 40-Jahr-Feier den Erlass
nicht weitergab, zur Sprache. Sinowatz sagt, er ist dazu direkt
nicht verpflichtet. Kreisky meint, man wird deshalb Haslauer
auch in anderen Fragen nicht unterstützen.
Die Dienstwagenproblematik wurde neuerdings diskutiert. Von 70
bis 78 wird festgestellt, dass trotz wesentlicher Ausdehnung der
privaten Autos die Dienstwagen eingeschränkt werden. Die ÖVP Wien,
Busek, hat es gerade notwendig, nachdem ihm Berger seinen Dienst-
wagen bezahlte, dieses Problem aufzugreifen. Gratz ersuchte, über
die ganzen Dienstwagen, Bund, Länder, Kammern usw. soll jetzt der
Bundeskanzler alle davon Betroffenen hören, wie sie sich dazu
stellen. Androsch meinte, die ÖVP zahle ihrem Obmann die Differenz
zwischen seinen jetzigen Nationalratsgehalt und seinen ehemaligen
Gehalt als Bankdirektor. Lanner führt seine Kinder mit dem Dienst-
wagen morgens zur Schule. Kreisky meinte, da müsse man aber vorsichtigt vorgehen, denn dann käme sofort wieder die Parteienfinan-
zierung zur Diskussion und dies möchte er auch nicht. Für mich neu,
erklärte Gratz, dass die Siemens 32 Mio Schilling Investitions-
zuschuss bekommen haben.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte kläre, was hier geschehen ist.
Eine lange Debatte war wieder die Frage der Pokale. Kreisky meinte,
wir geben alle die kleinsten und man sollte eventuell bei Berndorf
eine grössere Anzahl bestellen, wodurch sie noch billiger werden
könnten. Für die ASKÖ-Verbände hat der Künstler Hausner Ehrenplaket-
ten entworfen, 2.000 Stück aus Kupfer wurden für 80 Schilling ge-
prägt, die Kreisky jetzt vergibt. Lanc meinte als alter Sportver-
treter, dies ist alles sinnlos, die Leute wünschen Pokale. Kreisky
erinnert an die Linzer Parteiprogrammdiskussion, wo alle daran
teilnehmen sollen. Ich entschuldigte mich sofort, da ich Unteraus-
schuss Atomenergie habe, was Kreisky sofort akzeptierte. Androsch
ersuchte nur, ich sollte ihm entsprechende Unterlagen zur Verfügung
stellen.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Bitte lass sofort eine Zusammenstellung machen.
Für die Zeitschrift Austria today, die das Bundeskanzleramt
mit 2,100.000 Schilling subventioniert, sollen noch 450.000
Schilling aufgebracht werden. Den grössten Teil das Unterrichts-
ministerium, auch an das Handelsministerium wurde appelliert.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Prüfe, wie weit wir dort eine kleine Annonce
aufgeben könnten.
Rösch berichtete, dass Assmann sich bereiterklärt hat, nach Radmer,
wo bis jetzt die VOEST Erz förderte, eine Produktionsstätte zu
legen. Das Bundesheer hat mit ihm einen 5-Jahresvertrag abgeschlossen,
dass sie für 40 Mio Schilling Granaten für diesen Betrieb dort in
Auftrag geben werden. Kreisky hat zugesagt, dass für die 300 Be-
schäftigten am Erzberg, die jetzt in den neuen Betrieb teilweise
übernommen werden, ein ERP-Bergbaukredit gewährt wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Was weiss die Industriesektion davon!
Haiden berichtete, dass im Burgenland die Landwirtschaftskammer-
wahlen für den Arbeitsbauernbund erfolgreich abgeschlossen wurden.
300 Stimmen wurden gewonnen, 1 Mandat dazu, von 25% auf 28% der
Anteil erhöht. Der österreichische Bauernbund verlor 6.400 Stimmen
und ist von 72% auf 69 % zurückgegangen. Die Freiheitlichen bleiben
mit 1.9% uninteressant. Sinowatz, den alle Dank und Anerkennung
aussprachen, meinte, dass 40% der Wahlberechtigten auch Landwirt-
schaftskammer-Wahlberechtigte sind. Dies erklärt den Erfolg des
Arbeitsbauernbundes und die hohe Beteiligung an der Wahl von 78%.
Trotzdem das erste Mal ein grosser Erfolg auch auf dem Landwirtschafts-
kammer-Sektor.
Weissenberg's Anfragebeantwortung wegen Personal, Auskunft an Per-
sonalvertretung usw. kam zur Diskussion. Einstimmig wurde be-
schlossen, die restriktive Linie, wie sie Lausecker seinerzeit schon
als Staatssekretär empfohlen hatte, einzuhalten. Löschnak wurde be-
auftragt, alles zu koordinieren. Die Minister verpflichteten sich
nicht Sonderregelungen, auch wenn sie inoffiziell sind, den Personal-
vertretern zu gewähren. Rösch sagt, dass seine Personalvertretung
behauptet, im Wissenschaftsministerium und Unterrichtsministerium
würden sie die Unterlagen bekommen. Dies wird von Firnberg entschieden
bestritten. Alle Anfragen müssen in Hinkunft mehr koordiniert werden.
Dies gilt ganz besonders auch für die Befragung Weissenberg's bezüglich
der Verstaatlichten Industrie-Unterstützung durch die Arbeits-
marktförderung. Weissenberg wird jetzt die Handelskammer fragen,
welche Betriebe als indirekt verstaatlicht zu bezeichnen sind. Er
ist überzeugt, dafür keine verlässliche Auskunft zu bekommen.
Androsch meint, dass überhaupt eine Definition, was indirekt ver-
staatlicht ist, sehr schwer ist und auf gar keinen Fall das
Sozialministerium dafür kompetent sei. Eine Anfrage wegen der Re-
präsentationskosten wird Kreisky so beantworten, dass er darauf
hinweist, er hätte 3.5 Mio Schilling, NÖ und Tirol jeder Landes-
hauptmann 3 Mio Schilling, dazu noch zusätzliche Verfügungsmittel.
Gratz bekannte sofort, dass er 8 Mio Schilling hat, davon aber un-
zählige Veranstaltungen. So behauptet er, alle 16 Gewerkschaften
müssten von ihm bei Gewerkschaftstagen Jahr für Jahr eingeladen
werden. Dies korrigierte ich sofort dahingehend, dass jeder Gewerk-
schaftstag nur alle 4 Jahre zusammentritt.
Ausserhalb der Tagesordnung ersuchte ich Androsch wegen der Regelung
Bergbauförderungsgesetz dem Kompromiss, dass wir nur die Auf-
suchung unterstützen wollen, zuzustimmen. Androsch wollte sofort
alle meine Unterlagen, die ich ihm auch gab und wird dies umgehend
entscheiden.
ANMERKUNG FÜR HIRSCH: Hoffentlich haben wir von all diesen Unterlagen
eine Kopie.
Mit Kreisky, Leodolter und Lanc besprach ich den Wunsch des ägyp-
tischen Botschafters, die höchste Sicherheit für den Besuch des
ägyptischen Energieministers Sultan. Dieser reist über ein Wochenende
nach Österreich, bevor er nach Bukarest weiterfliegt, um mit mir
die Atommüllagerung zu besprechen. Mein Vorschlag geht dahin, dass
wenn Sultan ein Jäger oder Fischer ist, wir uns an die Mürz, wo
ich einige ausländische Gäste schon hatte, zurückziehen sollten.
Dieses Hotel kann wahrscheinlich am besten bewacht werden. Kreisky
meinte, für die Sicherheit sei die Polizei zuständig und diese hätte
alle Vorkehrungen zu treffen. Lanc erklärte sich sofort bereit, mit
dem ägyptischen Botschafter Kontakt aufzunehmen, wenn der Besuchs-
termin endgültig feststeht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte den endgültigen Termin und Besuchsprogramm
klären.
Leodolter ersuchte mich für eine Kinderschuhaktion, die sich vor
Jahren mit der Schuhindustrie vereinbart hat, Austriapoint,
eine Werbung durchzuführen. Die Schuhindustrie hat sich damals
verpflichtet, ihren Intensionen auf zweckmässige Schuhe für Kinder
nachzukommen. Jetzt bräuchte sie eine gewisse Unterstützung. Ich
habe ihr zugesagt, dass wir im Rahmen der Konsumentenpolitik etwas
unternehmen werden.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte prüfe und veranlasse, dass irgend etwas
deutlich Sichtbares geschieht.
Spät abends hatte ich eine Diskussion mit meinen Söhnen, übrigens
nach langer Zeit wieder einmal anlässlich des 40-jährigen Gedenktages
Österreichs Aufgehen in den Hitler-Staat. Die jungen Leute, die
dies nicht selbst mitgemacht haben, beurteilen dies sehr nüchtern.
Ihre Einstellung zu den Politikern zu dieser Zeit ist, dass soferne
sie Jugendliche waren und bei der HJ mitgemacht haben, Götz, Czettel,
Wagner, Gratz und ich weiss nicht wer sonst noch aller, von ihnen in
jeder Beziehung pardoniert werden. Härter urteilen sie schon bei
Politikern wie z.B. Peter wegen seiner SS-Zugehörigkeit. Kreisky
hat ihrer Meinung nach nur aus opportunistischen Gründen Peter
geschützt, weil er ihn vielleicht einmal als Koalitionspartner
brauchen könnte. Meine Argumentation, dass ein damals verhältnis-
mässig junger Mann später zur Erkenntnis kommen kann, einen fal-
schen Weg eingeschlagen zu haben und deshalb sich zu einem aufrechten
Demokraten gewandelt hätte, wird kaum akzeptiert. Mehr beunruhigt
mich die politische Methode, die z.B. Götz jetzt scheinbar einführt.
Hoffentlich nur, um sich zu profilieren. Während ich noch verstehen
konnte oder zumindestens zu verstehen versuchte, dass er mit dem Aus-
spruch, Kreisky sei "der Papp" ins Hirn gestiegen, seiner emotionellen
Verärgerung zuschrieb, kann ich dies jetzt bei seiner Argumentation
im Profil, die Roten Bonzen usw. nicht mehr tun. Wolfgang meint,
diese jüngere Generation, ob Götz, Androsch oder auch andere, seien
reine Technokraten, die Politik unter ganz anderen Gesichtspunkten
betreiben als wir Alten. Vielleicht hat er damit gar nicht so un-
recht. Übereinstimmend aber stellten wir fest, dass es für Österreich
die beste Lösung ist, wie wir unsere jetzige Demokratie führen und
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errichtet haben. Ich erklärte ihnen, dass es mein Jugendtraum
gewesen ist, als wir die schwere Zeit nach 1934 und eigentlich
schon vorher die wirtschaftliche Schwierigkeit mitgemacht haben,
in Österreich politische Zustände, wie sie die Schweiz hatte, zu
schaffen. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich bis zum Jahre
45 von nichts anderem träumte, als Schweizer Verhältnisse erleben
zu können. Zu meiner grössten Verwunderung konnte ich mit Befriedi-
gung feststellen, dass auch dies von den jungen Menschen restlos
anerkannt wird. Wie weit also eine neue Politikergeneration dies
wird ausbauen oder zumindestens wenigstens halten wird können,
möchte ich nicht entscheiden müssen. Wohl aber hoffe ich, dass es
auch den Technokraten gelingen möge, ohne ihre persönlich
schlechten Erfahrung, die wir machen mussten, den richtigen Weg in
dieser Frage zu gehen.
Tagesprogramm, 13.3.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
TB Dr. Wais, 13.3.1978
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