Dienstag, 14. März 1978
In der Fraktion des Unterausschusses für Kernkraft wurde von
Abg. Wille mit Recht kritisiert, dass keine einheitliche Linie
festzustellen ist. Soll jetzt das Parlament entscheiden oder
soll, wie Kreisky angeblich in einem Zeitungsinterview sagte,
fünf Experten der Regierung bestätigen, dass die Sicherheit
gewährleistet wird und diese würde die Inbetriebnahme des Kernkraft-
werkes gestatten. Klubobmann Fischer erklärt, warum er, auf
eine diesbezügliche Frage angesprochen, diese herunterspielte und
meinte, ja selbstverständlich würde, sollte die ÖVP sich zu nichts
entschliessen, die Regierungspartei mit der Regierung entsprechende
Überlegungen anstellen müssen. Nötig wäre jetzt, wo wurde einver-
nehmlich festlegt, in einem Klub einmal ausführlicher über
die Taktik und weitere Vorgangsweise in der Kernenergiefrage zu spre-
chen. Wille meinte auch, ich müsste als Regierungsmitglied mit
Kreisky klären, warum er einmal so und einmal anders entscheidet.
Da ich nicht das Ohr Kreiskys habe, er mich auch darüber überhaupt
nie gefragt hat, sehe ich keine Möglichkeit. Für mich ist die
Vorgangsweise seit eh und je klar: Wir müssen trachten, zu einem
Entschliessungsantrag zu kommen, wo irgendeine Aussage über Zwenten-
dorf beinhaltet ist und dem die ÖVP noch zustimmt. Der Regierungs-
bericht soll von mir aus weiter dann im Unterausschuss diskutiert
werden, bis zum Ende der Legislaturperiode auf alle Fälle drinnen-
bleiben und gar nicht erst ins Haus zur Abstimmung gelangen. Da wir
für diesen Entschliessungsantrag auf alle Fälle aber ausser dem
Antrag von König einen im Handelsausschuss brauchen, entschlossen
wir uns, die Regierung aufzufordern, über die Verhandlungen mit
den Ländern auf Grund des § 15 a der Verfassung wegen Energie-
sparen zu fragen.
Im Unterausschuss gab es wieder den Streit zwischen den Wissen-
schaftlern mit sicherlich einigen interessanten Details. Abg.
Wiesinger fragte mich, so über den Tisch, wann habilitieren sie
eigentlich, in der Meinung, ich kenne alle diese Probleme.
Während es bei der Geologie und der Seismik für uns ganz gut ge-
laufen ist, was es bei der Hydrologie wesentlich schlechter.
Wiesinger beantragte dann allerdings, nachdem wir die Experten
nach dreieinhalb Stunden dann endgültig entlassen hatten, dass
in Hinkunft auch Frau Minister Leodolter anwesend sein muss, denn
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er wolle nicht die Beamten ständig fragen, malträtieren
sagte er sogar, die politische Verantwortung trägt der Minister
und der muss her. Zwei Tage Expertenstreit konnte ich wenigstens
von Leodolter abwenden. Da GKT-Vertreter besser als die Beamten
des Gesundheitsministeriums die Details kennen, habe ich versucht,
auch diese ständig zum Unterausschuss zu laden. Abg. Scrinzi
hat dies ganz entschieden abgelehnt und meinte, sein Vorschlag
war seit eh und je, dass der Unterausschuss des Handelsausschusses
mit auch Gesundheitsausschuss-Mitglieder, also ein gemeinsamer
Ausschuss besetzt werden soll. Dies hätte man im Präsidium ab-
gelehnt und er möchte die GKT-Leute auch nur einmal als Experten
hören, sonst aber möchte er eine unabhängige Befragung der Experten
fragen und keine Konfrontation zwischen Kernkraftwerksanhängern,
GKT-Vertretern und den noch zu ladenden Experten. Wenn wir nicht den
Prof. Grümm auf unserer Seite als ständigen Experten nominiert
hätten, wäre dies eine katastrophale Situation
Im Ministerrat fragte Kreisky, wer im Profil der abgebildete Mon-
teur mit den Hakenkreuzen auf seinem Helm ist. Wenn die Leute
dies sehen, müssen sie sofort an der Zuverlässigkeit der Mann-
schaft dort zweifeln und erklären, wenn Narren dort beschäftigt
sind, könne die Sicherheit nicht gewährleistet sein.
Lanc hatte nämlich einen Polizeibericht, dass auf der anderen
Seite des Helmes wieder antinazistische Bemerkungen waren.
Die GKT schickte mir einen Bericht, dass der Monteur von der
Rohrbau als einem Subunternehmer war, schon von der Baustelle
entfernt ist und dass aber 1.000 Beschäftigte bei der Errichtung
des Werkes nicht alle polizeilich einwandfrei überprüft werden
können, was die Polizei macht, ist im Leumundszeugnis nachschauen.
Kreisky war sicherlich überrascht von mir nachmittags sofort den
Bericht zu bekommen und meinte nur, ob die Rohrbau indirekt
verstaatlicht ist oder ob irgendwelche Beziehungen zu verstaatlich-
ten Unternehmungen bestehen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass dies feststellen.
Wieder kam das Autoproblem zur Sprache, 1969 waren bei 1 Mill. PKW
567 Dienstkraftwaren davon 104 in der Zentralverwaltung.
Derzeit sind bei 2 Mill., also doppelt sovielen PKW nur 413, das
sind um 28,4 % weniger, und 93 in der Zentralverwaltung incl. von
8 Dienstfahrzeugen für die Landeshauptleute.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Kläre bei Löschnak, wieso nicht neun!
Das Finanzministerium will dem Südost-Institut-Leiter Dr. Lefzik
zwei Aufträge mit 600.000 S geben. Sekt.Chef Weiss hat dies dem
Dr. Gehart zugesagt. Man erwartet, dass das Handelsministerium
der Projektträger sein soll, die 1,2 Mill. werden in einem BÜG
zusätzlich zur Verfügung gestellt. Ich ersuchte Lefzik, er sollte
sich mit den Sekt.Chefs Meisl und Wanke ins Einvernehmen setzen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Marhold muss vorher aktenmässig die finan-
zielle Abdeckung mit dem Finanzministerium sichern.
Sinowatz und Androsch und ich besprachen die weitere Vorgangs-
weise wegen der Filmförderung. Ich schlug vor, Sinowatz soll
die finanziellen Fonds verwalten und beistellen, ich könnte mir
vorstellen, dass man über die Wien-Film einen Sachbeitrag
leistet, der, wenn gar nicht anders, durch das Handelsministerium
verwaltet wäre. Androsch war ungeheuer grosszügig und meinte,
er könne sich vorstellen, dass die finanziellen Mittel für
Sinowatz auf 30 Mill. S Filmförderung aufgestockt werden,
aber auch das Handelsministerium einen gleich hohen Betrag für
einen rollierenden Fonds bekommen müsse. Dazu würde er noch
60 Mill. S Sachleistung durch die Wien-Film zur Verfügung stellen.
Wir einigten uns darauf, dass Androsch jetzt zu einer Besprechung
der Minister einladen wird. Genau, was ich nicht wollte, sehe ich
jetzt auf mich zukommen, doch ein Fonds im Handelsministerium,
doch eine weitere Verwaltungsaufgabe.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wer und wie soll dieses Geld dann verwalten?
Beim Betriebsbesuch der Fa. Bender appellierte ich indirekt an den
deutschen Besitzer, dass er neben der verhältnismässig schon
nach Österreich gegebenen Forschung auch weitere Produktionen
hereinlegt. Der Vorstand wird es den Kapitalbesitzern klarmachen,
ersuchte mich aber, bei der nächstens in Wien stattfindenden
Vorständebesprechung aller Zweigunternehmungen und des Stammhauses
eventuell einen Kurzbesuch abzustatten. Dafür würde es zweckmässig
sein, auf Grund der Ansprache des Generaldirektors und unserer
Kenntnisse der pharmazeutischen Probleme, die entsprechenden
österreichischen Wünsche klarzumachen.
ANMERKUNG FÜR HIRSCH: Termin vereinbaren und Unterlagen bereitstellen
lassen.
Bei der österr.-bulgarischen Gesellschaft, Vorsitzender Blecha,
teilte mir dieser mit, dass über die Vidierung LKW-Steuer,
Kompensation, Textilkontingent und die mangelnde technisch-
wissenschaftliche Kooperation der Firmen kritisiert hatte.
Unerklärlich ist mir, dass angeblich der Handelsdelegierte
Schmidt aus Sofia sofort bei der Vidierung selbst von einer
Diskriminierung gesprochen hat. Ich erklärte einmal mehr, dass
es sich hier nur um eine statistische Erfassung handelt und
Bulgarien von keinem anderen europäischen Staat so liberal be-
handelt wird wie von uns. Der Vorsitzende der bulgarischen Seite,
Handelskammerpräsident Penkow, meinte auch dann, er dankt dem
Minister für das Verständnis.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass klären, wieso Schmidt eine so unver-
ständliche, gegen Österreichs Interessen gerichtete Haltung einneh-
men konnte.
In der ÖGB-Fraktion hat Stadtrat Nekula über die Verkehrssituation
berichtet. Da dann noch Zeit war, haben Sekanina und Benya mich auf-
gefordert, ebenfalls einen Bericht zu geben. Ich nützte die Ge-
legenheit und berichtete über den Energiesicherungs-Gesetzentwurf.
Da ich gehört habe, dass die AK, und dies zurecht, fürchtet, dass
durch diesen Gesetzentwurf das Streikrecht der Arbeiter indirekt
einmal in Frage gestellt werden könnte, erklärte ich sofort, dass
ich von der Handelskammer sowieso keine Zustimmung erwarte. Die
Bedenken der Arbeiterkammer bestehen zurecht und ich werde diese
selbstverständlich berücksichtigen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte aufs nächste Jour fixe AK-ÖGB
setzen und prüfen, wie es zu dieser Formulierung kommen konnte.
Die Strompreiserhöhung wurde von mir mit dem geeinigten Satz von
4,4 % beginnend am 1. April mitgeteilt und mit der Bemerkung Benyas,
"Muss es unbedingt der 1. April sein?", zur Kenntnis genommen.
Eine lange Debatte war eben wieder die Kernkraftwerksverhandlung,
die Einladung der 25 noch Atomgegnergruppen ins Parlament und
vor allem einmal die Erklärung Kreiskys, von der Benya meinte,
er hätte dafür keine Erklärung. Hätte die Regierung immer so
gesprochen, d.h. entschieden, dann wäre der ganze Rummel schon
längst vorüber. Ströer berichtet allerdings, dass im Mittagsjournal
Kreisky ausdrücklich erklärte, die Regierung wird er nach Ent-
scheidung des NR ihre Beschlüsse fassen. Kienzl meinte, das furcht-
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bare sei, dass immer wieder Ignoranten diskutieren wie im Morgen-
journal hätte der Reporter von einem exportierenden Kernkraftwerk
gesprochen und Stadtrat Schieder hätte vollkommen unzulänglich
darauf reagiert. Benya bemerkte, dass die Gemeindeverwaltung,
Gratz, aber insbesondere Schieder, was ich auch bei meinem Besuch
mit beiden bei der Ölbohrungsstelle Laaer Berg feststellen konnte,
immer mehr vom Umweltschutz und immer weniger von Industrie-
politik sich beeinflussen lassen. Diese Entwicklung sei äusserst
gefährlich. Benya gab mir hundertprozentig recht und Rückendeckung,
dass wir dieser Tendenz weder beim Kernkraftwerk noch bei sonstiger
Industriepolitik nachgeben dürften und sollten.
Der ganze Vorstand der Industriellenvereinigung hat bei der
Aussprache mit Kreisky, Androsch, Nussbaumer und mir seine
alte Litanei angeschnitten. Die Einkommenspolitik wurde von dem
Lohnverhandler für die Metallindustrie Gerbetz als noch immer
überhöht und insbesondere die Sozialbelastung, die jetzt beab-
sichtigt ist, stark kritisiert. Die Abfertigung der Arbeiter den
Angestellten anzugleichen, das Sonntagsruhegesetz-Entwurf usw.
sei für sie untragbar. Kreisky meinte, die Regierung wird den Zeit-
punkt noch bestimmen, worauf sie alle die Hoffnung hatten, dass
Kreisky jetzt die Sozialoffensive Weissenberg, wie sie es bezeichnen,
stoppt. Igler meinte, die Zinspolitik, die Wechselkurspolitik
müsse zu wesentlich Reduktionen führen. Die Frage, was jetzt mit
der Industrieförderung von 10 Mia S geschehe, würde auch erwähnt,
Kreisky meint, jetzt hätte man sich geeinigt, 50 % sei das Minimum,
welches der ERP-Fonds zuschiessen würde, für ein halbes Jahr
bräuchte er dafür 300 bis 450 Mill. S und der Zinssatz soll
subventioniert auf den ERP-Zinssatz für 5 Jahre erden . Androsch
meinte, die Österr. Kontrollbank müsse versuchen, den Kapitalzins
zu senken, denn der Realzins sei jetzt dem Taggeld-Zins gleich.
Die Österr. Kontrollbank hätte mit der Offenmarkt-Politik
die Möglichkeit, den plafondierten Kredit zu verbilligten Zinsen
zu rediskontieren. Organisatorisch sei es notwendig, dass die
Investitionskredit entsprechend verstärkt wird, denn die Banken
als Mütter der Investitionskredite würden kein Interesse daran haben,
dass dort tatsächlich die notwendige gesamtwirtschaftlich richtige
Investitionspolitik betrieben wird. Die Mütter sehen ihr
eigenes Geschäft und sonst nichts und hemmen eigentlich die Inve-
stitionskredit AG. Die Bundesbeteiligung müsse nicht in Form
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des Finanzministeriums, wohl aber mindestens durch die Post-
sparkasse erfolgen, auch die Z und die Erste sollen eingebaut
werden. Die Banken haben eben nur ein Sicherheitsdenken, Grund und
Boden sei ihnen als Sicherheit das Wichtigste und nicht ein
dynamisches oder Cash-flow entscheiden sollte. Da ich diese Litanei
wirklich kenne und weiss, dass dabei überhaupt nichts herauskommt,
hatte ich mich entschlossen, nachdem die Verkehrsbüro-Eröffnung
zu erfolgen hätte, dann doch dorthin zu gehen. Androsch war
darüber sehr froh, denn wer hätte sollen die Eröffnung vornehmen,
seine Leute haben aber vergessen, ihm den Termin mitzuteilen.
Das Verkehrsbüro hat im Heinrichshof ein sehr exotisches Gassen-
lokal für den Kundendienst errichtet. Zum alten Verkehrsbüro
kann man jetzt noch durch die starke Verkehrsregelung rundherum
kaum kommen. Darüber hinaus ist es zu klein und wird in Hinkunft
nur mehr die Verwaltung beherbergen. Bei dieser Eröffnung traf ich
auch die Vertreter der Wiener und nö. Gebietskrankenkasse. Diese
erklärten mir, dass sie Betten für 60 Psoriasis-Kranke an der
israelischen Seite des Toten Meeres derzeit unter Vertrag haben.
Sie könnten sich vorstellen, wenn die jordanische Seite eben-
falls ein solches Zentrum baut, nach entsprechenden Verhandlungen
eventuell auch dorthin Kranke zu schicken. Ich ersuchte sie, sich
mit dem Arch. Lintl, der das Projekt betreibt, ins Einvernehmen
zu setzen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Lintl verständigen.
Im Präsidium auf der Landstrasse besprachen wir einmal durch
mehrere Stunden hindurch unsere Wahlkampftaktik und Aktivitäten.
In einem Punkt gab es eine harte Diskussion. Bei der Aufstellung
der Kandidatenliste hatten wir uns im Präsidium einstimmig, ohne
allzu lange Diskussion auch für unsere Sekretärin Mauritz als
Bezirksrätin entschieden. Heindl teilte dann noch mit, dass auch
im Vorstand darüber einstimmiger Beschluss zustande kam. In der
Sektionsleitersitzung ist dann Bezirksvorsteher Berger auf Grund
einer fraktionellen Vorbesprechung der Bezirksräte dort total
umgefallen. Mit aller Entschiedenheit erklärten alle anderen
Präsidiumsmitglieder, dass wir uns eine solche Vorgangsweise nicht
leisten können. Meine Einstellung ist seit eh und je, dass wenn ein
Beschluss gefasst wird, man diesen Beschluss bis zum letzten ver-
treten muss. Wenn dies nicht mehr möglich ist, dann muss man
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in das Gremium, welches den Beschluss gefasst hat, zurück, um dort
eine neue Taktik zu besprechen. Wenn in den kleinen Führungs-
gremien dies nicht mehr hält, dann kann man die Führung eines
Bezirkes gleich aufgeben. Die Erfahrung, die ich jetzt durch
einige Jahrzehnte gemacht habe, also fast sagen kann, meine
Lebenserfahrung geht dahin, dass die Leitung immer genau wissen
muss, was sie will, dies dann auch stets vertreten muss und
keiner an Beschlüssen, die gegen diese Ziele gerichtet sind,
dann teilhaben darf. Ein Präsidium, das sich nicht durchsetzt,
kann früher oder später damit rechnen, nicht mehr ernst genommen
zu werden. Wenn es eine Streitfrage gibt, muss man zeitgerecht
davon informiert werden, muss zeitgerecht darüber diskutieren
und muss aber dann, wenn ein Beschluss gefasst wird, auch tatsächlich
zu diesem stehen. Selbst in einer Demokratie, ja vielleicht
gerade in dieser erwartet jedermann Disziplin und in Wirklichkeit
eine entschlossene Führung. Zaghaftes Hin und Her, Unentschlossen-
heit führt früher oder später zur Niederlage.
Tagesprogramm, 14.3.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 110. Ministerratssitzung, 14.3.1978