Donnerstag, 23. November bis Sonntag 26. November 1978
Die EFTA-Tagung in Genf auf Ministerebene war eine Routinesitzung
wie alle anderen auch. Ich kann mich nicht durchsetzen, dass nur
einmal im Jahr diese Minister-EFTA-Tagung stattfindet und vor allem
in einem Tag erledigt ist. Die Tagesordnung wird schrecklich lang-
wierig gezogen, nur damit man wenigstens bis Freitag mittags etwas
zu besprechen hat. Auch die informelle Zusammenkunft hat sich jetzt
institutionalisiert. Ursprünglich hatte ich, als ich dies entrierte,
beabsichtigt, man sollte sich formlos zusammensetzen, ohne dass es zu
einer Übersetzung, Protokoll usw. weiter kommen sollte. Einige Male
wurde dies auch gemacht, indem man ein gemeinsames Frühstück ein-
genommen hat und dabei eben informelle Gespräche geführt hat. Jetzt
geschieht alles im Rahmen und in der Organisation im EFTA-Gebäude
und ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine zweite normale
Sitzung. Meistens werden sogar die Gegenstände im informellen be-
sprochen und dann genauso im formellen Teil.
Bei der jetzigen Tagung war der einzig interessante Punkt der Ab-
schluss mit Spanien. Dabei musste ich dann im Laufe der Zeit fest-
stellen, dass Österreich eigentlich auf der einen Seite ganz gut abge-
schnitten hat, bei Schokolade dagegen ausgesprochen benachteiligt
wird. Bei den bilateralen Verhandlungen über den Agrarbereich wurden
für die wichtigsten Produkte der Spanier, wie z.B. Südfrüchte, eine
Zollbindung angeboten und dafür auch entsprechende Gegenkonzession
erzielt. Im weiteren Verlauf dann mit anderen Staaten war insbesondere
Finnland daran interessiert, den Schokoladeexport nach Spanien auf-
recht zu erhalten und verlangte deshalb eine gewisse Senkung der festen
Teilbeträge, im Klartext eine Zollsenkung. Schweden erhielt diese
Konzession dann ebenfalls, angeblich sogar nur dadurch, dass sie sich
bereit erklärt haben, für den bilateralen Teil einen spanischen Text
als authentisch zuzulassen. Österreich hat bei seinen Verhandlungen
auf diese Frage Schokolade nicht entsprechend hart reagiert und wir
hätten jetzt als einziger Staat, nachdem auch alle anderen diese Sen-
kung erreichten, den höchsten Zollsatz zu bezahlen. Botschafter
Nettel, der die Verhandlungen führte, hatte ausdrücklich sowohl den
MR Reisch vom Landwirtschaftsministerium als auch den Vertreter der
Handelskammer Dr. Schwarz gefragt, ob alles jetzt unter Dach und
Fach sei und für alle akzeptabel ist. Dies wurde ihm bejaht. Jetzt
sind alle sehr betropetzt . Ich selbst erklärte sofort, hier müsste
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man neue Schritte unternehmen. Gegebenenfalls, drohte ich, würde
ich mich im Ministerrat gegen den Abschluss querlegen. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass wir diese Situation akzeptieren, wo ge-
nau nur unsere Süsswarenindustrie benachteiligt ist. Bei einer Vor-
besprechung riefen wir sofort den Österreichischen Botschafter
in Madrid an und beauftragten ihn, er sollte bei der spanischen
Regierung intervenieren. Ich selbst erklärte, würde mir sofort den
spanischen Botschafter in Wien kommen lassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die Unterlagen von Steiger verschaffen
und dann den Botschafter noch diese Woche vorladen.
Mit Bundesrat Honegger besprach ich die Möglichkeit Weizen aus
Österreich nach der Schweiz zu exportieren. Die Schweizer kaufen
bis zu 400.000 Tonnen Qualitätsweizen aus Kanada. Sie waren sehr
erstaunt von uns zu erfahren, dass Österreich auch eine solche
Qualität liefern kann. Exporteur Fritz Mauthner hat mich bei meiner
Abreise informiert, dass jetzt die Landwirtschaftskammer, Dr. Slezak
eine Probe nach der Schweiz nimmt, Slezak habe ich in Genf getrof-
fen. Er hat wirklich eine grössere Menge hinübergeschmuggelt und
sie bei der eidgenössischen Getreideverwaltung abgegeben. Ich ver-
suchte den Schweizern Honegger, Staatssekretär Jolles und den dafür
zuständigen Beamten Sommaruga klarzumachen, welche handelspolitischen
Vorteile es für die Schweiz bringt, wenn sie bei uns das Getreide
kaufen. Auch neutralitätspolitische Gesichtspunkte würden hier eine
grosse Rolle spielen. Besser beim Nachbarn langfristige Verträge
zu haben als aus Kanada im Kriegsfall vielleicht nichts zu bekommen.
Die Schweizer werden es sich genau überlegen.
Ein weiteres Problem ist, dass die Schweizer die Tara, d.h. die
Verpackung, zur Abschöpfung gewichtsmässig heranziehen. Dadurch
wurden unsere Keksimporte von Walde, Innsbruck, in die Schweiz un-
möglich. Ein diesbezüglicher Wunsch wurde von Honegger sofort zur
Kenntnis genommen. Man solle dies prüfen, war seine Meinung. Sein
Beamter Sommaruga hatte dagegen sofort wieder die Schweizer Forderung,
man müsse jetzt doch noch einmal prüfen, ob die Ursprungszeugnisse
bez. Stärkeeinfuhr aus der Schweiz wirklich so streng gehandhabt
werden müssen. Da die Schweiz keine eigene Stärkeerzeugung hat,
wurden Exporte der Schweiz, die eigentlich Stärke aus den Oststaaten
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oder Weststaaten beinhaltet, bis vor kurzem in Österreich akzep-
tiert, jetzt aber zurückgewiesen. Die alte Schweizer Taktik, wenn
man uns ein klein wenig entgegenkommt, verlangt man sofort Gegen-
leistung.
Das Aussenministerium, insbesondere Aussenminister Pahr selbst
ersucht mich, ich sollte bei der UNCTAD-Sitzung über die Er-
richtung des Rohstoffonds teilnehmen. Botschafter Nettel hat mir
bei der Ankunft dringst davon abgeraten. Angesehen davon, dass
ich mich dann doch etliche Stunden von der zwar faden und nichts
Neues bringenden formellen Sitzung der EFTA hätte entschuldigen müs-
sen, meinte er, man erwartet, wenn ein europäischer Minister kommt,
dass dieser sofort entsprechende Zusagen macht. Dies würde dem
Verhandlungsverlauf nur abträglich sein und vor allem die Position
Österreichs nicht stärken, sondern sein Ansehen schwächen, da ich
natürlich keinerlei Zusagen hätte machen können. Die EFTA-Staaten
hatten sich deshalb vorgenommen, u.zw. auf Vorschlag des finnischen
Vorsitzenden, ein gemeinsames Essen mit den Entwicklungsländer-Ministern
abzuhalten. Wie sich dann sehr bald herausstellte, waren ganz wenige
Entwicklungsminister nur anwesend und noch weniger bereit zu diesem
Essen zu kommen. Die Meinung Nettels war daher, auch dort sollte ich
gar nicht teilnehmen. In Hinkunft weiss ich, dass man sich weniger
auf die Informationen in Wien verlassen soll, sondern doch mehr
direkten Kontakt mit den Betroffenen aufnehmen müsste.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Das nächste Mal bitte gleich mit Genf per-
sönlich sprechen.
Ein wichtiger Punkt bei der formellen Sitzung dann war die gemeinsame
Beratungen zwischen dem Konsultativkomitee und den Ministern. Der
norwegische Kollege Bakke verlangte im Auftrag seiner Gewerkschafts-
bewegung, dass in Hinkunft ein stärkerer Kontakt stattfinden sollte.
Man dachte allen Ernstes daran eigene Tagungen wie seinerzeit in
Stockholm zu organisieren. Dies konnte ich verhindern. Letzten Endes
haben dann sogar die Schweizer zugestimmt, die vor allem die Interessens-
vertretungen ausschalten wollen und reine Ministergespräche immer
auf Staatsebene führen möchten, dass vor der nächsten EFTA-Tagung auf
Ministerebene in Bodø/Norw. die Konsultativmitglieder zu einem Ge-
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spräch dort hin eingeladen werden. Die Schweizer haben dann in
der offiziellen Sitzung nach wirklich langen und internen Bera-
tungen und Verhandlungen mit den Norwegern einer solchen Lösung
zugestimmt, in ihrem Papier mich namentlich genannt und diesen
Vorschlag als einzig möglichen und guten hingestellt. Sarkastisch
und zynisch sagte ich zu unseren österreichischen Delegations-
mitgliedern, das gibt mir jetzt ein grosses Erfolgserlebnis inner-
halb der EFTA mit dieser Frage doch durchgedrungen zu sein. Die
nächste Sitzung wird also nicht in Genf abgehalten, sondern in Nor-
wegen, was die Norweger schon längere Zeit forderten. Ich bin zwar
überzeugt, dass es landschaftlich eine Abwechslung ist, nicht in
Genf oder Oslo, sondern da oben im Norden zu tagen, an dem Sitzungs-
verlauf und vor allem aber an der Art und Weise der gesamten EFTA-
Abwicklung wird sich nichts ändern: Empfang am Vorabend, dann in-
formelle Sitzung, dann formelle Sitzung, dann das berühmte Abend-
essen mit Tanz und Trinken oft bis 3 Uhr früh. Ich werde sicherlich
genau wie in der Schweiz um 10 Uhr nach Hause gehen. Am nächsten
Tag dann weitere Fortsetzung mit Kommunique und schliesslich dann
Abflug. Dort allerdings wird dann noch die Möglichkeit sein, die
Wünsche des Konsultativkomitees anzuhören resp. vielleicht sogar
zu diskutieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte auf nächstes Jour-fixe AK setzen.
Da ich mir das Essen mit den Entwicklungsländern ersparen konnte,
war es möglich den Jour-fixe mit AK und ÖGB doch noch durchzuführen.
Dr. Kienzl, GD der Nationalbank, berichtete, dass die Leistungsbilanz
jetzt garantiert im heurigen Jahr höchsten 10 Mia Schilling gegen-
über 29 Mia im Vorjahr betragen wird. Auch bei einer Ölpreisstei-
gerung von 7% und sonstigen teils restriktiven, teils steigenden
Preisen wird es notwendig sein, im nächsten Jahr grössere Anstrengun-
gen zu unternehmen, um das Handelsbilanzdefizit und dann vor allem
auch das Leistungsfinanzdefizit noch weiter runterzubringen. Immer-
hin hatten wir bis zum Jahre 1973 10 Mia Schilling verdiente Währungs-
reserven gehabt, nach dem Ölschock hat sich dann unsere Situation
wesentlich verschlechtert und derzeit haben wir zwar 56 Mia Schilling
Währungsreserven, doch, wie Kienzl sich ausdrückt, geliehene. Nach
Meinung aller werden im nächsten Jahr die Lebenshaltungskosten bei
3%, vielleicht sogar noch darunter sinken. Trifft dies zu, dann
würden wir wahrscheinlich eine wirkliche stabile Wirtschaft in
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einem Ausmass haben, wie ich es nie erwartete und wie es im Grunde
genommen auch meiner Konzeption widerspricht. Die Wechselkursänderung
der vergangenen 14 Monate wurde ungefähr 4% abgewertet, hat daher für
den Export keine grosse Entlastung gebracht. Auch in Hinkunft will
die Nationalbank die DM mit 7.33 Schilling-Kurz fixieren. Wenn es
bei dieser Stabilitätsphase bleibt, sehe ich für viele Exportbe-
triebe, wenn es zu keiner weiteren Abwertung kommt, bei den doch
immerhin sehr schlechten Weltmarktpreisen, um ihre Ertragslage sehr
kritisch.
Die Existenzgründungsaktion wird jetzt ausgeweitet, wogegen die
Arbeiterkammer wegen der Beherbergungsgewerbeeinbeziehung grosse
Bedenken hat. Es ist zwar in der Richtlinie vorgesehen, dass es
ohne Bettenvermehrung geschehen soll und vor allem diese nur
in strukturgefährdeten Gebieten akzeptiert werden, doch glaubt die
Arbeiterkammer nicht daran. Sie kann sich nicht vorstellen, dass
Betriebe gegründet werden, ohne dass es zu einer Bettenvermehrung
kommt. Die Übernahme wird ja von der Arbeiterkammer im Prinzip ab-
gelehnt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte diese Frage noch einmal genau prüfen.
Bezüglich der Gaspreise, RAG, erkläre ich der Arbeiterkammer, dass
die Chemie Linz, aber auch die anderen grossen Betriebe die bereits
sich über den Arbeitspreis von 92 Groschen plus 10 Groschen resp.
7.5 Groschen Leistungspreis geeinigt haben, jetzt, nachdem wir neuer-
dings die Frage auf Wunsch der Arbeiterkammer aufgeworfen haben,
grosse Bedenken haben, die entsprechenden Gasmengen zu bekommen. Die
Arbeiterkammer bleibt nach wie vor auf ihrem Standpunkt, ich dürfe
nur 92 Groschen den Arbeitspreis fixieren. Die Gefahr, dass dann eine
geringere Versorgung eintritt, sieht die Arbeiterkammer nicht oder, wie
ich besser ausdrücken möchte, will sie nicht sehen. Wenn die RAG
nicht jetzt bei den Verhandlungen mit Vizepräsident Seidl von der
Handelskammer als Vermittler Zugeständnisse macht, bin ich gerne bereit
gegebenenfalls wirklich nur den Arbeitspreis mit 92 Groschen fest-
zusetzen, wenn mir die Arbeiterkammer schriftlich versichert, dass
sie die Drohung, dann würde die Versorgung der Grossbetriebe nicht
100%ig klappen, als irrelevant bezeichnet und auf den 92 Groschen
Arbeitspreis allein besteht.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte besprich dieses Schreiben mit
Zöllner.
Die Handelskammer lehnt den Codex für die Multinationalen, den
die OECD verlangt und deshalb entsprechende Informationen wünscht,
ab. Die Handelskammer ist nicht bereit, ihren Mitgliedern zu em-
pfehlen, die Auskünfte zu geben. Da dies eine Forderung ist, die
wir früher oder später im Handelsministerium besprechen müssen,
wird Wanke beauftragt, er soll mit den einzelnen Multinationalen
Kontakt durchführen.
Die Vöslauer mit 140 Mio Schilling Staatsgarantie jetzt neuer-
dings zu sanieren, wird nur durch eine Lex Vöslau geregelt werden
können. Eine Novelle des FGG kommt nicht in Frage.
Der Rapsanbau soll im nächsten Jahr vergrössert werden, damit die
Bauern einigermassen befriedigt sind. Bezüglich der Mittel wird die
Unilever, aber auch die anderen Ölfirmen ca um 6 Mio Schilling mehr
aufbringen müssen. Damit ist die Arbeiterkammer und der ÖGB einver-
standen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die Verhandlungen unverzüglich ein-
leiten.
Am Sonntag hatte ich Gelegenheit mit dem Branddirektor von Wien
und dem Ortskommandanten der Feuerwehr von Weidlingbach über die
Flüssigkeitstransporte zu sprechen. Ich bin dafür nicht zuständig,
doch erklärte ich mich bereit, soweit es die Kompetenz von Flüssigkeitstankstellen betrifft, SChef Jagoda mit dem Branddirektor zusam-
menzubringen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Jagoda und mir eine Besprechung
vereinbaren.