Gesamtsitzung am 20. Dezember 1855
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A 96.
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.
Protokoll
der Gesammtsitzung am 20. Dezember 1855.
Anwesend: SeineSne Excellenz der Präsident FreiherrFreih. von Baumgartner
Der missions-ant
-Präsident von Karajan
Der Generalsecretär Schrötter.
Der zweite Secretär Wolf
Die wirklichen Mitglieder
Zippe
Partsch, Stampfer
von Ettingshausen
Chmel
Kreil
Unger
Jäger
Redtenbacher
Hyrtl
Bergmann
Kollar
von Burg
Fenzl
Fitzinger
Diemer
Heckel
Boué
Diesing
Rokitansky
Skoda
Springer
Brücke
Seidl
Birk
Miklosich
von Littrow
Phillips
Bonitz
Leydolt.
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Mittheilungen
des Generalsecretärs
Dankschreiben der neu
ernannten Mitglieder
Aschbach
Gottlieb
Boeckh
Hausmann
Zur Wissenschaft.
Der Generalsecretär
liest den Commissionsbericht
über die beiden ersten in
der Gesammtsitzung am
22. November von ihm
ge-
stellten Anträge, den
Ver-
trieb der akademischen
Druck-
schriften betreffend.
Die Commission stellt nun,
in Übereinstimmung mit
denen des Generalsecretärs
folgende Anträge:
1. Die Akademie wolle
vom 1. Jänner 1856 ab, die
Versendung der
Druckschrif-
ten an die Mitglieder im
Auslande, so wie an
sämmt-
liche Gesellschaften in
ei-
genen Hand nehmen, und
nicht mehr im Wege
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des Buchhandels, sondern
unmittelbar selbst
besor-
gen.
Dieser Antrag wird
einstimmig angenommen.
2. Die Akademie wolle
vom hohen Curator die
Genehmigung erbitten
den § 48 der
Geschäftsord-
nung dahin abändern zu
können, daß vom 1.
Jän-
ner 1856 ab, alle Mitglie
der - mit Ausnahme der,
beiden Classen angehören,
den inländischen
Ehren-
mitglieder - nur mit den
Schriften ihrer Classe
be-
theilt werden, mit dem
Vorbehalt jedoch, daß
je-
nen schon ernannten wirk-
lichen Mitgliedern,
wel-
che dieß ausdrücklich
verlangen, auch
ferner-
hin der Bezug der
Schrift-
ten beiden Classen frei
stehe.
Der Herr Vice-
Präsident von Karajan
stimmt gegen diesen
An-
trag und gibt die
Grün-
de zu Protokoll, welche
hier sub A angeschlossen
wer-
den. Beilage A
Auch SeineSne Excellenz
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der Herr Präsident stimmt
der Ansicht bei, daß dieser,
eine Abänderung der
Ge-
schäftsordnung zur Folge
habende Antrag, keinen
Gegenstand der
Abstim-
mung in der
Gesammt-
sitzung bilden könne,
bei-
vor er nicht in den Classen
berathen worden sei; die
Commission aber diesen
Gegenstand wohl in so weit
in den Kreis ihrer
Bera-
thung zu ziehen
veran-
laßt war, als er ein
Mittel bildet, welches den
Absatz der akademischen
Schriften fördert.
Er trägt daher an, daß
dieser Gegenstand vorerst
den Classen zur Berathung
zugewiesen werde.
Dieser Antrag wird
einstimmig angenommen.
Die Commission behält
sich über Antrag des Ge-
neralsecretärs vor, die
Gründe für ihr
Verfah-
ren ebenfalls zu
Proto-
koll zu geben (sub B). Beilage B
Der Generalsecretär
gibt eine Übersicht über
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den durchschnittlichen
Jah-
resbetrag der in der
kaiserlich-königlichenk. k. Staatsdruckerei für
die Akademie vom Jahre
1851–55 aufgelaufenen
Kosten.
Zur Wissenschaft.
Der Generalsecretär
ersucht um Ernennung
der Commission zur
Prü-
fung seiner Rechnung
SeineSne Excellenz ernennt
hierzu die früheren
Mit-
glieder von Burg und
Arneth.
Der Generalsecre-
tär stellt den Antrag
auf Bewilligung der
üblichen Remunerationen:
a) Für den Factor der
kaiserlich-königlichenk. k. Staatsdruckerei
mit....75 Gulden ConventionsmünzeflCz
b) Für den HerrnHrn Rechnungs-
führer in Anbetracht
seiner sehr bedeutend
vermehrten Geschäfte
und der vorzüglichen
Lei-
stung derselben, statt
wie bisher 50 – auf 100 Gulden ConventionsmünzefrCz
Wird einstimmig
bewilliget.
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Das wirklichew. MitgliedW., HerrHr. DoctorDtor AmiA. Boué
hält einen Vortrag über
die verschiedenen über
Serbien erschienenen
Kar-
ten.
Dieser Vortrag ist auf
den Wunsch des HerrnHrn. Ver
-fassers in den
Sitzungsbe-
richten der
mathematisch-
naturwissenschaftlichen Classe
abzudrucken.
HerrHr. DoctorDtor Boué stellt
ferner den motivirten
Antrag zur Bildung von
Sectionen und zur
Abhal-
lung von
Sectionssitzun-
gen.
SeineSne Excellenz der Herr
Präsident findet auch
die-
sen Antrag nur geeignet,
vor die Akademie gebracht
zu werden, wenn er
frü-
her in den Classen
bera-
then worden ist; er werde
daher in seiner Classe
eine Commission dafür
er-
nennen, dasselbe solle
in der philosophisch-hi-
storischen Classe geschehen,
nachdem diese Commissionen
zuerst jede für sich
bera-
then haben, und dann zur
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gemeinschaftlichen Bera-
thung zusammengetre-
ten sind, sei ein Be-
richt der Gesammt-Aka-
demie zur Beschlußnah-
me vorzulegen.
Schluß der Sitzung
um 8 Uhr.
Baumgartner
ASchrötter
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A 96 Beilagen
zu dem Protokoll der
Ge-
samtsitzung am 20. December 1815
Beilage A in
Abschrift.
Ich werde gegen den
Com-
missionsantrag stimmen, und
zwar aus folgenden Gründen,
die ich zu Protokoll zu
neh-
men bitte:
1. Weil ich von vorne herein
principiel, namentlich den
hö-
heren Staats-Organen
gegenü-
ber, gegen alles nicht
unum-
gängliche nöthige Rütteln an
der Geschäftsordnung bin; und
2. im gegebenen Falle um so
mehr, da nach meiner
An-
sicht solche Änderungen im
Sinne des § 77 der
Geschäfts-
ordnung erst nach fünf
Jah-
re ihre Bestandes, also
erst im Jahre 1858, höheren
Orts beantragt werden dürfen,
ferner
3. weil die Commission, welche
die-
sen Antrag als solche stellt,
zur Ausarbeitung eines
Vertrags-Entwurfes mit
dem Verschleißer der
aka-
demischen Schriften ernannt
ist, nicht aber zu Anträgen
auf Abänderung der Ge-
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schäftsordnung.
Diese Commission hat zudem
ihre Berathungen noch gar
nicht geschlossen, und schon bringt
sie einzelne Punkte ihrer
Anträge zur Beschlußfassung,
ein ganz ungewöhnlicher und
nach "meiner" fehlt im Original. ASchrötter Meinung auch nicht
zweck-
mäßiger Vorgang, weil vor
Abschluß der Verhandlungen
und Erwägungen auch der
Zu-
sammenhang des Ganzen nicht
klar überschaut werden kann;
endlich
I meiner
fehlt im Original
AntonASchrötter
4.
weil eine nach meiner
Mei-
nung so weit reichende
Maß-
regel, welche ganz
entschie-
den den geistigen Verband
der beiden Classen lockert,
dadurch gegen den Geist der
Statuten wie der
Geschäfts-
ordnung verstößt, zuerst
in den Classen zur
Bera-
thung kommen, nicht aber
ganz unerwartet in einer
Gesammtsitzung zur
Beschluß-
fassung hätte eingebracht
werden sollen.
Karajan manu propriam p
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Belage B.
Die gefertigten
Mit-
glieder der zur Berathung des
Vertriebes akademischen
Druck-
schriften zusammengesetzten
Commission sehen sich durch den
ungewöhnlichen Vorgang des
HerrnHrn. Vice-Präsidenten von
Karajan in der
Gesammt-
sitzung vom 20. December dieses JahresdJ.
genöthigt, zur Rechtfertigung
ihres Verfahrens, die
Grün-
de näher zu beleuchten, welche
denselben bestimmten, sich
ge-
gen den Commissions-Antrag
zu erklären. Weit entfernt,
einem Mitgliede des Recht
nach nur im geringsten
schmä-
lern zu wollen, gegen einen
Antrag einer Commission oder
eines andern Mitgliedes
zu sprechen, muß dieselbe
doch den Vorgang des Hrn
Vice-Präsidenten als
einen höchst ungewöhnlichen
bezeichnen, da es bei
corpo-
rativen Verhandlungen
niemals Sitte ist, die
Be-
gründung von Anträgen,
wenn diese angenommen
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werden, dennoch zu
Proto-
koll zu geben. Ja, der § 16
unserer eigenen
Geschäfts-
ordnung schreibt
ausdrück-
lich vor, daß in den Proto-
kollen nebst den Vorträgen
und Vorlagen nur Anträge
und Beschlüße aufzunehmen
sind. Jedem Mitgliede steht
nach diesem Paragraphe das
Recht zu, ein votum
separa-
tum zu Protokoll zu geben,
was aber nur einen Sinn
hat, wenn der von
demsel-
ben gestellte Antrag
ver-
worfen worden ist. Da nun
aber nicht angenommen
wer-
den kann, daß dem Herrn
Vice-Präsidenten dieser
Usus unbekannt geblieben
ist, und daß er auch den
angezogenen § 16 unserer
Geschäftsordnung nicht kennt,
so muß derselbe den von
ihm schon vorbereiteten und
schriftlich zu Protokoll
ge-
gebenen Gründen eine
solche Wichtigkeit beilegen,
daß er ungeachtet dieser
Umstände für nothwendig
fand, sie zur Kenntniß
der hohen Staatsorgane
zu bringen. Hierin
ge-
rade liegt aber für die
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Commissionsmitglieder die
Nö-
thigung, den auf sie
geworfe-
nen Verdacht eines
voreili-
gen und unberufenen Handels
von sich abzuwälzen und das
Anhaltbare der von dem HerrnHrn.
Vice-Präsidenten zu
Proto-
koll gegebenen Gründe zu
zeigen.
Vor Allem muß bemerkt
werden, daß der HerrHr. Vice-
Präsident den Sinn des § 77
der Geschäftsordnung gänzlich
mißverstanden hat, indem
dieser Paragraph sagt, die
Akademie "wird", was hier
so viel heißen will als "soll"
die ganze Geschäftsordnung
nach 5 Jahren einer
wie-
derholten Durchsicht
unter-
ziehen, nicht aber, daß es
der Akademie verwehrt
ist, auch vor dieser Zeit
um Abänderungen
einzel-
ner Bestimmungen auf dem
ihr vorgezeichneten Wege
zu bitten.
Es wäre wahrlich sehr
traurig, wenn es der
Aka-
demie nicht gestattet sein
würde, eine Einrichtung,
deren Nützlichkeit sie
vielleicht schon im Jahre 1853
erkannte, erst im Jahre 1858
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zur Sprache bringen zu
dür-
fen, zumal, wenn eine
sol-
che Abänderung keine nur
einigermaßen tief
greifen-
de, aber dennoch sehr
zweck-
mäßige ist.
Die Gefertigten sind
daher der Ansicht, daß
man-
weder "an der
Geschäftsord-
nung unnöthig rüttle" und
"den geistigen Verbund
der beiden Classen lockere"
noch "dem Geist der
Statu-
ten entgegenhandle", wenn
man und zwar, im
Auftra-
ge der Akademie, mit
Ge-
wissenhaftigkeit berathet,
wie ihre materiellen
Mit-
tel zur Förderung ihrer
wissenschaftlichen
Wirksam-
keit gehoben werden
kön-
nen und wenn man dann
der Akademie objectiv
gehaltene Anträge stellt,
über welche zu beschließen
ihr ganz allein
anheimge-
stellt bleibt.
Der Commission kann
es nur erwünscht sein,
wenn die Akademie ihre
Anträge der
sorgfältig-
sten Prüfung unterzieht,
was am besten daraus
hervorgeht, daß alle Com-
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mission-glieder für den
An-
trag des Vice-Präsidenten,
den 2ten Commissions-Antrag
nicht sogleich in Berathung
zu ziehen, sondern erst vor
die Classen zu bringen,
ge-
stimmt haben. Darum war
es aber auch gänzlich
un-
motivirt, von der allgemein
üblichen und in diesem
Falle
vorgeschriebenen Form der
Verhandlung abzuweichen,
und das Benehmen der
Comis-
sion in einer ungerechten
und für sie verletzenden
Weise zu tadeln, dieser
Ta-
del aber auch noch in den
Protokollen der Akademie
zu verewigen. Ein
derar-
tiges Vorgehen ist keine
Aufmunterung für die
Mit-
glieder, sich commissionellen
Berathungen zu
unterzie-
hen; denn wenn sich auch
gar nichts dagegen
einwen-
den ließe, daß ein
gestell-
ter Antrag fällt, oder
modificirt wird, so kann
doch eine Commission der
Akademie, sich eine
Zurecht-
weisung, wie sie ein
Mit-
glied ihr schriftlich, also
wohl vorbereitet zu er-
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theilen für gut fand, nicht
mit Stillschweigen
hinneh-
men.
Die Gefertigten müs-
sen ferner die Zumuthung,
als seien sie zur "Ausar-
beitung eines Vertrags-
Entwurfes mit dem Ver-
schleißer der akademischen
Schriften" ernannt, auf's
entschiedenste
zurückwei-
sen.
Ein solcher Vertrags-
Entwurf kann erst eine
Folge der von der Comis-
sion zu stellenden Anträ-
ge sein, und diese muß
erst ihr Geschäft vollen-
det haben, ehe die Abfas-
sung eines solchen Entwur-
fes nothwendig wird.
Die Commission würde in
der That ihre Vollmacht
überschritten haben, wenn sie
einen solchen Entwurf der
Akademie jetzt schon
vor-
gelegt hätte.
Daß aber die Commission
sich bewogen fand, der
Ge-
sammt-Akademie bereits
Anträge vorzulegen, ehe
sie ihre Arbeit gänzlich
beendigt hatte, ist durch
der Umstand gerechtfer-
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tigt, daß der erste Antrag,
die Versendung betreffend,
schon nach dem neuen Jahre
ins Leben treten mußte
und daß die weiteren von
ihr zu berathenden Punkte
durch diese Anträge gar
nicht berührt werden.
Der-
zweite Antrag hängt
über-
dieß mit dem ersten, die
Versendung akademischer
Schriften unmittelbar
be-
treffenden genau zusammen,
indem durch Annahme des
zweiten Antrages eine
bedeutende Anzahl von
Exem-
plaren der Akademie zur
Verfügung gestellt wird,
diese aber einen doppelten
Einfluß auf den Vertrieb
der akademischen
Druck-
schriften einnimmt, und
zwar:
1. Wegen der dadurch
ver-
ringerten Anzahl der
verschenkten Exemplare,
was eine Vermehrung der
zu verkaufenden zu Folge
haben dürfte.
2. Wegen der
vergrößer-
ten Verfügbarkeit der
ersparten Exemplare für
den Buchhandel
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Den Gefertigten sei es
noch erlaubt zu bemerken,
daß der von der Gesammt-
Akademie ernannten
Com-
mission kein in der
Ge-
schäftsordnung
vorgezeich-
netes Mittel zu Gebote stand,
die ihr nothwendig
erschie-
nenen Anträge an die
Class-
sen zu bringen, als diese
wieder der
Gesammtakade-
mie vorzulegen, von
de-
ren Beschluße es ja eben
erst abhängig war, ob
ein-
ne solche Zuweisung
er-
folgen sollte oder nicht.
Der der Commission
gemach-
te Vorwurf, die Akademie
durch eine ganz "unerwar-
tete" Vorlage
gewißer-
maßen überrascht zu
ha-
ben, ist also mindestens
ein nicht reiflich
überleg-
ter, denn die
Unterstel-
lung, daß die Commission
eine sogleiche
Entschei-
gung der Akademie
da-
für oder dagegen
ver-
langt habe, ist eine ganz
willkührliche.
Da übrigens durch die
im Protokoll enthaltene
Äußerung des HerrnHrn. Prä-
sidenten in der Gesammtsit-
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zung am 20. diesesdss. die
Commis-
sion bezüglich des ihr
ge-
machten Vorwurfes, als
hätte sie ihren
Wirkungs-
kreis überschritten,
ge-
rechtfertigt erscheint, so
hält sie jede weitere
Er-
örterung dieser
unlieb-
sammen Angelegenheit
für überflüßig.
Wien, der 22. Dezember 1855
DASchrötter
C.v.Littow
FWolf
E. Birk
P. Partsch
Dr. Ed. Fenzl
Dr. Andreas v. Meiller