Vom gedruckten Gazetteer zum digitalen Ortsverzeichnis Das Geschichtliche Ortsverzeichnis (GOV)

Purschwitz, Anne; Zedlitz, Jesper
https://zenodo.org/records/6328131
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Ortsnamen und geographische Räume wie auch ihre Positionierung spielen in der Geschichtswissenschaft eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es häufig erforderlich, in mühevoller Detailarbeit Ortsnamen zu recherchieren, eine Lokalisierung und zunehmend auch eine Visualisierung auf unterschiedlichem Kartenmaterial vorzunehmen. Mittlerweile stehen dafür eine Vielzahl von Tools zur Verfügung, die sowohl die Recherche als auch die Visualisierung (historischer) Ortsdaten erleichtern sollen. Gerade in dem breiten verfügbaren Spektrum liegen Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten für Forscher*innen und interessierte Laien.

Die Besonderheiten historischer Raumzuordnungen bringen spezifische Herausforderungen bei der Aufbereitung, Präsentation und Recherche mit sich. Im Verlauf der Zeit änderten sich Schreibweisen, Namen wurden überformt oder neu vergeben, die Zugehörigkeit zu Sprachräumen konnte variieren und sich auf die Namensgebung von Wohnplätzen auswirken. Die Mehrheit der aktuell als Open-Access verfügbaren Ortsverzeichnisse berücksichtigt dieses ‚historische Werden‘ nur unzureichend bis gar nicht.

Das Geschichtliche Ortsverzeichnis (GOV) des ‘Vereins für Computergenealogie’ stellt sich den Herausforderungen in der Modellierung von Zeit und Raum (Zedlitz / Luttenberger 2014a: 220), die für geschichtswissenschaftliche Fragestellungen von entscheidender Wichtigkeit sind. Im GOV wurden dafür topologische Beziehungen modelliert, die im Vergleich zu time slices belastbarer sind (Zedlitz / Luttenberger 2014a: 220-222). Entstanden ist ein hierarchisches Modell, das zwischen Siedlung und Administration trennt, beide Ebenen aber vielfältig miteinander in Beziehung setzen kann und Mehrfachverknüpfungen ermöglicht. So kann eine Siedlung zeitlich z.B. zu unterschiedlichen politischen und kirchlichen Administrationen gehören. Das GOV geht damit deutlich über bisherige Standards hinaus (Zedlitz / Luttenberger 2014b: 36-38). 

Ziel des Beitrags ist es, die Datenmodellierung im GOV vorzustellen und die Entwicklung zukünftiger Nutzungsperspektiven für die akademische und bürgerwissenschaftliche Forschung zu diskutieren. Wir beabsichtigen, das im Rahmen einer bürgerwissenschaftlichen Initiative entstandene Verzeichnis mit seinen umfassenden Funktionen und Normierungen, die weit über andere Ansätze (GND, GeoNames) hinausgehen, zu einem Hilfsmittel für Historiker*innen weiterzuentwickeln, das einen einheitlichen Zugriff auf eine Vielzahl von ortsbezogenen Daten erlaubt. Hierfür sind wir auf die Auseinandersetzung mit Historiker*innen aus verschiedenen Forschungsfeldern angewiesen. Sie können zum einen Testdatensätze zur Verfügung stellen (wie das etwa die Deutsche Auswandererbriefsammlung unter Leitung von Ursula Lehmkuhl getan hat: http://www.auswandererbriefe.de/ ), und andererseits wollen wir ihre Wünsche, Vorstellungen und Ansprüche in einem iterativen Prozess in das GOV aufnehmen. Die Analyse von Möglichkeiten zur Integration und Nutzung im geisteswissenschaftlichen Forschungskontext und die Darstellung bzw. Abgrenzung gegen andere online verfügbare Gazeteers steht im Vordergrund des Beitrags. Aufgrund der Vielzahl von Schnittpunkten erscheint es uns als besonders zielführend, die Bedarfe der Forschungsgemeinschaft zu eruieren – gleichzeitig aber auch die Stärken und Schwächen eines Crowdsourcing-Ansatzes kritisch zu diskutieren.

Raum und Zeit

‘Raum’ ist eine elementare Kategorie der Geisteswissenschaft und sollte aus diesem Grund bei der Verarbeitung von umfangreichen Datenbeständen in seinen strukturierenden und Interpretationen erleichternden Funktionen ernst genommen werden. Dafür erforderlich sind Tools, die einen Schwerpunkt auf die Koppelung von Zeit und Raum legen, denn Geschichte agiert in einem geographischen Nebeneinander und einem chronologischen Nacheinander (von Brand 1958: 22) - somit benötigt Geschichtswissenschaft eine Raum-Zeit-Kompetenz. Die Notwendigkeit einer solchen fasst der Geographie-Didaktiker Walter Sperling in folgenden Punkten zusammen: (Sperling 1982: 81) 1. geschichtliche Prozesse spielen sich in Räumen ab, 2. jeder Raum ist geschichtlich geworden und 3. Räume wurden in verschiedenen Zeiten unterschiedlich bewertet.

Gerade die Verbindung von Zeit und Raum stellt für die Anwendung in der  Geschichtswissenschaft eine zentrale Anforderung an Ortsverzeichnisse dar. 

„Orte haben eine historisch-politische Dimension, die bei einer übergreifenden Registererfassung erst sichtbar zu einem Problem wird. [...] Für die Visualisierung von Briefen etwa sind historische Karten ein Desiderat; generell auch Geodaten für Flächen. Und alle mit Geodaten versehenen Einträge müssen mit einem Zeitstempel kombiniert sein, denn beispielsweise die Altstadt von Jerusalem ist eben heute nicht am selben Ort wie vor 2.000 Jahren.“ (Kamzelak 2018).

Gazetteers und GIS

In den vergangenen Jahren haben eine Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen Ortsverzeichnisse (Gazetteers) erstellt, jeweils für sie relevante Informationen zusammengetragen und im Semantic Web publiziert. Die große Zahl der Verzeichnisse spiegelt dabei zum einen den offensichtlichen Bedarf an strukturierten geographischen Daten wider, zeigt andererseits aber auch die variierenden Herangehensweisen, Datenerhebungen, Standards und Interessen.  Ebenso werden immer mehr Tools und Plattformen für die computergestützte Raumanalysen (‚spatial analysis‘; Baur et. al., 2014) entwickelt, die sich auch für historisierende Fragestellungen einsetzen lassen. 

An dieser Stelle muss zunächst klar zwischen geographischen Informationssystemen (GIS) einerseits und Ortsverzeichnissen, sogenannten Gazetteers, andererseits differenziert werden.

Geographische Informations-Systeme (GIS) ermöglichen die Visualisierung, Analyse und Archivierung raumbezogener Daten. Das einem GIS zugrundeliegende Datenmodell ist in der Lage, Geoobjekte sowohl in Form von Vektor- als auch von Rasterdaten zu verwalten. Ein Schwerpunkt von GIS-Anwendungen liegt in den unterschiedlichen Analysetools, die es z.B. erlauben, Distanzberechnungen oder Sichtfeldanalysen vorzunehmen.

Ortsverzeichnisse verfügen im Unterschied dazu nur sehr bedingt über geographische (Visualisierungs-)Funktionen und sind nicht in der Lage, raumbezogene Prädiktoren zu berechnen. Andererseits blicken Gazetteers auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurück. Erste Gazetteers sind bereits aus der Antike bekannt. Mit der zunehmenden Vermessung der Welt wurden sie ein immer wichtigerer Bestandteil zunächst u.a. von Atlanten. Sie finden sich seit dem 19. Jahrhundert aber zunehmend auch als eigenständige Publikationen (z.B. Rudolph 1870-1872). Ein Teil dieser gedruckten mehrbändigen Verzeichnisse hat in den letzten Jahrzehnten seinen Weg in das Semantic Web gefunden und nutzt die Vielzahl der dadurch eröffneten digitalen Funktionsweisen (z.B. Meyers Gazetteer ).

Betont werden muss nochmals, dass Ortsverzeichnisse nicht primär auf Karten und Visualisierungen ausgerichtet sind (auch wenn sie Geokoordinaten zur Identifizierung von Orten enthalten können), sondern auf die eindeutige Identifikation von Orten, Siedlungen, Wohnplätzen etc. durch ihre Einordnung in administrative Zusammenhänge. Ein Schwerpunkt digitaler Gazetteers besteht dennoch in der Zusammenführung von Raumdaten (Koordinaten), Sachdaten (Ergänzung der Raumdaten, z.B. Kreis, Kirche, Staat) und Metadaten (Beschreibungen der Daten). Die dafür erforderlichen Informationen können punktuell für bestimmte Zeitabschnitte erhoben und aufbereitet werden. Für Historiker jedoch zielführender ist die Kopplung unterschiedlichster Sachdaten zu einem Ort unter Berücksichtigung von Zeiträumen. Für die Erstellung historischer Ortsverzeichnisse ist es somit unerlässlich, Zeitangaben und Zeiträume zu verzeichnen, ohne damit ‚neue‘ Orte zu schaffen, sondern vielmehr mit dem Ziel, die historische Genese von Siedlungen nachvollziehbar zu machen. Aus diesem Grund gibt es eine Reihe von Projekten, die Informationen dieser Art im Semantic Web in Form von Linked Open Data (LOD) zur Verfügung stellen. Die beiden Technologien/Sprachen, die typischerweise für diesen Zweck verwendet werden, sind das Resource Description Framework (RDF; Resource Description Framework 2004) und die Web Ontology Language (OWL; OWL2 2012). Da die Darstellung sowohl von räumlichen als auch von zeitlichen Informationen mit RDF oder OWL nicht trivial ist (Hobbs / Pan 2004: 66-85; Gutierrez 2007: 207-218; Motik 2012: 3-21), gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, wie man Verwaltungsstrukturen im Semantic Web darstellen kann.

Funktionsweise des GOV

 Der bürgerwissenschaftliche Verein CompGen (‚ Verein für Computergenealogie ‘) hat in den vergangenen Jahrzehnten das größte historische Ortsverzeichnis entwickelt, das mit Bezug auf Deutschland und viele andere Länder Ortsnamen (in variierenden Schreibweisen), kirchliche und staatliche Zugehörigkeiten im Zeitverlauf sowie geographische Koordinaten erfasst. Das 1992 von Heinz Augustin initiierte Projekt wurde im Jahr 1995 an den ‚Verein für Computergenealogie‘ übergeben und dort unter Einbeziehung einer Vielzahl von Familienforschern weiterentwickelt, mit Daten gefüllt und zu einem komplexen und hochkompetenten bürgerwissenschaftlichen Projekt ausgebaut (Schnadt 2011). Im Kern besteht es heute also aus einer Datenbank mit Informationen über historische Verwaltungsstrukturen und deren Beziehungen zu Siedlungen bzw. funktionalen Gebäuden (Kirchen etc.). Eine web-basierte Anwendung steht bereits seit dem Jahr 2000 zur Verfügung. Aktuell beträgt die Abdeckung auf Ebene der Siedlungsplätze (also unterhalb der Gemeinden) für das späte Kaiserreich etwa 80%. Insgesamt verzeichnet das GOV rund 1,25 Millionen Einträge (Stand Juni 2021) - die beständig ergänzt werden. Erschließungsschwerpunkte sind bisher Europa, die USA sowie Australien. 

Ziel des Geschichtlichen Ortsverzeichnisses ist es, Siedlungen, Wohnplätze, Verwaltungseinheiten etc. eindeutig zu identifizieren. Da dafür allein der Name eines Ortes nicht ausreichend ist, erfolgt die Einordnung in administrative Zusammenhänge, wobei an dieser Stelle streng zwischen politischen, kirchlichen und juristischen Zugehörigkeiten unterschieden wird, wie auch Veränderungen und Verschiebungen in der Zugehörigkeit abgebildet werden.

Bei der Entwicklung des GOV entstand die Überzeugung, dass eindeutige Identifikatoren sowohl für physische als auch für administrative Objekte benötigt werden, die in ihren Kombinationen im zeitlichen Verlauf unterschiedliche Relationen eingehen können. Im Bereich des Semantic Web sind solche Identifikatoren in Form von Uniform Resource Identifier (URI) üblich. Das GOV bietet für Wohnplätze und Verwaltungsobjekte genau solche URIs zur eindeutigen Identifizierung an. Der zentrale Mehrwert des GOV besteht darin, dass es zwischen Organisationsstruktur und ‚gebauten‘ Einheiten klar unterscheidet, durch die Vielzahl von Beiträgern deutlich über bisher vorhandene historische Ortsverzeichnisse hinausgeht, keine zeitliche oder räumliche Beschränkung aufweist, zeitlich und räumlich referenzierte Daten zur Verfügung stellt, jederzeit ergänzt, verbessert und aktualisiert werden kann und weltweit zugänglich ist.

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Abb. 1: Visualisierung der Zugehörigkeiten und historischen Entwicklung der Stadt Halle/Saale.

Dem Verein für Computergenealogie geht es nicht um das Sammeln möglichst vieler historischer Informationen, sondern um deren Optimierung, Anbindung und um Qualitätssicherung. Um die Datenqualität des GOV zu überprüfen und sicherzustellen, wird aktuell zusammen mit dem Verein ‚CorrelAid‘  ein Projekt durchgeführt, in dem wir mit Hilfe von Data Scientists systematisch erarbeiten, wie sich die Datenqualität des GOV aktuell gestaltet. Hieraus werden gegebenenfalls neue Ansätze zu Modellierung und Datenaufnahme abgeleitet. 

GOV-Datenmodell 

Im GOV werden sowohl Wohnplätze als auch Verwaltungsobjekte als GovObject modelliert. Ein GovObject besitzt eine Reihe von Eigenschaften (PropertyForObject) und Beziehungen zu anderen Objekten (Relation). Sowohl Eigenschaften als auch Beziehungen können mit Zeitangaben (von-bis) in verschiedenen Genauigkeiten und Quellenangaben versehen werden. Bei Namen (PropertyName) kann zusätzlich die Sprache in Form eines ISO-639-2 Codes angegeben werden. So ist es möglich, nicht nur verschiedene Namen zu verschiedenen Zeiten, sondern auch in verschiedenen Sprachen anzugeben. Eine weitere besondere Eigenschaft eines Objekts ist der Typ (PropertyType - aktuell verzeichnet das GOV für Siedlungen und Administrationen 276 Typen ). Dieser gibt Auskunft darüber, um welche Art von Wohnplatz (z. B. Dorf, Weiler, Häusergruppe) oder Verwaltungsobjekt (z. B. Gemeinde, Stadt, Kreis, Bundesland) es sich handelt. Abhängig vom Typ kann ein Objekt eine geographische Position besitzen, um so die Anzeige auf einer Karte zu ermöglichen. Ein Vergleich mit anderen Systemen, die historische Verwaltungsinformationen im Semantic Web bereitstellen, hat gezeigt, dass das Datenmodell des GOV anderen Ansätzen deutlich überlegen ist, insbesondere durch die Möglichkeit von Zeit- sowie Quellenangaben (Zedlitz / Kluttig 2014: 290; Zedlitz / Luttenberger 2014a: 223-230 und Zedlitz / Luttenberger 2014b: 33-36). 

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Abb. 2: UML-Modell der grundlegenden Strukturen des Geschichtlichen Ortsverzeichnisses.

Zu den Orten selbst sind folgende Informationen im GOV erfasst: geographische Lokalisation (Koordinaten und Position auf Karte) - die Angabe der Geokoordinaten im GOV orientiert sich dabei am World Geodetic System 84 (WGS84; Department of Defense 1991) oder dem Europäischen Terrestrischen Referenzsystem 1989 (ETRS89) - Eigenschaften (z.B. Bevölkerungszahlen und -entwicklung, Postleitzahl), fremdsprachige oder frühere Namen und die Zugehörigkeit zu politischen, kirchlichen und/oder rechtlichen Administrationen. Zudem wurden die Orte auch in anderen Datenbanken referenziert, so finden sich Verknüpfungen mit GeoNames oder dem Amtlichen Ortschaften-/Ortsverzeichnis Bayern . Eine geographische Position weisen nur Wohnplätze, also die unterste Ebene von Objekten im GOV auf. Da Verwaltungsobjekte typischerweise eine größere Fläche umfassen, wäre die Angabe einer einzelnen Punktkoordinate nicht zielführend. Gleichzeitig kann die ungefähre Position und Ausdehnung eines Verwaltungsobjekts aufgrund der zugehörigen Wohnplätze – die ja eine geographische Position besitzen – berechnet werden. 

Das GOV ist somit kein GIS – obwohl es mit bestehenden geographischen Datenbanken und GIS-Systemen verknüpft werden kann.

Im Rahmen von GOV können Daten (auf der GOV-Website) kartographisch dargestellt werden, wobei unterschiedliche andere Dienste genutzt und eingebunden werden, z.B. Google Earth, historische Messtischblätter, das Virtuelle Kartenforum der SLUB und einige mehr; alternativ kann auch aus QGIS heraus ein allerdings noch rudimentärer Web Feature Service des GOV aufgerufen werden (vgl. https://gov-dev.genealogy.net/wfs ).  Alle kartographischen Darstellungen im GOV beruhen auf Punktkoordinaten; ein Ausbau zu einem polygonorientierten System ist zur Zeit nicht beabsichtigt, da eine Erfassung des Verlaufs von vielen tausend Gemeinde- und Pfarreigrenzen und ihrer Änderungen nicht realistisch erscheint.

Im GOV selbst sind andere Normdatensysteme verlinkt. Hierfür ist es allerdings wichtig, dass die Modellierungslogik des GOV und die dieser anderen Systeme aufeinander bezogen werden können. In Hinblick auf die Verknüpfungen zu anderen Normdaten bzw. Datenbeständen im Semantic Web weist GOV 770.000 Verbindungen zu GeoNames auf. Schwieriger gestaltet sich die Anbindung an die GND, da dort nicht klar zwischen Verwaltungsobjekt (z.B. Gemeinde) und Siedlungsobjekt (z.B. Dorf) unterschieden wird. Dabei handelt es sich um einen grundlegenden konzeptuellen Unterschied zum GOV. In der GND werden Orte als Geographika und als Körperschaften abgebildet, deren Geokoordinaten GeoNames entstammen. Berücksichtigt werden können bei der Erfassung von Geographika innerhalb der GND: Name, Quelle, die (administrative) Zugehörigkeit ohne zeitliche Dimension und Namensänderungen (teilweise wird dadurch jedoch eine neue Entität geschaffen; gerade dieser Modellierung setzt das GOV eine belastbare Alternative entgegen).  Aus diesem Grund existieren aktuell nur 9.200 Verbindungen mit der GND.

 

Nutzungsperspektiven

Im Vortrag möchten wir das Anwendungspotential in den Geisteswissenschaften und die Funktionsweise des GOV deutlich machen. 

Für die Suche in GOV steht eine erweiterte und eine einfache Suchoption zur Verfügung, deren Hauptunterschied in der Eingrenzung auf bestimmte Objekttypen bei der erweiterten Suche besteht. Doch auch die Ergebnisse der einfachen Suche können durch Filterfunktionen in einem zweiten Schritt bspw. auf einzelne Objekttypen, Bundesländer etc. beschränkt werden. Eine weitere Funktion der erweiterten Suche in GOV ermöglicht die Verknüpfung von zwei Objekten. Hier kann ein übergeordnetes Objekt (z.B. Bundesland oder Landkreis) mit einem Ortsnamen verknüpft werden, was die Genauigkeit der Treffer erhöht und die nachträgliche Selektion der Treffermenge vereinfacht. Nach der Identifikation des Ortes können Geodaten und GOV-ID übernommen werden.

Für die Nutzung der Toponymresolution (Sen 2016) und damit der automatischen Abfrage in GOV benötigt es eine csv-Datei mit UTF-8 kodierten Zeichen unter Nutzung des Feldtrenner Tabulator. Toponyme selbst können Wildcards (\?", \*") und explizite Begriffe von Unschärfe (\") enthalten, ebenfalls nicht relevant ist die Beachtung der Groß- und Kleinschreibung. Wie in der Einzelabfrage besteht bereits im Vorfeld der Suchanfrage die Option sich auf bestimmte Typklassen (z.B. Wohnplatz, Gericht, Kirche) oder beliebige Kombinationen von unterschiedlichen Typenklassen zu konzentrieren, wodurch die Abfrage individuell an die Nutzeranforderungen angepasst werden kann. Ebenfalls möglich ist die Nutzung von Sprachbeschränkungen und die Eingrenzung der Suche auf bestimmte Regionen oder individuell definierte Zeiträume. Die Einbeziehung zusätzlicher Informationen zu Ortsnamen und die bereits vor der Abfrage bestehende Möglichkeit, Filterfunktionen zu nutzen, erhöht die Trefferqualität der Toponymresolution im GOV. Gleichzeitig werden mögliche Fehler in der Datenaufnahme offensichtlich, denn stimmen Ortsangabe und Bundesland nicht überein, erfolgt keine Zuweisung in anderen Bundesländern. Diese fehlenden Identifikationen können dann gezielt an die Quellen zurückgegeben und einer neuerlichen Kontrolle unterzogen werden.

Das GOV bietet bei der Einzelabfrage eine Visualisierung der möglichen Treffer auf einer OpenStreetMap-Karte. In der Detailansicht eines selektierten Ortes kann der Nutzer dann zwischen unterschiedlichem Kartenmaterial wählen und dieses auch exportieren. Zur Verfügung steht Google Earth als kml-Datei (Download), die Visualisierung in GoogleMaps, wikimapia und MapQuest (Browser), ebenfalls erfolgen kann eine Verknüpfung mit dem Virtuellen Kartenforum 2.0 , betrieben von der SLUB Dresden. Registrierten Nutzern bietet sich zudem die Möglichkeit der Nutzung und auch Bearbeitung von historischen Messtischblättern aus der Zeit um 1900. Grundlegend muss einer Visualisierung (gleich in welcher Form) zunächst immer eine Identifizierung und Lokalisierung vorausgehen. In diesem Fall bleibt die Frage bestehen, inwiefern historische Veränderungen sich auch in den Koordinaten bzw. Vektordaten widerspiegeln sollen und müssen – an dieser Stelle hoffen wir eine Diskussion anstoßen zu können, wie die Veränderungen des Raumes in der Zeit nicht nur mit einem ‚Zeitstempel‘ versehen, sondern vielmehr in ihrer Genese transparent visualisiert werden können.


Bibliographie

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