Netzwerk Offenes Mittelalter

Borek, Luise; Busch, Hannah; Ketschik, Nora
https://zenodo.org/records/7715271
Zum TEI/XML Dokument

Die germanistische Mediävistik hat über Jahrzehnte viele digitale Ressourcen aufbereitet, die zu etablierten und zentralen Säulen des Faches gewachsen sind. Das DFG-Netzwerk Netzwerk Offenes Mittelalter widmet sich dem weiteren Erschließungspotenzial dieser heterogenen und historisch gewachsenen Forschungsdaten, ihrer Vernetzung und ihrer qualitativen Verdichtung und exploriert dabei den Einsatz von Linked Open Data (LOD). Das Potenzial und die Grenzen dieser Verfahren werden forschungsorientiert erprobt und methodisch reflektiert.

Unter ‚offenes Mittelalter‘ verstehen wir dabei nicht nur die für LOD ohnehin erforderliche Einhaltung der FAIR-Prinzipien, sondern auch eine disziplinäre wie epochenübergreifende Durchlässigkeit, die den Austausch mit den relevanten Communitys und Gedächtnisinstitutionen, aber auch die Übertragbarkeit der Methoden widerspiegelt.

Das Netzwerk liefert aus einer fachdisziplinären Perspektive heraus Impulse für den Einsatz von LOD in geisteswissenschaftlicher Forschung und befindet sich dabei in Austausch mit der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), insbesondere den Konsortien Text+ und NFDI4Culture.

Das Netzwerk setzt sich zusammen aus 18 Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Die individuellen Hintergründe sind vielfältig, sodass neben verschiedener mediävistischer Expertisen auch Informationswissenschaften und Bildungsforschung vertreten sind. Über die einzelnen Forschungsaktivitäten und -projekte sind zudem zentrale Ressourcen der germanistischen Mediävistik unmittelbar eingebunden, etwa der Handschriftencensus, das Mittelhochdeutsche Wörterbuch, die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank, das Referenzkorpus Mittelhochdeutsch, das Mittelalterblog und diverse einschlägige Editionen (s. KONDE).

Ergänzt und erweitert wird das Netzwerk durch Expert*innen, die als Gäste wertvolle Impulse einbringen und Austausch und Vernetzung vorantreiben. Für diesen wichtigen Aspekt des Community-Building haben wir zudem die Beteiligungsmöglichkeit als „Assoziierte Mitglieder“ geschaffen, um das Netzwerk fruchtbar zu erweitern und der fachlichen und methodischen Diversität gerecht zu werden.

Konzeptionell beleuchtet das Netzwerk die Verfahren aus verschiedenen Perspektiven. Hierzu gehört ein editionsphilologischer Fokus: Als etablierter Standard für die Kodierung von Texten bildet TEI-XML die Grundlage vieler digitaler Editionen und dient als Archivformat (vgl. Wettlaufer 2018). Darin sind Informationen zunächst implizit erfasst, d. h. menschenlesbar, aber nicht ‚semantisch‘ nach Kriterien des Semantic Web (vgl. Hitzler 2021). Hier wurden etwa Möglichkeiten des Transfers eruiert (z. B. XTriples, Addlesee 2019), aber auch Herausforderungen in diesem Bereich diskutiert z. B. im Umgang mit Unsicherheiten und Ambiguitäten, wie sie besonders beim Umgang mit historischen Ressourcen häufig auftreten und zurzeit von besonderem Forschungsinteresse sind (Kuczera 2019; Andrews 2021-2026). Eine weitere wichtige Säule für LOD bilden persistente Identifier. Für eine forschungsgetriebene Anwendung, die über basale Metadatenkategorien hinausgeht, ergeben sich verschiedene Herausforderungen. Hier befindet sich das Netzwerk in Austausch mit der GND, beleuchtet Entwicklungen zu Normdatenstandards (z. B. Burrows et al. 2020) und exploriert zudem die Einbindung verschiedener Wikisysteme wie Wikidata und Factgrid.

Eine wichtige Rolle spielt auch das Spannungsfeld von Materialität und Text, in dem nicht nur die Stellvertreterfunktion digitaler Objekte beachtet werden, sondern auch Möglichkeiten zu domänenspezifischen Vokabularen und granularen Identifiern gegeben sein müssen. Die Materialität stellt einen disziplinenübergreifenden ‚Berührungspunkt‘ dar, der sowohl eine Schnittstelle für LOD bilden kann als auch große Herausforderungen und Chancen für eine Erfahrbarkeit im digitalen Raum bietet.

Die skizzierten Verfahren sind nur tragfähig, wenn für sie eine weitreichende Akzeptanz besteht und geeignete Forschungsinfrastrukturen vorhanden sind. Das Netzwerk bemüht sich daher um eine Methodenzusammenschau, liefert Best Practices und erstellt Showcases, die einen ertragreichen Einsatz von LOD illustrieren. Zu den Ergebnissen des Netzwerks gehört auch eine Wissensplattform, die eine Ressourcensammlung bietet, in der einschlägige Ressourcen zu LOD, Tutorials und Projekte gelistet werden, eine domänenspezifische Bibliographie zu LOD in der germanistischen Mediävistik gepflegt wird und die Showcases aus der Forschung der Netzwerkmitglieder präsentiert werden. Flankiert werden diese Ressourcen zudem von der ausführlichen Dokumentation der Aktivitäten des Netzwerks über Blogbeiträge (z. B. Borek et al. 2022), Meldungen auf der Website des Netzwerks und über Präsenz und Vernetzung über Social Media.

Mit unserem Poster informieren wir über unsere bisherigen Ergebnisse und Aktivitäten des Netzwerks Offenes Mittelalter und laden ein zu weiterem Austausch, um nachhaltige und innovative Forschungsinfrastrukturen in den digitalen Geisteswissenschaften gemeinsam mitzugestalten.


Bibliographie

  • Addlesee, Angus. 2019. “Using OntoRefine to Transform Tabular Data into Linked Data”, https://medium.com/wallscope/using-ontorefine-to-transform-tabular-data-into-linked-data-7277ec8c2c0f (zugegriffen: 28.07.2022).
  • Andrews, Tara. 2021-2026. “Re-Evaluating the Eleventh Century with Linked Events and Entities”. ERC-Projekt an der Universität Wien.
  • Borek, Luise, Katharina Zeppezauer-Wachauer und Nora Ketschik. 2022. “Eindeutig Uneindeutig. Zur Modellierung von Unschärfe in der Mediävistik”, In Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte. https://mittelalter.hypotheses.org/27658 (zugegriffen: 28.07.2022).
  • Burrows, Toby, Antoine Brix, Doug Emery, Arthur Mitchell Fraas, Eero Hyvönen, Esko Ikkala, Mikko Koho, David Lewis, Synnøve Myking, Kevin Page, Lynn Ransom, Emma Cawlfield Thomson, Jouni Tuominen, Hanno Wijsman und Pip Willcox. 2020. “Linked Open Data vocabularies and identifiers for medieval studies.” In Proceedings of the Digital Humanities in the Nordic Countries 5th Conference (DHN). 2612: 211-218.
  • CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages, https://gams.uni-graz.at/context:corema (GAMS. 562.10).
  • FactGrid – a database for historians: https://blog.factgrid.de/archives/1143 (zugegriffen: 27.07.2022).
  • FAIR Principles: https://www.go-fair.org/fair-principles/ (zugegriffen: 28.07.2020).
  • Hitzler, Pascal. 2021. “A Review of the Semantic Web Field.” In Communications of the ACM. 64 (2): 76-83. 10.1145/3397512. https://cacm.acm.org/magazines/2021/2/250085-a-review-of-the-semantic-web-field/fulltext (zugegriffen: 28-07.2022).
  • KONDE – Kompetenznetzwerk Digitale Editionen: http://www.digitale-edition.at/ (zugegriffen: 21.07.2022).
  • Kuczera, Andreas, Thorsten Wübbena, Thomas Kollatz (Hg.). 2019. “Die Modellierung des Zweifels – Schlüsselideen und -konzepte zur graphbasierten Modellierung von Unsicherheiten.” Wolfenbüttel. (Sonderband der Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften 4) DOI: 10.17175/sb004.
  • MHDBDB – Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank: http://mhdbdb.sbg.ac.at (zugegriffen: 21.07.2022).
  • Mittelalterblog: https://mittelalter.hypotheses.org/ (zugegriffen: 21.07.2022).
  • Netzwerk Offenes Mittelalter (2021-2024). DFG Netzwerk.
  • OxGarage Conversion: https://oxgarage.tei-c.org/
  • Wettlaufer, Jörg. 2018. “Der nächste Schritt? Semantic Web und digitale Editionen.” In Digitale Metamorphose: Digital Humanities und Editionswissenschaft (Sonderband der Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften 2) DOI: 10.17175/sb002_007.
  • Wikidata: https://www.wikidata.org (zugegriffen: 28.07.2022).
  • XTriples: https://xtriples.lod.academy/index.html (28.07.2022).