Data Driven Storytelling zu kulturellen Objekten und Biographien

Liem, Johannes; Kusnick, Jakob; Jänicke, Steffan; Doppler, Carina; Passecker, Markus; Mayr, Eva; Windhager, Florian
https://zenodo.org/records/7715536
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Hintergrund

Die Omnipräsenz von Geschichten in der menschlichen Kultur - wie auch zahlreiche akademische Reflexionen - machen deutlich: Narrative Strukturierung von Inhalten gehört zu den wesentlichsten Gestalten und Gestaltungsstrategien für die Vermittlung neuer, relevanter oder unterhaltsamer Informationen sowohl in der heutigen Kultur als auch in der breiteren Geschichte (Bolin, 2010; Dykes, 2019). Zahlreiche Hypothesen liefern hierfür mögliche Gründe, (u. a. ein spezieller Modus der narrativen Informationsverarbeitung in der menschlichen Kognition), aber die zentrale Folgerung für modernes Informations- und Kommunikationsdesign ist verhältnismäßig simpel: Gutes Storytelling kann die Aufnahme und das Verständnis von komplexer Information entscheidend verbessern und auch in digitalen Medien zu einer vertieften Auseinandersetzung mit diversen Inhalten führen. Dies hat auch im Feld der Visualisierung dazu geführt, dass datengetriebenes, visuelles Storytelling in den letzten Jahren zu einem allgegenwärtigen Thema in der Erforschung und Entwicklung von Visualisierungen geworden (Segel & Heer, 2010; Riche et al., 2018). Auch in der visuellen Vermittlung von digitalen kulturellen Sammlungen (Windhager et al., 2018) oder von Biografiedaten kommen narrative Methoden immer öfters zum Einsatz (Kusnick et al., 2021).

Das InTaVia-Projekt

Das InTaVia-Projekt (“In/Tangible European Heritage - Visual Analysis, Curation and Communication, https://intavia.eu ) zieht größere Bestände von materiellem und immateriellem Kulturerbe in eine transnationale Datenbasis zusammen (Windhager, Mayr, Schlögl, & Kaiser, 2022, in Druck). In den letzten Jahrzehnten wurde sowohl die Digitalisierung von materiellen Objektsammlungen vorangetrieben ( Khan, Shafi, & Ahangar, 2018 ), wie auch die Digitalisierung von biografischem Wissen über Kulturschaffende (ter Braake et al., 2015; 2017). Diese Entwicklungen bieten eine gute Basis für eine digitale Analyse und Kommunikation des Lebens und Werks von Kulturschaffenden ( Khulusi et al., 2016; Schlögl, Windhager, Mayr, & Kaiser, 2019; Windhager et al., 2018), aber fehlende Verknüpfungen, Harmonisierungen und ein Mangel an Werkzeugen erschweren die entsprechende Arbeit - besonders für Praktiker*innen im Bereich der Kulturvermittlung. Mit Blick auf etablierte Nationalbiografien und korrespondierende kulturelle Objektdaten arbeitet das InTaVia-Konsortium an der Entwicklung von Lösungen und harmonisiert zu diesem Zweck nationale Datenbestände (inkl. der Biografieprojekte von Finnland, Niederlande, Österreich und Slowenien). Darauf aufbauend entwickelt es ein prototypisches Informationsportal für die visuelle Analyse und Kommunikation dieser integrierten Kulturdaten. So werden synoptische Ansichten auf historischen Daten zu Leben und Werken aus verschiedenen Perspektiven der Datenvisualisierung (geografisch, relational, kategorial, chronologisch) möglich, sowie die narrative Gestaltung und Vermittlung dieser Information mittels Methoden des individuellen und kollektiven Storytellings.

Zielsetzung Workshop

Als “Early-Access Workshop” zielt die Veranstaltung auf die Erprobung und Diskussion von prototypischen Methoden des visuellen Storytellings mit Kulturdaten. Teilnehmende werden zur Nutzung und Erprobung der InTaVia-Plattform eingeladen, um dort mit exemplarischen Daten die Möglichkeiten der narrativen visuellen Gestaltung auszuloten und zu diskutieren. Er richtet sich sowohl an Forscher*innen wie auch Praktiker*innen im Bereich des kulturellen Erbes, der Kunst- und Kulturgeschichte, sowie angrenzender Geisteswissenschaften. Eine einführende Diskussion von State-of-the-Art-Methoden aus DH-Perspektive wird dabei verbunden mit einer kurzen Vorstellung der InTaVia-Plattform und ihrer Technologien - mit spezifischen Fokus auf Module der Datenkuratierung und des visuellen Storytellings. Teilnehmende Expert*innen können so Einblicke in aktuelle Entwicklungen der narrativen Visualisierung gewinnen, während die Veranstalter*innen des Workshops mögliche Anregungen und Wünsche für die partizipative Weiterentwicklung der Plattform dokumentieren werden.

Bei Interesse wird in diesem Kontext über die Veranstaltung hinaus auch die Entwicklung von gemeinsamen Fallstudien angeregt. Für Teilnehmer*innen wird in diesem Fall ein persistenter Zugang zur InTaVia-Plattform geschaffen, über den die Auswahl oder der Import von eigenen Daten mit Bezug zu individuellen Forschungs- und Vermittlungsthemen möglich ist. So wird ein extensiver Austausch zu den Möglichkeiten und Grenzen der Plattform möglich. Expert*innen können die Plattform nutzen, um neue Designs und Vermittlungsmethoden für ihre eigenen Daten und Themen zu gewinnen und um diese im Rahmen von gemeinsamen Fallstudien für eigene kommunikative Zwecke zu nutzen. Feedback zu den Möglichkeiten und Grenzen der Plattform wird wiederum dem Konsortium wertvolle Einblicke in die entscheidenden Bedürfnisse von Praktiker*innen liefern.

Ablauf Workshop 

1) Projektvorstellung: Die InTaVia-Plattform verknüpft Datensammlungen verschiedenen Typs (i.e. kulturelle Objektsammlungen und biografische Textsammlungen) zu einer integrierten Graphdatenbank (Abbildung 1). In einer kurzen Vorstellung werden die wichtigsten Forschungsfragen des Projekts gemeinsam mit seinen technologischen Zielen und Modulen vorgestellt. Dies inkludiert Information über das Modul zur manuellen Kuratierung dieser Daten (Data Curation Lab) und das Modul zum visuellen Storytelling (Visual Storytelling Suite). 

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Abbildung 1: Architektur der InTaVia Plattform

2) Hands-On-Vorstellung des Storytelling-Moduls: Eine kurze Vorstellung der integrierten Graphdatenbank (IKG - InTaVia Knowledge Graph) wird zu einem Verständnis des zugrundeliegenden Datenmodells führen. Auf diese Weise werden Teilnehmende mit wichtigen Aspekten der Lebens- und Werkdaten vertraut, deren narrative Vermittlung die InTaVia-Plattform unterstützt. Dies ist von besonderer Relevanz für die Möglichkeit der manuellen Aufbereitung und Zusammenführung von Kulturdaten (sowohl Biografie- wie auch kulturelle Objektdaten), welche in einem eigenen Datenkuratierungs-Modul angesiedelt ist. Anhand einer Auswahl von Arbeitsdaten für den Workshop werden hierbei die Möglichkeiten aufgezeigt, die sich aus einer etwaigen Nutzung der Plattform für eigene Fallstudien ergeben. 

Kulturelle Objektdaten und Biografiedaten haben eine Vielzahl von Facetten und Dimensionen die für Historiker*innen und Kulturwissenschaftler*innen von Interesse sein können. Zu diesen Dimensionen zählen die geografische Position von biografischen oder künstlerischen Ereignissen, diverse Kategorien von Ereignissen oder kulturellen Entitäten (Objekte oder Personen), Relationen zwischen Personen und/oder Objekten, sowie chronologische Abfolgen und Zusammenhänge. Diese Aspekte können auf verschiedenen Ebenen der Aggregation visualisiert werden - und in der Folge mit Medien, Texten und interaktiven Elementen angereichert und narrativ vermittelt werden (vgl. Abbildung 2). Der Workshop wird zu diesem Zweck das Visualisierungsmodul der InTaVia-Plattform kurz einführen, um den Schwerpunkt auf die praktische Gestaltung von Geschichten mit exemplarischen Objekt- und Akteursdaten zu legen.

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Abbildung 2: Ausschnitte aus einam Storyboard mit geographischer, temporaler und Häufigkeitsvisualisierung (v. links nach rechts)

3) Feedback: Während der explorativen Arbeit mit den Modulen der Plattform werden Fragen und Hinweise der Teilnehmer*innen notiert um im Rahmen der weiteren Arbeit am Forschungsprojekt in die nutzer*innen-zentrierte Entwicklung der Plattform einfließen zu können. Dazu werden sowohl die anonymisierten Notizen zu Aktivitäten des ‘lauten Denkens’ von Teilnehmer*innen dienen, wie auch die Rückmeldungen eines kompakten strukturierten Feedbackbogens.

Format:

Der Workshop ist als Halbtagesveranstaltung konzipiert mit Fokus auf die Erkundung, Erprobung und Diskussion von Methoden der narrativen Kulturdatenvisualisierung. Seine intendierte Zielgruppe reicht von interessierten Praktiker*innen aller kulturellen Institutionen bis hin zu Historiker*innen und Expert*innen der digitalen Geisteswissenschaften mit Interesse an Storytelling und Wissensvermittlung. Für die Teilnahme gibt es keine Voraussetzungen mit Blick auf inhaltliches oder technisches Vorwissen. Für die praktische Arbeit an den Daten genügt die Mitnahme eines Laptops. Die Gruppengröße ist auf 30 Teilnehmer*innen beschränkt. Für die technische Raumausstattung wird ein Beamer, ein Medienkoffer, sowie Whiteboards oder Pinnwände beantragt. 



Fördernachweis: Das Projekt InTaVia ( https://intavia.eu ) wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des H2020 Research and Innovation Programme, Grant Agreement No. 101004825 gefördert.


Bibliographie

  • Bolin, Hans. 2010. “The re-generation of mythical messages: Rock art and storytelling in northern Fennoscandia”. Fennoscandia Archaeologica 27: 21-34.
  • Dykes, Brent (2019). Effective data storytelling: how to drive change with data, narrative and visuals . John Wiley & Sons.
  • Khan, Nadim Akhtar, Shafi, S. M., and Ahangar, Humma. 2018. “Digitization of cultural heritage: Global initiatives, opportunities and challenges.” Journal of Cases on Information Technology (JCIT) 20: 1-16.
  • Khulusi, Richard, Kusnick, Jakob, Focht, Josef, and Jänicke, Stefan. 2019. “An interactive chart of biography”. In 2019 IEEE Pacific Visualization Symposium (PacificVis) ,  257-266. IEEE.
  • Kusnick, Jakob, Jänicke, Stefan, Doppler, Carina, Seirafi, Kasra, Liem, Johannes, Windhager, Florian, and Mayr, Eva. 2021. “ Report on narrative visualization techniques for OPDB data ”. Deliverable of the H2020 project InTaVia. Online  
  • Riche, Nathalie Henry, Hurter, Christophe, Diakopoulos, Nicolas, & Carpendale, Sheelagh. 2018. Data-driven storytelling . CRC Press.
  • Schlögl, Matthias, Windhager, Florian, Mayr, Eva, und Kaiser, Maximilian. 2019. Biographische Informationssysteme (DPBs, Digital Knowledge Databases, Virtual Research Environments) [Data set]. Zenodo. 10.5281/zenodo.2593761  
  • Segel, Edward, and Heer, Jeffrey. 2010. “Narrative visualization: Telling stories with data”. IEEE transactions on visualization and computer graphics 16: 1139-1148.
  • ter Braake, Serge, Fokkens, Antske S., Sluijter, Ronald, and Declerck, Thierry. 2015. Biographical Data in a Digital World 2015: Proceedings of the First Conference on Biographical Data in a Digital World (BD2015) . CEUR Workshop Proceedings. http://ceur-ws.org/Vol-1399/  
  • ter Braake, Serge, Fokkens, Antske, Sluijter, Ronald, Arthur, Paul, and Wandl-Vogt, Eveline. 2018. Biographical Data in a Digital World 2017: Proceedings of the Second Conference on Biographical Data in a Digital World 2017 (BD2017) . CEUR Wokshop Proceedings, 2119 . http://ceur-ws.org/Vol-2119/  
  • Windhager, Florian, Federico, Paolo, Schreder, Günther, Glinka, Katrin, Dörk, Marian, Miksch, Silvia, and Mayr, Eva. 2018. “Visualization of cultural heritage collection data: State of the art and future challenges”. IEEE transactions on visualization and computer graphics 25: 2311-2330.
  • Windhager, Florian, Mayr, Eva, Schlögl, Matthias, und Kaiser, Maximilian. 2022. “Visuelle Analyse und Kuratierung von Biographiedaten”. In Digital History. Konzepte, Methoden und Kritiken Digitaler Geschichtswissenschaft , ed. K. Döring et al., 137-150. Amsterdam: DeGruyter.  10.1515/9783110757101-008