Das Konzept der “Prêt-à-Porter” Edition (Pierazzo, 2019) sieht digitale Edition vor, die vollständig auf Standardsoftware basieren. Dieser Ansatz sollte die Barrieren für die Erstellung digitaler Editionen (Robinson, 2016) reduzieren und ermöglichen, dass es auch für Einzelforscherinnen, Einzelforscher, Studierende, und Miniprojekte möglich wird, digitale Editionen selbst zu erstellen. Dafür ist Softwarewerkzeugunterstützung notwendig, sowohl bei der Erstellung, wie auch bei der Bereitstellung der digitalen Edition, was Roselli Del Turco (2016) als die Production und Presentation Phasen bezeichnet.
In Hall (2024) wurde mit der“μEdition” Software ein Werkzeug vorgestellt, welches dem Prêt-à-Porter Prinzip folgt und Herausgeber:inn:en in der Presentation Phase unterstützt. Dazu unterstützt die μEdition sowohl einfache Annotationsformate wie Markdown, wie auch TEI-XML. TEI-XML hat sich aufgrund seiner Flexbilität als das primäre Format für die Annotation von Texten in digitalen Editionen (vgl. Burrows et al., 2021; Giovanetti and Tomasi, 2022)etabliert. Die Flexibilität bringt aber auch ein hohes Grad an Komplexität mit sich und das stellt eine signifikante Hürde für den Einstieg in die Editionserstellung dar. Die μEdition hat zwei Ansätze um diese Hürde zu reduzieren. Erstens kann eine Basisannotation mittels Markdown durchgeführt werden und zweitens wird mit dem hier vorgestellten μEditor eine web-basierte, graphische Editorumgebung für μEditionen und TEI-XML zur Verfügung gestellt.
μEditor
Die μEdition unterstützt die Edition in der Presentation Phase, bringt aber nur grundlegende Funktionalität für die Production Phase. Der μEditor1 erweitert daher die μEdition um einen web-basierten Editor, der die Arbeit mit der μEdition vereinfacht (Abb. 1). Insbesondere unterstützt der μEditor die folgenden Aktivitäten: Verwaltung und Strukturierung der Dateien in der Edition; Bearbeiten der Editionsinhalte; Arbeiten mit Versionskontrollsystemen; Arbeiten im Team.
Verwaltung
Der μEditor bietet alle notwendigen Funktionen an, um den Inhalt der μEdition zu verwalten, inklusive aller normalen Dateiverwaltungsfunktionen und Editoren für die Konfigurationsdateien für den μEditor und die μEdition. Die Editoren für die Konfigurationsdateien sind zur Zeit noch sehr rudimentär, aber die Entwicklung nutzerfreundlicherer Editoren für die Konfiguration sind in Planung.
Arbeiten mit TEI-XML
TEI-XML ist ein hochgradig flexibles Datenformat, aber die händische Bearbeitung von XML Dateien ist ein umständliches Unterfangen und Werkzeuge wie Ediarum (Dumont and Fechner, 2014) sind notwendig, um die Arbeit mit TEI-XML zu erleichtern. Um die Arbeit mit TEI-XML in der μEdition zu erleichtern bietet der μEditor bietet einen integrierten TEI-XML Editor, welcher einen What-You-See-TEI-You-Get Ansatz nutzt, wie in Abbildung 1 sichtbar. Die HTML Darstellung im μEditor nutzt dabei die gleiche HTML Struktur wie der Output der μEdition. Dadurch kann der μEditor die CSS Dateien der μEdition laden und so eine direkte Vorschau auf das Ergebnis ermöglichen.
Der μEditor ist hochgradig konfigurierbar, hat aber eine grundlegende Einschränkung für das TEI-XML. Es ist im μEditor nicht möglich mixed-content XML zu bearbeiten. Das bedeutet, dass der zu bearbeitende Text nur in den Blattknoten des XML erlaubt ist, wie im folgenden Beispiel:
<p>
<span>Dies ist </span>
<hi>erlaubt</hi>
<span> .</span>
Text hier ist nicht erlaubt und wird entfernt.
</p>
Diese Einschränkung hat auch eine Reihe von Vorteilen. Erstens kann derartiger Text leichter maschinell verarbeitet werden. Zweitens kann derartiges XML visuell schön formatiert werden, was sowohl das Lesen des XMLs einfacher macht, wie auch die Integration mit Versionskontrollsystemen vereinfacht.
Arbeiten mit Versionskontrollsystemen und im Team
In der Arbeit mit Versionskontrollsystemen und im Team ist der μEditor relativ flexibel, um leichter in die Abläufe einzelner Projekte eingebettet zu werden und alle Funktionen sind optional.
Generell ist die Nutzung eines Versionskontrollsystems Best-practice für die Datensicherung und der μEditor unterstützt direkt die Nutzung von Git als Versionskontrollsystem. Änderungen an Dateien werden automatisch als Änderungen im Versionskontrollsystem gespeichert. Dadurch können diese Änderungen auch jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Zusätzlich unterstützt der μEditor das Arbeiten mit Zweigen im Versionskontrollsystem und die Integration mit Onlineservices wie GitHub und GitLab.
Der μEditor kann lokal genutzt werden, aber kann auch als Onlineservice zur Verfügung gestellt werden, was besonders für die Arbeit in größeren Teams nützlich ist. Für dieses Nutzungsszenario muss eine Datenbank bereitgestellt werden und dann im μEditor konfiguriert werden. Dies aktiviert die Benutzerverwaltung im μEditor und der μEditor kann sicher online bereitgestellt werden.
Aussicht
Der μEditor wird zur Zeit aktiv im Rahmen der Gutzkow Digitalen Gesamtausgabe weiterentwickelt. Unter anderem wird an der Nutzerdokumentation, einem visuellen Editor für Markdown, sowie an visuellen Editoren für die Konfigurationsdateien gearbeitet. In längerfristiger Planung ist die Erweiterung der kollaborativen Arbeitsfunktionen, unter anderem mit der Option des gemeinsamen Arbeitens an einer Datei, sowie der Kommentier- und Diskussionsfunktionen. Als junges Projekt ist auch Input von anderen Projekten erwünscht, um die Software weiter zu verbessern.
Bibliographie
- Burrows, Toby, Matthew Holford, David Lewis, Andrew Morrison, Kevin Page, and Athanasios Velios. "Transforming TEI manuscript descriptions into RDF graphs." Graph Data-Models and Semantic Web Technologies in Scholarly Digital Editing 15 (2021): 143.
- Giovannetti, Francesca, and Francesca Tomasi. "Linked data from TEI (LIFT): A Teaching Tool for TEI to Linked Data Transformation." Digit. Humanit. Q. 16, no. 2 (2022).
- Hall, Mark. "μEdition – Niedrigschwellige Digitale Editionen" DHd 2024 Quo Vadis DH (DHd2024), Passau, Deutschland. https://doi.org/10.5281/zenodo.10698488
- Pierazzo, Elena. "What future for digital scholarly editions? From Haute Couture to Prêt-à-Porter." International journal of digital humanities 1 (2019): 209-220.
- Robinson, Peter MW. "Project-based digital humanities and social, digital, and scholarly editions." Digital Scholarship in the Humanities 31, no. 4 (2016): 875-889.
- Rosselli Del Turco, Roberto. "The battle we forgot to fight: Should we make a case for digital editions?." In Digital scholarly editing: theories and practices, vol. 4, pp. 219-238. Open Book Publishers, 2016.