Gesamtsitzung am 28. Mai 1851
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A 47.
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.
Protokoll
der Gesammtsitzung am 28. Mai 1851.
Anwesend: der Präsident Stellvertreter Ritter von Baumgartner
der provisorischep. General-Secretär Schrötter
der zweite Secretär Wolf.
Die wirklichen Mitglieder:
Freiherr Hammer-Purgstall
von Prechtl
Grillparzer
Hyrtl
Partsch
Arneth
von Stampfer
von Ettingshausen
Schafařik
Chmel
Palacky
Weber
Stülz
Unger
Redtenbacher
Hyrtl
Auer
Koller
Bergmann
Kollar
Doppler
Fenzl
Pfizmaier
von Karajan
Reuss
Fitzinger
Diemer
von Kudler
Heckel
Boué
Diesing
Rokitansky
Skoda
Rochleder
Springer
Petzval
Brücke.
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Verhandlungen.
Der provisorischep. General-Secretär
liest der Erlaß des hohen
Cu-
rators vom 27. dss. Mts. Zahl
22/AdW, wodurch der Akademie
die Wahl ihre Vice-Präsi-
denten in der Weise, wie
es das erstemal geschehen,
überlassen wird.
In Folge dessen schreitet
die Akademie zur Vornahme
dieser Wahl; bei der ersten
Abstimmung erhält der Herr
Regierungsrath Joseph Chmel
von 40 Anwesenden 30 Stimmen;
unter den übrigen erhielten
die Herren Arneth 4,
Grillpar-
zer 2, Freih. Hammer-Purgstall,
v. Kudler, Bergmann und
Pfiz-
maier jeder eine Stimme.
HerrHr. Regierungsrath Chmel
dankt ablehnend für die auf
ihr gefallene Wahl, und liest
folgendes Schreiben, um
des-
sen Aufnahme ins Protokoll
er ansucht.
Hochverehrte Herren!
"So ehrenvoll und
erfreu-
lich mir Ihre gütige Wahl
auch mit Recht sein muß,
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fühle ich doch weder die Kraft
noch die Lust in mir,
Ih-
rem wohlwollenden
Vertrau-
en entsprechend, den mir
zuerkannten Ehrenposten
an-
zutreten.
Erlauben Sie, hochverehrte
Herren, Ihnen die Gründe
kurz anzugeben, welche mich
dazu bestimmen.
Entweder ist die Stelle, eines
Vice-Präsidenten, respective
Präsidenten der zweiten
Clas-
se die eines Figuranten, oder
sie ist eine sehr wichtige
und an nicht geringe
For-
derungen geknüpfte.
Das erste zu werden,
ha-
be ich wirklich keine Lust, den
letztern zu entsprechen fühle
ich mich unfähig.
Unsere junge Akademie
hat eine sehr ernste
, die sich stets
gegenwär-
tig zu halten, uns allen
sehr ersprießlich sein
dürf-
te.
Wenn ich dieselbe recht
auffasse, soll sie nicht bloß
durch ihre Mitglieder die
ihr zugewiesenen
wissen-
schaftlichen Fächer
bearbei-
ten und möglichst erweitern,
sondern auch fremde Leistun-
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gen ermuntern und
unter-
stützen, ja selbe veranlassen.
Die kaiserliche Akademie
der Wissenschaften in wien,
sollte das wissenschaftliche
Cen-
tral-Organ aller
derarti-
gen Bestrebungen des
öster-
reichischen Kaiser-Staates
werden.
Insbesondere ist dies ihre
Aufgabe geworden seit dem
4. März 1849, dringender noch
als bei ihrer Stiftung,
ob-
gleich auch damals schon das
ausgesprochen wurde.
Meine Herren! Die
philoso-
phisch-historische Classe hat
dem bei weitem
Theil bei der Lösung
dieser Aufgabe.
Nicht als wenn ihr
wissen-
schaftliches Feld ein viel
wei-
teres und mühsameres
wä-
re, als das der
Mathema-
tik und der
Naturwissen-
schaften, o nein - der Stoff
beidenr Classen dürfte an
Umfang und Tiefe so
ziem-
lich sich gleichen.
Aber die Arbeiten gleichen
sich nicht. Am wenigsten in
unserm Kaiserstaate.
Während das Princip der
Ma-
thematik und der
Naturwis-
senschaften die Einheit, die
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Harmonie, die Centripetalkraft
ist, ist es in Philosophie und
Geschichte eher das Gegentheil.
Quot capita tot sensus.
Darum halte ich die
Auf-
gabe und Stellung eines
Prä-
sidenten der philosophisch-hi-
storischen Classe unserer
Aka-
demie für eine sehr ernste,
sehr schwierige.
Unser Streben und Wirken,
soll es am Ende nicht sehr
be-
schränkt, einseitig und
unter-
geordnet werden, bedarf
ei-
ner Belebung, einer
grö-
ßern Theilnahme. Während
die mathematisch-naturwissen-
schaftliche Classe
ten her, Beiträge und
Theil-
nehmer erhält, ist unsere
Classe trotz vielfältiger
Auf-
forderungen, ja Bitten nicht
so kräftig unterstützt worden.
Bairische Geschichtsforscher
ha-
ben mehr Interesse an
un-
sern Unternehmungen als
vaterländische gezeigt!!
Der persönliche Verkehr,
die Correspondenz, die
unserer Classe
Noth, dazu nun könnte und
sollte allerdings der
Präsi-
dent viel, ja das meiste
bei-
tragen, dafür hat er auch,
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wo mir recht ist, seinen nicht
unbeträchtlichen Functions-Ge-
halte.
Ich für meinen Theil
ha-
be mir eine wissenschaftliche
Aufgabe gestellt (die
Ge-
schichte des Hauses Habsburg),
welche möglichste Schonung der
Zeit, ganze Concentrirung
der Kräfte erfordert und
ge-
bietet. Ich habe einen
gro-
ßen Quellen-Reichthum zu
benutzen, diesen möchte ich
die vielleicht mir nicht gar
zu lange zugemessene Zeit
hindurch möglichst ausbeuten,
von erschöpfen ist ja keine
Rede.
Ich möchte eher die Stelle
eines wirklichen Mitgliedes
der kaiserlichen Akademie
niederlegen, und mich mit
der eines correspondirenden
begnügen, als die mir
zu-
gedachter Ehrenstelle, auf
ei-
ne Weise auszufüllen, die
Ihren Erwartungen und den
gerechten Forderungen des
Vaterlandes nicht
entsprä-
che.
Ich danke verbindlichst
und bitte, diese meine
Er-
klärung ins Protokoll
auf-
zunehmen."
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Die Akademie überzeugt
sich, daß es fruchtlos sei, den
Entschluß des Hrn Chmel
wan-
ken zu machen - spricht
dem-
selben allgemein und
wieder-
holt ihr Bedauern darüber
aus, und schreitet zu der
dadurch nöthig gewordenen
neuen Abstimmung. Bei
die-
ser ergaben sich von 40
Stim-
men:
12 für Hrn von Karajan
8 " " Arneth
6 " " Grillparzer
5 " Freiherrn Hammer-
Purgstall
5 " Freiherrn von Münch
2 " " Wolf
1 " " von Kudler
1 " " Pfizmaier.
Es zeigte sich aus dieser
Abstimmung, daß keine
abso-
lute Mehrheit ohne
vorher-
gehender Besprechung zu
hof-
fen sei, und die weitere
Abstimmung wird demnach bis
zum Ende der Sitzung
ver-
schoben.
Hierauf beschäftiget sich
die Akademie mit der
Zu-
erkennung der
ausgeschrie-
benen Preise und der
Aus-
schreibung neuer
Preisfra-
gen, und zwar:
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1stens
Wird auf Antrag der
philosophisch-historischen
Clas-
se die auf die philologische
Preisfragen eingegangene
Schrift mit dem Motto: "Non
fumum ex fulgore" von
der Akademie einstimmig
mit dem Preise betheilt.
Bei Eröffnung des
ver-
siegelten Zettels mit der
erwähnten Devise ergibt
sich als Verfasser dieser
Preisschift: HerrHr. Dtor Franz
Miklosich, dem somit der
Preis feierlichzugesprochen
wird.
Die philosophisch-historische
Classe zeigt an, daß sie
für gut befunden habe, für
diesmal keine neue
philo-
logische Preisfrage
auszu-
schreiben; hingegen für die
ersten beiden historischen
im Jahre 1848
ausgeschrie-
bene, deren Termin mit
De-
cember 1851 abgelaufen, und
worauf keine
Beantwor-
tung eingegangen war, den
Termin bis zu Ende
Decem-
ber 1852 zu verlängern,
und bei dieser Gelegenheit
auch der übrigen 3
histori-
schen Preisfragen in
Erin-
nerung zu bringen.
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Die Akademie billigt
die-
ses Vorgehen, und erhebt den
Antrag der philosophisch-histo-
rischen Classe zum Beschluß.
Werden die neuen von
der mathematisch-naturwis-
senschaftlichen Classe in
Vor-
schlag gebrachten
Preisauf-
gaben verlesen, und von
der Akademie definitiv
an-
genommen.
2tens
Es sind folgende:
1tens Ermittelung des
Zusammen-
hanges zwischen dem Druck
und der Dichte der Gase
bei constanten
Temperatu-
ren.
2tens Untersuchung der
Kry-
stallformen der in den
La-
boratorien erzeugten
Natur-
producte.
3tens Möglichst scharfte
Be-
stimmung der Massen der
Hauptplaneten.
Für jede der beiden ersten
wird ein Preis von 200 - die dritte der Preis
von 300 österreichischen
Münz-
dukaten festgesetzt.
Hierauf trägt der p.
Ge-
neral-Secretär ein
Ge-
such des Kanzlei-Personales
um Verbesserung ihrer Stel-
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lung und ihrer Gehalte vor
und trägt darauf an, nicht
wie bisher üblich,
Remune-
rationen zu geben, sondern
eine entsprechenden Erhöhung
des Gehaltes ein für
alle-
mal zu bewilligen.
Der Herr Präsident
be-
merkt, daß es
zwenckmässi-
ger gewesen wäre, wenn
das Kanzlei-Personale
die-
ses Gesuch früher dem
Prä-
sidium überreicht hätte, um
es vorläufig einer
Commis-
sion zur reiflichen Prüfung
zu übergeben; da dies aber
nicht geschehen, beantrage
er, die Akademie wolle sich
zuerst über den eben
ge-
stellten Antrag des
Ge-
neral-Secretärs im
All-
gemeinen aussprechen.
Nachdem mehrere
Mit-
glieder zu Gunsten
die-
ses Antrages gesprochen,
be-
schließt die Akademie, statt
der bisher üblichen
zeitwei-
sen Remunerationen eine
Gehaltserhöhung dem
Perso-
nale zu bewilligen.
Der Herr Präsident
stellt nun den Antrag,
ei-
ne Commission zu ernennen,
die auf Grundlage dieses
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dieses Beschlusses die
nä-
heren Modalitäten, über
dessen Ausführung genau
zu erwägen, und der
Aka-
demie in der nächsten
Gesammtsitzung am 3. Juli
darüber Bericht zu
erstat-
ten habe, sogleich aber
festzustellen, daß sie
spä-
ter auszumessende
Ver-
besserung der Gehalte
je-
denfalls mit 1. Juni in
Wirksamkeit zu treten
ha-
be.
Dieser Antrag wird von
der Akademie
angenom-
men und die Commission
aus den beiden
Secretä-
ren und den Herren
von Karajan und Zippe
zusammengesetzt.
Nach einer
Unterbre-
gung der Sitzung zum
Behufe einer
Bespre-
chung über die Wahl
des Vice-Präsidenten
schreitet die Akademie zur
Vornahme dieser Wahl.
Vorläufig erklärt jedoch
Freiherr Hammer-Purgstall,
er ersuche, ihn, bei die-
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ser Wahl nicht weiter zu
be-
rücksichtigen und erlaube
sich bei dieser Gelegenheit
zu wiederholen, was er gleich
bei Errichtung der Akademie
gegen den damaligen
ho-
hen Curator geäußert, daß
er die Auswerfung von
Func-
tionsgehalten für die
Prä-
sidenten nicht passend finde.
HerrHr. Regierungsrath Arneth
bemerkt, er theile
vollkom-
men die Meinung des
Vor-
redners in Rücksicht der
Functionsgehalte der
Prä-
sidenten.
HerrHr. Grillparzer ersucht,
da auch auf ihn einige
Stimmen fielen, bei der
vor-
zunehmenden Wahl ihn nicht
zu berücksichtigen.
Als man dann die Wahl
vornimmt, ergaben sich:
für Hrn von Karajan 27 Stimmen
" " Arneth 6 "
" " Grillparzer 4 "
" " Wolf 2 "
" Freih. von Münch 1 "
Herr von Karajan
er-
hielt also die absolute
Stimmenmehrheit zum
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Vice-Päsidenten der
kai-
serlichen Akademie der
Wis-
senschaften.
Hiemit wurde der Sitzung
um 2 Uhr geschlossen.
ABaumgartner
ASchrötter
p. Gen. Secr.