Sitzung der phil.-hist. Klasse am 5. Jänner 1848

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C. 5.


Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.


Protokoll


der Sitzung der historisch-philologischen Classe


am 5. Jänner 1848.


Anwesend: Der Herr Hr . Präsident Baron von Hammer-Purgstall


Die wirklichen Mitglieder Herr Grillparzer
Herr - Arneth
Herr - Baron von Hügel
Herr - Chmel
Herr - Endlicher
Herr - Baron von Münch
Herr - Auer
der Secretär Herr - : - Wolf
als Gast der Herr - : - General-Secretär von Ettingshausen.


Verhandlungen


Der Secretär liest die beiden jüngst
ergangenen hohen Erlasse Seiner kaiser-
lichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn
Curators vom 16 ten und vom 26 ten December
1847 an die kaiserliche Akademie, der
Classe vor, in deren ersterem die Fälle be-
stimmt sind, in welchen das Präsidium der
Akademie ermächtiget wird, unmittel-
bar
mit der Hofkammer und der Hofkanz-
lei zu verhandelt; in dem letzteren aber
der kaiserlichen Akademie angezeigt
wird, daß Seine Majestät geruht haben,

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den 2 ten Februar zur außerordentlichen
feierlichen Eröffnungssitzung zu bestim-
men, daß und unter welchen Modalitä-
ten die auswärtigen wirklichen Mitglie-
der dazu einzuberufen seien; daß in
mehreren vorhergehenden Classen- und
Gesammtsitzungen die Wahlen der
noch fehlenden wirklichen Mitglieder,
der Ehrenmitglieder und der in- und aus-
ländischen correspondirenden Mitglieder
vorzubereiten und vorzunehmen seien;
daß man sich ferner mit Ausschreibung
der Preisfragen und mit Entwerfung des
Budgets zu beschäftigen habe, daß endlich
Seine kaiserliche Hoheit sich vorbehalte, die
Akademie von den allerhöchsten Entschei-
dungen über die Anfrage wegen der
"Censurfreiheit" und "des Eigenthums
der mittels der Staatsdruckerei von der
Akademie herausgegebenen Werke", so-
bald sie erfolgte, in Kenntniß zu setzen.


Herr Regierungsrath Endlicher und
Herr Baron von Münch äußern ihr
Erstaunen über die letzten Stelle des
hohen Erlasses, worin einer Anfrage
der Akademie Erwähnung geschieht,
wegen der Censur und des Eigen-
thums
der mittels der Staatsdrucke-
rei von der Akademie herausge-
gebenen Werke. "Sie können sich nicht
entsinnen, daß die Akademie je be-
schlossen habe, Seine kaiserliche Hoheit
den durchlauchtigsten Herrn Curator
zu bitten, deshalb eine Anfrage zu
stellen, wohl aber wegen der höchst
nöthigen und dringenden Lösung der

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Frage: was und wieviel die kaiserlich-königliche k. k. Staats-
druckerei ermächtiget sei, für die
Akademie unentgeltlich zu drucken, da
davon die Regelung des Budget's der
Akademie abhänge. Sie könnten daher
nur annehmen, daß der Herr Präsi-
dent
in einem Separat -Berichte an Sei-
ne kaiserliche Hoheit von dem die Aka-
demie nichts wisse
obige Anfrage zu
stellen gebeten habe?


Der Herr Präsident entgegnete
er habe nur wegen der Censur in einem
besonderen Vortrag Seine kaiserliche
Hoheit
um Verwendung gebeten, er
habe zu wiederhohltenmalen der Aka-
demie vorgeschlagen, sich selbst wegen
der Censur an Seine kaiserliche Hoheit
zu wenden, und da dies die Akademie
abgelehnt, habe er angekündet, daß
er hierüber einen Separat-Vortrag
erstatten werde, worauf ihm Herr
Baron von Münch zugerufen, daß er
dies nur thun möge; übrigens glaube
er, daß er berechtiget sei, Präsidial-
Berichte
zu machen, die er der Akade-
nur nicht vorzulegen brauche.


Herr Regierungsrath Endli-
cher
erwidert, daß er dieses Recht,
Berichte zu machen, welche die Aka-
demie weder gutgeheißen, noch ihr
überhaupt bekannt gemacht worden
seien, dem Präsidenten durchaus
bestreiten müße.


Herr Baron von Münch be-
merkt dazu, wie die Akademie durch
solche ohne ihr Vorwissen gemachte Prä-
sidial-Berichte in Gefahr komme,

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mißverstanden zu werden, und wie
dann Erlasse erfolgen können, die
ihren Bitte und Ansichten gera-
de zu widerstreiten oder doch die
Hauptsache unberücksichtigt lassen,
wie in dem vorliegenden Falle.


Der Herr Präsident versi-
chert wiederhohlt, daß er wegen des
Verhältnisses zur Staatsdruckerei in
keinem Separat-Vortrage Seine kai-
serliche Hoheit
anzufragen gebeten
habe.


Herr Baron von Hügel
frägt, ob ein Buch existiere, worin die
Verhandlungen des Präsidenten mit
Seiner kaiserlichen Hoheit dem durch-
lauchtigsten Herrn Curator registrirt
werden?


Der Herr General-Secretär
erwidert, es existiere allerdings ein
Protokoll über die Präsidial-Noten in
Bezug auf das hohe Curatorium; aber
unter diesen befinde sich keine, von
deren Inhalt nicht die Akademie in
Kenntniß gesetzt worden sei.


Herr Baron von Münch findet sich
bei dieser Gelegenheit veranlaßt, zu
bemerken, daß es nicht gleichgiltig sei,
wie die Befehle des Curatoriums aus-
geführt würden, und daß daher nicht
nur diese der Akademie vorzutragen
seien, sondern auch die Art und Weise
wie man sie zu realisieren gedenke.


Der Herr General-Secretär
erklärte sich zwar im Ganzen einver-
standen mit dieser Bemerkung, doch
gebe es Fälle – wie den vorliegenden

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der Einberufung der auswärtigen
Mitglieder zur feierlichen Eröffnungs-
sitzung, – die so dringend seien, daß
man ihre Erledigung nicht bis zur näch-
sten erst in ein paar Wochen statthabenden
ordentlichen Gesammtsitzung verschie-
ben könne und bloß deshalb , worüber
ohnehin keine eigentlichen Discussion
stattfinden könne, eine außerordent-
liche Gesammtsitzung
einzuberufen,
scheine ihm unnöthig und daher in
Beziehung auf die nun bewilligten
Gegenwartsgelder der von der Aka-
demie zu beobachtenden Discretion
unangemessen; er habe vielmehr ge-
glaubt, daß in dringenden Fällen der
Art es den Vorständen überlassen wer-
den müsse, nach bestem Wissen- und Ge-
wissen die geeignetsten Mittel der
Ausführung anzuordnen und davon
sobald als möglich – also wie in dem
vorliegenden Falle schon in den näch-
sten Classen-Sitzungen
– die Mitglie-
der zu verständigen und so die Sanc-
tion der Akademie nachzuhohlen.


Herr Regierungsrath End-
licher
billigt, wie die übrigen anwe-
senden Mitglieder vollkommen das
Verfahren der Vorstände in dem ge-
gebenen Fall. Aber nochmals müs-
se er seine Mißbillung aussprechen
des Verfahrens, wenn einer der
Vorstände, sei es auch der Präsident
selbst, sich erlaubte, Angelegenhei-
ten der Akademie und in ihrem Na-
men in besonderen nicht zu ihrer
Kenntniß gekommenen Vorträgen,

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Präsidialnoten, oder selbst in einer
halbofficiellen Privatcorrespondenz mit
dem Curatorium zu verhandeln, so
könne er sich nicht der Vermuthung
entschlagen, daß eben das gegenwär-
tige Mißverständniß wegen des
Verhältnisses zur Staats-Druckerei
durch eine solche Privatcorrespondenz
veranlaßt worden sei, was um so
mehr zu bedauern sei, da das Eigen-
thumsrecht der von der Staatsdrucke-
rei für die Akademie gedruckten
Werken kein dringender, und sich
aus der Regelung der kostenfrei o-
der nicht von der Staatsdruckerei für
die Akademie zu liefernden Drucksa-
chen fest von selbst als Corollar
ergebenden Gegenstand sei, während
diese Regelung so dringend ist, daß
ohne sie die Akademie – nicht einmal
einen approximativen Voranschlag ihres
Budgets vornehmen könne.


Herr Baron von Münch be-
merkt dazu, daß solche separate oder
privative Mittheilungen und Vorträge
der Vorstände um so unnöthiger seien,
als es ja ihnen, wie jedem Mitgliede
frei stehe, vota separata zu geben,
nur müßten diese dann in den Pro-
tokollen der Akademie
niederge-
legt werden.


Der Herr Präsident wie-
derholt nochmals daß er das Miß-
verständniß wegen der Staats-
druckerei auf keine Weise veran-
laßt zu haben sich bewußt sei; er
gibt sein Ehrenwort, daß er über-

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haupt in den schriftlichen Mittheilungen
und Vorträgen an das Curatorium
von was immer für einer Art
nichts gesagt habe, was er nicht in
den Sitzungen der Akademie vorge-
brachte und zu sagen sich vorbehalten
habe. Uibrigens müsse er auch wieder-
holen, daß er nicht nur sich persönlich
sondern die Würde eines Präsidenten
der Akademie überhaupt für präjudi-
ziert halte, wenn man ihm das Recht
streitig machen wolle, dem Curato-
rium auf dem Präsidial-Wege Mitthei-
lungen über akademische Angelegen-
heiten zu machen, auch ohne sie vorher
der Akademie bekannt gegeben und deren
Zustimmung dazu eingeholt zu haben;
daß er am wenigstens die Classe für be-
fugt halte, ihm dieses Recht streitig ma-
chen zu wollen, und daß er deshalb jeden-
falls an die Entscheidung der Gesammt-
Akademie
appelliere, und daher die wei-
tere Verhandlung darüber nur Gegenstand
einer Gesammtsitzung sein könne.


Die Classe beschließt – in Anbe-
tracht der Dringlichkeit der Frage we-
gen des Verhältnisses der Akademie
zur Staatsdruckerei und der von ihrer
Lösung abhängigen Möglichkeit , ein
Budget zu entwerfen – den Herrn
Präsidenten zu bitten, eine außer-
ordentliche Gesammtsitzung auf

nächsten Sonntag den 9 tenJänner
einzuberufen, worin vor allem über
diese Frage und das darnach zu stellen-
de Bittgesuch an das hohe Curatorium;
dann aber auch über die hier angeregte

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Frage wegen der Berechtigung des Prä-
sidenten
, eine Präsidial-Correspondenz
auch ohne Einvernehmen und Verständi-
gung der Akademie zu führen, verhan-
delt und Beschlüße gefaßt werden sollen.
Der Herr Präsident willigt in
diese Einberufung einer außerordent-
lichen Gesammtsitzung und beauf-
tragt damit den Herrn General-
Secretär
.


Herr Baron von Hügel frägt,
ob behufs der nun bald vorzunehmenden
Wahlen um Verzeichniß der Mitglieder
nach den Classen mit Berücksichtigung
ihrer Erklärung, zu welcher Classe sie
gezählt sein wollen, gemacht worden
sey?


Der General-Secretär und der
zweite Secretär bemerken, daß durch
Vorlesung des von dem Herrn Präsiden-
ten
erlassenen Einberufungs-Circulars
an die auswärtigen Mitglieder sich die-
se Frage von selbst beantworten werde,
indem man daraus ersehen werde, wie
man sie mit Rücksicht auf die gegebenen
Verhältnisse und besonders auf den Um-
stand, daß die historisch-philologische
Classe statt der statutenmäßig vorge-
schriebenen zwölf in Wien anwesenden
wirklichen Mitglieder jetzt nur neun
zähle, also drei Ergänzungswahlen die-
ser Categorie vornehmen müsse, zu lö-
sen gesucht habe.


Hierauf liest der Secretär das
erwähnten Circular vor, womit sich die
Mitglieder einverstanden erklären.

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Herr Regierungsrath End-
licher
erlaubt sich jedoch noch den Wunsch
auszusprechen, daß der Herr General-
Secretär
sich bei der anderen Classe ver-
wenden möge, der historisch-philolo-
gischen noch die Wahl Eines auswärti-
gen wirklichen Mitgliedes zu über-
lassen; denn wiewohl sie streng ge-
nommen kein Recht darauf habe, so
wäre dies doch höchst wünschens-
werth, um zum Beispiel z. B. die bisher noch gar
nicht vertretene Provinz Polen be-
berücksichtigen zu können. Durch Reci-
procität ließe sich dies in der Folge
wieder ausgleichen.


Der Herr General-Secretär
erklärt sich bereit diesen von den
übrigen Mitgliedern der Classe ge-
billigen Wunsch des Herrn Regierungs-
raths Endlicher der anderen Classe vor-
zutragen und zu unterstützen.


Der Secretär legt nun der
Classe die neu gekommenen Einga-
ben vor; und zwar:
(103) 1) von Herrn Stern in Wien, 33 Bän-
de seiner hebräischen Werke, nebst
einem Schreiben worin er um Er-
nennung zum correspondirenden
Mitgliede bittet, da er vernommen,
daß die Akademie bei der Wahl der-
selben einen mit der hebräischen
Literatur vertrauten Gelehrten be-
rücksichtigen wolle.


Der Herr Präsident hält sich
für verpflichtet bei dieser Gelegen-
heit der Classe wiederhohlt zu empfehlen,
einen solchen Gelehrten bei den bevor-

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stehenden Correspondenten-Wahlen
zu berücksichtigen, und schon jetzt
über die Nothwendigkeit daß die
hebräische Literatur in der Akademie
vertreten werde, sich auszusprechen.


Herr Regierungsrath End-
licher
bekennt, daß er, die Nützlichkeit
einer solchen Wahl zugegeben, durch-
aus nicht einsehe, warum man sich
schon jetzt über die Nothwendigkeit der-
selben aussprechen, und so die hebräi-
sche Literatur vor allen anderen Fä-
chern
, darunter doch mehrere eine Ver-
tretung eben so nöthig haben, bevorzugen
solle?


Auch Herr Baron von Münch
ist dieser Meinung, indem er nochmals
erklärt, daß er von der Nützlichkeit,
ja Nothwendigkeit der Vertretung
der hebräischen Literatur vollkom-
men überzeugt sei, nur aber ihr kei-
nen Vorzug
zum Nachtheil anderer
eben so berücksichtigungswerther
Fächer einräumen könne.


Die Classe begnügt sich dies zur
Wissenschaft zu nehmen, und Herrn
Stern danken zu lassen; hält es aber
nicht für passend, sich schon jetzt über
die Nothwendigkeit auszusprechen, die
hebräische Literatur vorzugsweise
bei der Wahl berücksichtigen zu
wollen.


Der Secretär legt 2) 14 Werke
von Herrn Boucher de Perthes , aus
(115) Abbeville, und 5 Bände der Memoiren
der Société d'Emulation d'Abbeville vor,
deren Präsident Herr Boucher ist, nebst

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einem einbegleitenden Schreiben desselben,
worin er seine Dienste der Akademie
anbietet.


Die Classe beschließt, dem Herrn
Boucher dafür danken zu lassen, und be-
hält sich vor, die Société d'Emulation d'Ab-
beville
bei Vertheilung ihrer Druckschriften
zu berücksichtigen.


Herr Regierungsrath Chmel
liest nun zwei Vorträge vor:


1) Uiber den historischen Verein in Kärn-
ten
, und wie wünschenwerth eine nä-
here Verbindung der kaiserlichen Akade-
mie mit diesem und ähnliche histori-
schen vaterländischen Vereinen, Landes-
museen und so weiter u. s. w. sei.


(130) 2 ) über eine historische Abhandlung
des Herrn Friedrich Firnhaber, Vin-
cenzo Guidoto's Gesandtschaft an den
Hof König Ludwigs von Ungarn, in den
Jahren 1524 und 1525 betreffend, die er
zugleich in dessen Namen überreicht.


Die Classe beschließt ad 1)
einstimmig mit dem histori-
schen Verein in Kärnthen und
anderen ähnliche Vereinen in den
Provinzen sich in nähere Verbindung
zu setzen, sie zu Zusendungen aufzu-
fordern, und sie bei Vertheilung ihrer
Berichte und der von der Akademie
herauszugebenden historischen Werke
zu berücksichtigen; und trägt ihrem
Secretär auf, solchen Vereinen schon
jetzt Exemplare des Programm der
historischen Commission nebst einem
Einbegleitungsschreiben zuzusenden;

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ad 2) Herrn Firnhaber den Em-
pfang seiner Schrift mit Dank zu be-
stätigen und ihn zum Fortschreiten
auf dieser Bahn aufzumuntern.


Hammer-Purgstall
FWolf


AvEttingshausen
Chmel
Endlicher
FreyhvMünch
CAHügel