Sitzung der phil.-hist. Klasse am 24. Jänner 1848

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C. 7.


Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.


Protokoll


der Sitzung der historisch-philologischen Classe


von 24. Jänner 1848.


Anwesend: Der Herr Präsident Freiherr von Hammer-Purgstall
Die wirklichen Mitglieder Herr Labus
Herr " Schafařik
Herr " Arneth
Herr " von Hügel
Herr " Chmel
Herr " Palatzky
Herr " Endlicher
Herr " Jäger
Herr " Weber
Herr " von Münch
Herr " Auer
Der Secretär Herr " Wolf


Als Gast der General-Secretär Herr " von Ettingshausen


Der Herr Präsident bevorwortet
die Sitzung, welche sich mit den von
der Classe ausgehenden Vorschlägen
der wählbaren wirklichen Mitglie-
der, der ausländischen Ehrenmit-
glieder und der in- und ausländischen
correspondirenden Mitglieder der

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historisch-philologischen Classe beschäfti-
gen soll, mit folgender Anrede:


"Es handelte sich heute, geehrte Herrn
um keine Erörterung durch Debatte,
sondern nur um die von der Classe
nach dem Wahl-Circulare zu tref-
fende Bestimmung der Wählbaren.
Wir werden am besten thun, wie
die andere Classe die Fächer, für
welche bereits Kräfte vorhanden sind,
und dann die, für welche solche noch
mangeln, zu überblicken. Grillparzer
und Baron von Münch vertreten
die Pöesie, Chmel die Geschichte,
Endlicher die classische und die chinesi-
sche Literatur, Hügel die Ethnogra-
phie, Arneth die Archäologie, Wolf
und Auer die romanischen und ich
die Sprachen Vorderasiens. Von
allem thut an die Stelle des verstorbe-
nen Wenrich die Ernennung eines
tüchtigen, des Arabischen, Türkischen
und Persischen kundigen Orientalisten
Noth, nicht nur aus dem zunächst lie-
genden Grunde, weil das allerhöchste
Patent zwei solche ernannt hat, sondern
aus dem tiefer liegenden, welcher
jene allerhöchste Entschließung her-
beigeführt hat. Österreich hat seit der
Herausgabe des neuen Meninski, das ist d:i:
seit 60 Jahren durch seine Leistungen
in der orientalischen Literatur ei-
nen ehrenvollen Platz behauptet, und

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der kaiserlichen Akademie liegt so mehr
ob für die Erhaltung dieses guten Namens
zu sorgen, als die morgenländische Ge-
sellschaft Deutschlands nicht in Wien, son-
dern in Halle und Leipzig zu Stande
gekommen. Mein hohes Alter und die
Schwäche meines Gesichtes, hält nicht mehr
gleiches Maaß mit meinen Eifer für
die Benützung orientalischen Hand-
schriften, und die Akademie benöthigt
daher vorzüglich eines des Arabischen,
Türkischen und Persischen kundigen
Orientalisten, wie der große orien-
talische Manuscriptenschatz der Hof-
bibliothek gerade in Werken aus
diesen lebenden; nicht nur für die
Literatur, sondern auch für politischen
und Handelsverkehr wichtigsten drei
Sprachen Vorder-Asiens besteht, deren
Wichtigkeit für Österreich mit der
Sanskrit, von welcher auf der Hof-
bibliothek keine Schätze vorhanden sind,
nicht in Vergleich gezogen werden kann.
Wie ich mit Wenrich's Tod in der
Akademie für die arabische, persische
und türkische Literatur vereinzelt
stehe, so für die Archäologie der
Vertreter derselben. Außer diesen
beiden Hauptfächern der Classe sind
in der Philologie das Altdeutsche,
Slawische und Ungrische nicht ver-
treten, und auch die Geschichte spricht
einen Gehilfen an; es ist also zu
wünschen, daß der dritte zu wählende

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mit vorzüglicher Kenntniß einer der
drei genannten Sprachen, auch im Histo-
rischen bereits Etwas geleistet habe oder
zu leisten im Stande sey."


Herr Regierungsrath Endlicher be-
merkt dagegen,
nachdem er sich in Gemässheit des
Reglements das Wort erbeten hatte
Endlicher
die Classe habe ja beschlos-
sen, sich in keine Debatten über die Wahlen
einzulassen; nun habe aber der Herr
Präsident gegen diesen Beschluß aber-
mals gesündigt und in seiner Anrede
Fingerzeige gegeben, wie man wählen
solle, ja die nach seinem Sinne zu wah-
lenden Individuen deutlich genug bezeich-
net; es müsse daher jedem anderen Mit-
gliede frei stehen, dasselbe zu thun. Er
trage daher darauf an, daß entweder
die in der Anrede des Herrn Präsidenten
vorgebrachten Motive und Andeutun-
gen unberücksichtigt zu bleiben haben,
und auf die Wahl nicht imfluenziren
dürfen, oder daß eine förmliche De-
batte über die zu wählenden wirklichen
Mitglieder eröffnet werde, wobei jeder
Mitstimmende seine Gründe und Gegen-
gründe vorbringen könne.


Der Herr Präsident entgegnet
er habe nach der Geschäftsordnung
das Recht, die Sitzung zu bevorworten.


Herr Regierungsrath Endlicher
erwiedert: das seye kein bloßes Vor-
wort, sondern er habe dadurch gegen
die frühere Verabredung eine Debatte
hervorgerufen, indem er darin
zu Gunsten bestimmter Richtungen
die Wählenden zu bestimmen gesucht,

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und er müsse wenigstens gestatten, die
von ihm vorgebrachten Motive, wenn
er sie geltend gemacht wissen wolle, einer
Debatte zu unterwerfen. Er begehre
daher das Wort . . . . . . . . . . . . .


Der Herr Präsident unterbricht
Herrn Endlicher, indem er ihm zuruft:
"er habe nicht zu reden."


Herr Regierungsrath Endlicher:
"Also heißen Sie mich schweigen?"


Der Herr Präsident: "Ja!"


Herr Regierungsrath Endlicher
erklärt hierauf, da bleibe ihm nichts
übrig, als gegen die Wahl zu protesti-
ren und sich zu entfernen, was er auch
thut – Endlicher


Die Herrn Palatzky und Weber
bemerken, es wäre doch wünschenwerth,
besonders für die auswärtigen Mitglieder,
daß den Wahlen eine Besprechung vorausgehe.


Die Classe aber nimmt nun nach dem
im Wahl-Circulare bestimmten Modus
die Wahlen vor, als deren Resultat
sich ergiebt:


von der Classe als Wählbare
vorgeschlagen:


I. zu wirklichen in Wien anwesenden
Mitgliedern: Bergmann mit 10 Stimmen
Karajan mit 9 Stimmen
Pfitzmayer mit 9 Stimmen
Jászai mit 6 Stimmen
Miklosich mit 6 Stimmen
Diemer mit 4 Stimmen
Feuchtersleben mit 3 Stimmen
Zedtlitz mit 3 Stimmen

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II. zu inländischen correspondirenden Mit-
gliedern
: Bergmann mit 11 Stimmen
Jaszai mit 10 Stimmen
Ankershofen mit 9 Stimmen
Miklosich mit 9 Stimmen
Seidl mit 9 Stimmen
Wartinger mit 9 Stimmen
Wisniewsky mit 9 Stimmen
Blumberger mit 8 Stimmen
Cicogna mit 8 Stimmen
Diemer mit 8 Stimmen
Hanka mit 8 Stimmen
Karajan mit 8 Stimmen
Pfizmayer mit 8 Stimmen
Schedel mit 8 Stimmen
Filz mit 7 Stimmen
Frast mit 7 Stimmen
Gar mit 7 Stimmen
Keiblinger mit 7 Stimmen
Wolny mit 7 Stimmen
Birk mit 6 Stimmen
Gaj mit 6 Stimmen
Boller mit 4 Stimmen
Cipariu mit 4 Stimmen
Czörnig mit 4 Stimmen
Feuchtersleben mit 4 Stimmen
Kaltenbaeck mit 4 Stimmen
Rössler mit 4 Stimmen
Gaisberger mit 3 Stimmen
Goldenthal mit 3 Stimmen
Kollar mit 3 Stimmen
Spaun mit 3 Stimmen


III. zu auswärtigen Ehrenmitgliedern:
Karl Ritter mit 12 Stimmen
Jacob Jac. Grimm mit 11 Stimmen
Horace Hor. Wilson mit 9 Stimmen

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Guizot mit 7 Stimmen
Pertz mit 7 Stimmen
Reinaud mit 7 Stimmen
Uwaroff mit 6 Stimmen
Walkenaer mit 5 Stimmen
Angelo Ang. Mai mit 5 Stimmen
Creuzer mit 4 Stimmen
Gottfried Gottfr. Hermann mit 4 Stimmen
Böckh mit 3 Stimmen
Bopp mit 3 Stimmen
Washington mit 3 Stimmen


IV. zu auswärtigen correspondirenden Mit-
gliedern: Stenzel, mit 11 Stimmen
Schmeller mit 10 Stimmen
Thiersch mit 9 Stimmen
Mohl mit 8 Stimmen
Burnouf mit 7 Stimmen
Gustav Gust. Flügel mit 7 Stimmen
Wuk-Stefanovic mit 7 Stimmen
Böhmer mit 6 Stimmen
Baranda mit 5 Stimmen
Bland mit 5 Stimmen
Dahlmann mit 5 Stimmen
Moriz Mor. Haupt mit 5 Stimmen
Letronne mit 5 Stimmen
Caspar Casp. Orelli mit 5 Stimmen
Cibrario mit 4 Stimmen
Gfrörer mit 4 Stimmen
Grässe mit 4 Stimmen
Michel mit 4 Stimmen
Mignet mit 4 Stimmen
Prescott mit 4 Stimmen
Boucher de Perthes mit 3 Stimmen
Friedrich Fried. Diez mit 3 Stimmen
Fallmereyer mit 3 Stimmen
Gerhard mit 3 Stimmen
Julien mit 3 Stimmen -
van der Maelen mit 3 Stimmen
Pogodin mit 3 Stimmen
Uhland mit 3 Stimmen
Umbreit mit 3 Stimmen


Hammer-Purgstall
FWolf