Sitzung der phil.-hist. Klasse am 28. Jänner 1848

C_0008

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C. 8.


Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.


Protokoll


der Sitzung der historisch-philologischen Classe


vom 28. Jänner 1848.


Anwesend: Der Herr Präsident Baron von v. Hammer-Purgstall.
Die wirklichen Mitglieder Herr Labus
Herr " Grillparzer
Herr " Schafařik
Herr " Arneth
Baron von v. Hügel
Herr Chmel
Herr " Palatzky
Herr " Jäger
Herr " Weber
Herr " Auer
Der Secretär Herr " Wolf
Als Gast: der Herr General-Secretär von Ettingshausen


Der Secretär eröffnete die Sitzung,
indem er bemerkt, daß die Gegenstände
der heutigen Berathung die von der Classe
zu machenden Vorschläge ihres Budget's und
ihrer Preisaufgaben sind.


Herr Regierungsrath Chmel legt
im Namen der historischen Commission den
Voranschlag der Kosten vor, und zwar:

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1.) Honorare für Texte, Noten und Ab-
handlungen, den Druckbogen im Durchschnitt
mit 15 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM. (für Textabdrucke 10, für Ab-
handlungen das Maximum 30 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM.), beträgt
für die der Commission bewilligen hundert
Druckbogen - - - - - - Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM 1.500
2) a. für den Copisten in München
(:zu Rößler's Werk:) - - - Gulden Conventionsmünze " 100
- b. für Copiaturen und Collationirung
der Handschriften des Eberhard Windeck Gulden Conventionsmünze " 300
zusammen Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM. 1.900


Herr Professor Jäger theilt ein Schreiben des
Herrn Gouverneurs von Tirol, Grafen von
Brandis
, an den Herrn Präsidenten mit,
wodurch, so wie durch die mündlichen Er-
läuterungen, die er zu geben beauftragt
ist, die Akademie aufgefordert wird, zur
Unterstützung eines Geschichtsforschers bei-
zutragen, den das vaterländische Museum
zu Innsbruck zwar auf seine Kosten reisen
lassen will, um in den Archiven und Bib-
liotheken des Landes die wichtigsten Ur-
kunden zu verzeichnen und zu sammeln;
wozu aber dessen Mittel allein nicht aus-
reichen: die Akademie möge daher auch
Einiges betragen, denn er könne dann zu-
gleich für die Zwecke der historischen Commission
thätig seyn, welche der Herrn Graf von Brandis
auf alle Weise zu unterstützen bereit ist.


Herr Regierungsrath Chmel dankt im
Namen der historischen Commission und glaubt auf
einen Unterstützungsbetrag von 200 Gulden fl. an-
tragen zu dürfen.


Die Classe beschließt diesen Betrag von Gulden Conventionsmünze " 200
in ihren Voranschlag aufzunehmen.

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Übertrag Gulden fl. Conventionsmünze CM.
2.100.


Herr Regierungsrath Chmel macht
ferner noch aufmerksam, daß die Stände
des Landes unter der Enns gewillt seyen,
ein Diplomatar dieser Provinz anlegen
und herausgeben zu lassen, um nicht hinter
den Ständen des Landes ob der Enns zurück-
zubleiben, die bereits ein solches für ihre
Provinz besitzen, daß sie auch wohl bereit
seyen, die Kosten dazu aus ihren Mitteln
nach und nach aufzubringen, daß es aber
um so wünschenswerther sey, auch dieses
vaterländische Unternehmen durch Bei-
träge und Mitwirkung der Akademie
zu unterstützen und zu beschleunigen,
als Österreich unter der Enns nicht
wie die anderen Provinzen einen speci-
ellen historischen Verein hat, dessen Stelle
zum Theile zu vertreten, wohl mit eine
Aufgabe und Pflicht der historisch-philologi-
schen Classe der kaiserlichen Akademie
sey. Er schlage daher vor, die Classe
möge sich bei der Gesammt-Akademie
verwenden, daß zu diesem Zwecke ein
Betrag von 400 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM. für das Jahr 1848
bewilligt werde, und ihn vorläufig in den
Voranschlag ihres Budget's aufnehmen.


Herr Regierungsrath Arneth be-
merkt dagegen, daß die Stände des Landes
unter der Enns, so viel er wissen, ohnehin
entschlossen seyen, eine Geschichte und Topo-
graphie ihrer Provinz auf eigene
Kosten herauszugeben, so sehr nicht dazu
der Unterstützung bedürften, und vielleicht
sich ganz auf die Akademie verlassen

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Übertrag Gulden fl. Conventionsmünze CM. 2.100.


könnten, böte sich diese zu Beiträgen an:


Herr Regierungsrath Chmel ent-
gegnet, daß, wenn auch die Stände eine be-
deutende Summe darauf verwenden wollten,
und könnten, so sollte doch die Akademie auch
hier mit gute Beispiel vorangehen und
eine mäßige Summe dazu beitragen.


Herr Baron von Hügel findet gegen
diesen so wie gegen die früheren Anträge
an und für sich nichts einzuwenden; nur
glaube er, daß, in so weit es sich um positive
Zahlen handle, alle diese Begehren nur
als vorläufige Voranschläge betrachtet
werden sollten, die dann bei der defi-
nitiven Regelung des Budget's, wenn
man alle Bedürfnisse kenne, und genau
wisse, was der Classe zur Disposition
bleibe, verhältnißmäßig zu berücksichti-
gen seyen. Auch müsse man für künftige
Bedürfnisse immer einen Reserve-Fond
von Ein – zweitaufend Gulden aufbehalten.


Der Herr General-Secretär
erklärt, daß nach Abzug der bis jetzt
aufgelaufenen und der systemisirten
Ausgaben der Classe für das Jahr 1848
die Summe von 10.–11.000 Gulden fl. Conventionsmünze CM. zur Dis-
position bleiben werde. Doch möge sie
den Umstand nicht außer Acht lassen,
daß das Verhältniß zur Staatsdruckerei
noch immer nicht definitiv geregelt sey.


Herr Baron von Hügel räth daher,
die Voranschläge auf keinen Fall höher
als auf 8.000 Gulden fl. Conventionsmünze CM. für das Jahr 1848 zu
stellen.

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Übertrag Gulden fl. Conventionsmünze CM 2.100.


Die Classe beschließt, als Beitrag
zu dem Diplomatar des Landes unter
der Enns die Summe von Gulden Conventionsmünze - 400
in den Voranschlag ihrer Budget's
aufzunehmen.


Der Secretär bemerkt fer-
ner, daß noch für das Jahr 1848 in
Voranschlag zu bringen seyen, für
die in früheren Sitzungen geneh-
migten Anträge der Herausgabe
von Wassaf's persischer Geschichte mit Gulden Conventionsmünze - 600
und der beiden Werken des Herrn
Regierungsrathes Arneth Gulden Conventionsmünze - 1.000
Zusammen 4.100.


Der Herr Regierungsrath Arneth
erinnert bei dieser Gelegenheit noch-
mals an seinen früher ausgesprochenen
Wunsch, daß es ihm am liebsten wäre,
wenn die Akademie, statt ein fixes Honorar
zu bestimmen, ihm und seinen Erben nur
den reinen Gewinn aus dem Verkaufe
seiner Werken zusichern wolle. Die kaiser-
liche Akademie solle keinen pecuniären
Gewinn bei den Werken der Akademiker
ziehen; das reine Einkommen derselben
sey ihr Lohn. In Bezug auf Honorare
trete bei der Akademie ein sehr ähn-
licher Verhältniß wie bei der Tantieme
in den Theatern ein.


Herr Regierungsrath Auer hält
es für rathsam, mit der Entscheidung über
Arneth's Werke abzuwarten, bis die
Frage wegen des Druckes und Ver-
schleißes erledigt sey? Übrigens scheine

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Übertrag Gulden fl. Conventionsmünze CM. 4,100


ihm die bloße Verlagsübernahme der
Werke, wenn diese Eigenthum des Ver-
fassers blieben, statutenwidrig; denn
dann seyen sie nur als ein bloßes Dar-
lehen zu betrachten. Er halte es selbst
im Interesse des Herrn Verfassers
für das Beste, seine Werke durch
die Empfehlung der Akademie in der
Staatsdruckerei drucken zu lassen.


Herr Baron von Hügel wieder-
holt seine früher ausgesprochene Ansicht,
daß die Akademie nicht bloß Werke heraus-
gebe, die sonst keinen Verleger fänden;
daß sie durch die Herausgabe von Arneth's
Werken, bei welchen dieß nicht der Fall
sey, sich nur Ehre machen könne; doch solle
sie gleich bei dieser Gelegenheit den
Grundsatz ein für allemal aussprechen:
mit den Verfassern in keine Verrechnung
treten zu wollen. Die Übernahme der
Herausgabe von Herrn Arneth's Werken
scheine ihm aber weder ein bloßes Dar-
lehen noch statutenwidrig, denn die
wissenschaftliche Arbeit des Herrn Ver-
fassers wird volles Eigenthum der Aka-
demie, und nur bei den Kupferplatten,
die Eigenthum des Antiken-Cabinets
bleiben, findet eine Überlassung von
500 Abdrucken statt.


Herr Regierungsrath Arneth
erklärt endlich nochmals, daß er noch
immer bereit sey, seine beiden Werke
für das angebotene Honorar von
2000 Gulden fl. Conventionsmünze CM. der Akademie zu überlassen;

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Übertrag Gulden fl. Conventionsmünze CM: 4,100


daß er aber die Akademie aller Verpflich-
tung entbinde, im Falle sie den Anbot
zurücknehmen wolle und dann seinen
Antrag als nicht gestellt betrachtet
wissen wolle.


Die Classe bleibt dabei, die Sum-
me von 1000 Gulden fl. für die Herausgabe von
Arneth's Werken in den Voranschlag
aufzunehmen; wozu endlich noch das
Honorar für ungefähr 50 Druckbo-
gen der Abhandlungen, den Bogen
zu 30 Gulden fl. Conventionsmünze CM. zu kommen hat, mit Gulden Conventionsmünze - 1,500
also zusammen Gulden fl. 5,600.


Da die Classe nun zur Bestimmung der
von ihr auszuschreibenden Preisfragen
übergeht, so fordert sie ihren Secretär
auf, seinen in der Sitzung vom 12. Jänner
gehaltenen Vortrag über die erste philo-
logische
Preisaufgabe, der auswärtigen
Mitglieder wegen, nochmals vorzulesen,
was er auch thut.


Der Herr Präsident wiederholt seine
in der gedachter Sitzung vorgebrachten
Gründe gegen den Vorschlag des Secretärs,
eine theilweise Bearbeitung einer histo-
risch vergleichenden Grammatik der
slawischen Sprachen zur ersten Preis-
ausgabe einer doch vorzugsweise deutschen
Akademie zu machen, und schlägt dagegen
wiederholt vor, dazu die Ausarbeitung
einer "tabellarischen Grammatik der
deutschen Hauptsprachen und Mundarten"
zu wählen.


Herr Schafařik erklärt sich
vollkommen einverstanden mit dem

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von Herrn Wolf gemachten Vorschlage;
man könne auf dem slawischen Ge-
biete keinen würdigeren Gegenstand
finden. Was übrigens die angeregte
Priorität einer slawischen oder deutschen
Preisfrage betreffe, so käme ihm dieser
Einwurf zum mindesten sonderbar
vor; denn die kaiserliche Akademie
sey ja ein wissenschaftlicher Körper,
im Gebiete der Wissenschaft aber müsse
vor Allem die absolut größere Wichtig-
keit und Dringlichkeit einer Frage ent-
scheiden und die relativ nationellen
Bevorzugungen würden von diesem
Gebiete zu weit abführen.


Herr Palatzky fragt, ob denn außer
der vorgeschlagenen slawischen, eine
andere Preisaufgabe auch gehörig formu-
lirt vorliege?


Herr Regierungsrath Auer hält
nun einen Vortrag – dessen Abdruck
in den "Berichten" er ausdrücklich
verlangt – worin er wiederholt er-
klärt, daß er der Ansicht des Herrn
Präsidenten in so weit zustimme, als
er die Wahl eines Gegenstandes aus
dem germanischen Sprachgebiete zur
ersten philologischen Preisaufgabe
für die kaiserliche Akademie passender
halte, und trotz der Anerkennung,
die er Jacob Jac. Grimm's ausgezeichneten
Leistungen zolle, ja zu ihrer Ver-
breitung und Popularisirung es nicht
nur nicht für überflüßig, sondern

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für sehr ersprießlich halte, als Preis-
aufgabe die Ausarbeitung "einer


" volksthümlichen und übersichtlichen
" Sprachlehre zu bestimmen, die in Ver-
" gleichung mit den verwandten Idiomen,
" gestützt auf die Urformen bei den
" heutigen Ableitungen und Fügungen,
" all die Zweifel und grammatischen
" Streitfragen löse, welche jeden deut-
" schen bei der Abfassung kurzer Auf-
" sätze in dieser Sprache befallen, und die
" für die Deutschen eine solche, von einer
" Akademie sanctionirte Autorität werde,
" wie sie die Franzosen und Italiener an
" ähnlichen grammatischen Gesetzbüchern
" bereits besitzen; die Wiener Aka-
" demie dürfe aber auf eine solche Preis-
" frage einen um so höheren Werth
" setzen, als es sich hier um ihre Mutter
" und um eine der wichtigsten Stamm-
" sprachen handle. Denn Grimm's Gram-
" matik – abgesehen von ihren mehr-
" fach ganz umgearbeiteten Auflagen
" und der unvollendeten letzten, und
" von seiner seltenen Schreibweise,
" die bis jetzt keine sehr zahlreiche Nach-
" folger gefunden – könne für den
" deutschen Sprachforscher im Allgemei-
" nen wohl als eine der höchsten Auto-
" ritäten gelten, allein er sey von der
" Akademie nicht sanctionirt, nicht als
" Gesetz vorgeschrieben und somit sammt
" seiner Gelehrsamkeit nicht in's Volk,
" das ist zur Kenntniß selbst der ge-

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" bildeteren Deutschen gedrungen".
Ferner "begreife er nicht wie Grimm's
" Werk zum Muster der vorliegenden
" Preisaufgabe einer slawischen ver-
" gleichenden Grammatik bestimmt
" werden könne, da seit 8 Jahren
" der unvollendeten Lautlehre noch
" keine Fortsetzung folgte. Werde
" also der bisher verflossene Zeitraum
" als Grundlage für die übrigen Bände
" angenommen, so werde die gestellte Frage
" wohl statt der von Herrn Wolf auf drei,
" von einem anderen Mitgliede auf Ein
" Jahr angedeuteten Frist, erst dann ge-
" löset werden können, wenn Grimm's
" Grammatik, nach mehren Jahren voll-
" endet seyn werde. Daß man Grimm's
" Grammatik, 2 te Auflage, aber als
" Vorbild bestimme, könne er kaum
" glauben, da Grimm in seiner dritten
" Ausgabe, nach dem Beispiele des ersten
" Bandes, eine völlige Umarbeitung
" der zweiten Auflage bieten dürfte.
" Ebenso schließe er sich der Meinung
" des Herrn Präsidenten in der Richtung
" an, daß die Akademien der Wissenschaften
" zu Petersburg und Prag , gewiß die
" Wichtigkeit erkennend, seit so vielen
" Jahren einen solchen Preis (wie den von
" Herrn Wolf vorgeschlagenen) auszu-
" schreiben nicht für das erste Bedürfniß
" erkannten, die Wiener Akademie wohl
" aber keine engere Verpflichtung
" haben könne." Endlich "komme, im Falle

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" die vorgeschlagene Preisaufgabe einer ver-
" gleichenden slawischen Grammatik ange-
" nommen werde, noch ein sehr wichtiger
" Umstand zu erwägen; wenn nämlich nach der
" gegebenen Frist nun die gelöste Preis-
" frage von einem correspondirenden
" Mitgliede der Wiener Akademie einlangen
" sollte, so müßte dieselbe den in Prag
" wohnenden beiden verehrten wirklichen
" Mitgliedern zur Beurtheilung zuge-
" mittelt werden. Angenommen, daß die-
" selben sich in ihrem Urtheile vollkom-
" men vereinigen, so wird sich die gesam-
" te Wiener Akademie, in welcher das
" slawische Idiom, so wie jedes andere der
" Monarchie nur einen Zweig bildet, wohl
" gerne zu diesem Anspruche bekennen;
" was geschähe aber im Gegentheil?
" Würde man nicht in die unangenehme
" Lage kommen, zu einer anderen Aka-
" demie eines Fremden Staates Zuflucht
" nehmen zu müssen? Er glaube aus
" diesem Grunde auf die Annahme
" der vom Herrn Präsidenten gestell-
" ten Preisfragen um so mehr hindeuten,
" zu müssen, als bei der Nothwendigkeit
" einer gründlichen, deutschen Sprachlehre
" über den Grad der Vollkommenheit der
" Lösung der ersten gestellten Preis-
" aufgabe unserer Akademie die meisten
" Mitglieder derselben sich die gehörige
" Einsicht verschaffen und ein gründliches
" Urtheil zu fällen im Stande seyen."


Herr Schafařik entgegnet, daß,

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was Grimm betreffe, er ihn als den größten
deutschen Sprachforscher hochverehre und
glaube, daß er seine Aufgabe vollkommen
gelöst habe. Es mangle nicht an solchen,
welche ihn popularisirt und epitomirt haben,
ja es gebe deutsche Grammatiken von
nicht mehr als fünf Bogen, welche die
Resultate seiner Forschungen bereits
zum Gemeingut der Nation gemacht
haben. Die in den verschiedenen Auf-
lagen seiner Gramatik stattfindenden
bedeutenden Umarbeitungen seyen
weit entfernt, die Resultate seiner
Forschungen zu verdächtigen oder auch
nur seine Methode und seinen Weg
im Ganzen zweifelhaft zu machen,
er habe vielmehr eben dadurch bewiesen,
daß er auf sicherer Bahn fortgeschritten.
Ein historischen Sprachforscher, ja über-
haupt jeder tüchtige Gelehrte wird ja
nach zwanzig Jahren nicht noch auf demsel-
ben Flecke stehen bleiben, von dem er
ausgegangen, indem in der Wissenschaft
Stillstand, Rückschritt ist; die Änderun-
gen aber, die er getroffen, betreffen
oft nur die Form, und insbesondere
in Beziehung auf die Lautlehre, nur
die Anordnung, die natürlich mit jeder
neuen Auflage lichtvoller und durch-
sichtiger geworden, so, daß wer über-
haupt zu sehen verstehe, sich nun wohl
in Grimm's Werk werde orientiren
können. Aber auch zugegeben, daß
nach Grimm's Leistungen noch eine

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popularisirte Verarbeitung derselben
Noth wäre, so hieße eine solche Arbeit
zur Preisaufgabe einer Akademie ma-
chen, im Namen eines wissenschaftlichen
Körpers Gelehrte auffordern, Grimm's
Werke zu epitomieren; gegen eine solche,
jeder Akademie, jedes Gelehrten un-
würdige Aufgabe, müsse er sich ent-
schieden erklären. Es möge ein deutscher,
aber einer Akademie würdiger Gegen-
stand, zur ersten Preisaufgabe gewählt
werden; ein solcher sey aber in keinem
Falle eine "volksthümliche, tabellarische,
deutschen Sprachlehre" , "überhaupt be-
greife er nicht, was eine "tabellarische"
Grammatik seyn soll? Was die Vorwürfe
gegen Herrn Wolf's Programm betreffe,
daß die unvollendete Grammatik Grimm's
nicht als Muster zureiche, und daß, wäre
eine historisch vergleichende Grammatik
der slawischen Sprachen wirklich ein
so dringendes, von den Slawisten
selbst gefühltes Bedürfniß, so würden
sie die Petersburger Akademie und die
Gesellschaft der Wissenschaften zu Prag
bereits zu Preisaufgaben gewählt haben,
so wolle er bemerken und zwar in
ersterer Beziehung, daß man die histo-
risch-vergleichende Methode der Sprach-
forschung, als deren Schöpfer doch unbe-
zweifelt Grimm gelte, und die hier allein
gemeint seyn kann, um als Muster
zu dienen, aus jeder Auflage, aus
jedem Bande hinlänglich kennen lernen

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könne; übrigens sey ja auch auf Friedrich
Diez's vollendete, und doch gewiß klare
und übersichtliche Grammatik der
romanischen Sprachen in dem Pro-
gramme hingewiesen worden, die
nach derselben Methode gearbeitet
und ein Beweis mehr ist, daß Grimm's
Vorgang nicht nur mustergiltig,
sondern auch für den mit den ge-
hörigen Vorkenntnissen Ausgerüste-
ten ein ebenso sicherer als vollkom-
men verständlicher Wegweiser ist.
Da letzterer Beziehung müsse er
bekennen, daß, wenn auch die ge-
lehrten Körperschaften von Petersburg
und Prag diesen Gegenstand bis jetzt
noch nicht zu ihren Preisaufgaben ge-
wählt hätten, dieß uns nicht beirren
dürfe; sobald wir nur überhaupt dafür
halten, daß es an der Zeit sey, so sollen
wir das thun, was Jene versäumt haben,
und hätten thun sollen, insoferne ihre
Kräfte dazu hinreichen. Es werde der
Wiener Akademie gewiß nicht zur Ehre
gereichen, aus solchen Gründen zu unter-
lassen, was die Slawisten als ihren heiße-
sten Wunsch ausgesprochen.


Herr Palatzky erinnert, daß
man zwei Puncte dabei erwägen und
die Principe sich klar machen möge:
1tens den allgemeinen Standpunct, von
dem aus akademische Preisaufgaben
überhaupt, beurtheilt werden müssen.
Sollen nicht nur solche Gegenstände

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dazu dienen, die noch nicht wissenschaft-
lich ergründet und deren Erforschung
doch ein Bedürfniß der Wissenschaft
ist? Kann daher die bloße Populari-
sirung des Bekannten zu einer Auf-
gabe geeignet seyn, deren Lösung eine
neue wissenschaftliche Leistung voraus-
setzt? Er sey diesem Principe gemäß
also nicht gegen die Wahl eines deutschen
Gegenstandes, wohl aber gegen die
Wahl eines solchen deutschen, der,
wie der vorgeschlagene, nicht die Er-
weiterung sondern die Popularisirung
der Wissenschaft bezwecke. Was 2tens
den hier gegebenen historischen Stand-
punct betrifft, so sey die slawische
Philologie eine werdende Wissen-
schaft, die jedoch schon respectabel da-
stehe; sie ist als solche eine Schöpfung
des österreichischen Gesammtstaates,
außerhalb desselben gibt es nur Einen
namhaften Slawisten, Wostokow;
somit als eine wesentlich österreichische
Schöpfung, ist die Förderung der
slawischen Philologie, auch in dieser
Hinsicht kein der Akademie unwür-
diger Gegenstand ihrer ersten
philologischen Preisaufgabe. Zugleich
falle durch das hier Gesagte der Vorwurf
gegen die Petersburger Akademie weg;
der gegen die Prager widerlege sich
ohnehin von selbst, da es dieser bekannt-
lich an den Mitteln fehle, die zur
Unterstützung einer solchen Aufgabe
erforderlich sind.

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Herr Regierungsrath Chmel bemerkt,
noch dazu, da der statutenmäßigen
Benennung nach " historisch-philologische
Classe " , ohnehin der historische Preis
zuerst genannt werden müsse, und
dieser, wie er sogleich vorschlagen
werde, ein vorzugsweise deutscher
Gegenstand sey, so könnten sich auch
die dabei beruhigen, welche dem deut-
schen Elemente die Priorität einge-
räumt wissen wollen, die übrigens
seiner Meinung nach in dem Gebiete
der Wissenschaft nur dem wichtigeren
Gegenstande gebühre, als den er
unter den für die philologische Preis-
frage vorgeschlagenen unbedingt den
slawischen anerkennen müsse.


Herr Regierungsrath Auer
erwidert; es scheine ihm doch ein hin-
länglich wichtiger Gegenstand einer
Preisaufgabe zu seyn, wenn die Aka-
demie eine Grammatik hervorrufe,
die Autorität werde. Nach seinem
Dafürhalten sollten eine solche Grammatik
und ein Lexicon, nach dem Muster des
von der französischen Akademie heraus-
gegebenen, Hauptaufgabe der kaiserlichen
Akademie seyn. Daß aber so viele
Grammatiken aus der Grimm'schen
entstanden, beweise eben, daß noch eine
autoritätmäßige fehle, er meine, ein
grammatischer Centralpunct in welchem
alle die Fragen entschieden würden,
welche noch nicht gelöst sind.

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Herr Baron von Hügel bemerkt,
dagegen, er glaube nicht, daß eine
österreichische Akademie sich das Recht
anmaßen könne, eine solche Norm
für das gesammte Deutschland zu geben,
noch hoffen dürfe, es zu werden. Er
stimme daher für die slawische Auf-
gabe.


Die Classe schreiten zur Abstim-
mung und es stimmen für Wolf's An-
trag die Herrn: Jäger, Weber, Palatzky,
Chmel, Hügel, Schafařik u. Grillparzer;
dagegen: der Herr Präsident und die
Herrn Auer, Arneth und Labus.
Die Classe beschließt daher mit Stimmen-
mehrheit (acht gegen vier), als erste
philologische Preisaufgabe bis zu
Ende December 1849 und mit dem
Preise von 1000 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM: auszuschreiben,
"Die Bearbeitung der Lautlehre
der slawischen Sprachen, nach der historisch-
vergleichenden Methode in den Gram-
matiken Grimm's und Diez's; jedoch
mit dem Beisatze, daß deßhalb die
zweite, von ihr auszuschreibende
Preisaufgabe nicht nothwendig wieder
eine slawischen, eine Fortsetzung der
ersten seyn müsse.


Herr Regierungsrath Chmel
motivirt in einem Vortrage, warum
er anstatt der in der Classensitzung vom
12. Jänner vorgeschlagenen historischen
Preisfrage, nun einen Cyclus von fünf
consecutiv auszuschreibende, sich ergänzen-
den und zu einer gründlichen Geschichte

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Kaiser Rudolph I. führenden Preisauf-
gaben vorschlage; und zwar als erste:


" Eine kritischen Beleuchtung des
" Verfalls des deutschen Reiches seit 1245,
" bis zum Jahre J. 1273." Ablieferungszeit
der letzte December 1849, Preis 1000 Gulden fl. Gulden
Conventionsmünze CM ; als zweite:


" Eine kritischen Beleuchtung des
" Verhältnisses Italiens und
" dere des Pabstes zu Kaiser und Reich in
" dem Zeitraume von 1245 bis 1273."
Ablieferungszeit der letzte December
1850; Preis 1000 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM ; als dritte:


" Eine kritischen Beleuchtung
" des Verhältnisses von Böhmen, Mähren,
" Schlesien und Polen gegen Kaiser und
" Reich in dem 13. Jahrhunderte".
Einlieferungstermin: letzte Decem-
ber 1851, Preis 1.200 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM ; als vierte:


" Eine kritische Beleuchtung des
" Verhältnisses Österreichs, Steiermarks,
" Kärnthens, Krains und Istriens zu
" Kaiser und Reich in dem Zeitraume von
" Kaiser Karl dem Großen bis zur Wahl
" Kaiser K. Rudolph I. mit steter
" gung des Verhältnisses von Ungarn gegen
" das deutschen Reich."


Einlieferungstermin: letzte December 1852;
Preis: 1.800 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM ; als fünfte:


" Die Geschichte Kaiser Rudolph's I.
" auf wissenschaftlicher Basis, aber in
" einer allgemeinen ansprechenden
" Darstellung." Einlieferungstermin:
letzte December 1853; Preis: 2000 fl. Gulden Conventionsmünze CM .

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Der Herr Präsident erklärt sich ein-
verstanden mit diesem Aufgaben-Cyclus,
auch mit der Vertheilung auf fünf Jahre,
aber nicht mit der stufenweisen Erhöhung
des Preise; den letzten möge man auf
2000 Gulden fl. Gulden stellen, für die übrigen alle genüge
es bei 1000 zu bleiben.


Herr Baron von Hügel frägt, wenn
nun 1849 der Preise nicht zuerkannt werden
könnte, so könnten dann auch nicht die dadurch
bezweckten Resultat bei den folgenden damit
zusammenhängenden Fragen benützt werden?
werden die anderen Preise doch ausgeschrieben?
Wäre es nicht besser ein Paar dieser Fragen
zusammenzufassen und statt auf 5 auf 3 Jahre
zu vertheilen?


Herr Regierungsrath Chmel antwortet,
in dem Falle der Nichtertheilung des ersten Prei-
ses werde dieser wiederholt und zugleich mit
dem neuen ausgeschrieben. Jede dieser Fragen ist
aber so schwierig, daß sie sich ohne Nachtheil
nicht zusammenziehen lassen.


Herr Palatzky meint, es sey wesent-
lich bei Ausgabe dieses Preis-Cyclus, die Vor-
frage zu machen, ob zu hoffen, daß das Diplo-
matar Rudolphs I. eher erscheine und ob
dafür die Vaticanischen Archive benützt?
So lange nicht die Vaticanischen Forschungen
vorangegangen sind, ist eine Geschichte
Rudolph's unmöglich; es müsse also vor
Allem Jemand dorthin gesendet werden, um
diese Archive auszubeuten. Das würde also
zwar nicht die Fragen, wohl aber die Termine
hinausschieben. Er trage daher an,


1tens daß von Seiten der Akademie die vor-
gängige Benützung der Vaticanischen Archive
vorzunehmen beschlossen werde; und
2tens daß die Termine nicht im vorhinein
unwiderruflich festgesetzt werden.


Herr Regierungsrath Chmel ant-
wortet, es sey schon auf die Vaticanischen
Archive Bedacht genommen worden und er
hoffe, daß ein österreichischer Gelehrter

Seite 20


zu ihrer Durchforschung dahin gesendet,
werde, deßhalb habe er auch den ersten
Termin bis Ende Dezember 1849 hinaus-
geschoben. Übrigens müsse er sich noch-
mals gegen Zusammenziehung der Fragen
erklären.


Von Mehreren wird nun der Wunsch
geäußert, daß man doch wenigstens
zwischen den einzelnen Fragen, eine
Intercalation möge eintreten lassen.


Herr Regierungsrath Chmel
erklärt sich aber gegen jede Inter-
calation, da man sonst anerkennen
würde, daß eine andere Frage wich-
tiger als die vorgeschlagenen, ja
er nehme, im Falle man darauf bestünde,
lieber seinen Antrag zurück. Kurz, man
möge seinen Antrag so annehmen, wie er
ihr gestellt, oder ihn ganz verwerfen.


Durch diese Alternative bestimmt, beschließt
die Classe einstimmig, Herrn Chmel's
vorgeschlagenen Preisfragen-Cyclus
so wie er ihn gestellt, anzunehmen.


Hammer-Purgstall
FWolf
Chmel
Jv. Arneth
Auer
CAHügel
AvEttingshausen


Die auswärtigen Mitglieder Schafařik,
Palatzky und Jäger haben, da die Ab-
schrift erst nach ihre Abreise fertig
werden konnte, des Concept unterzeichnet.


FWolf