Sitzung der phil.-hist. Klasse am 9. Februar 1848

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Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.


Protokoll


der Sitzung der historisch-philologischen Classe


am 9. Februar 1848.


Anwesend: Der Herr Präsident Baron von v. Hammer-Purgstall.
Die wirklichen Mitglieder Herr Labus
Herr - " - Grillparzer
Herr - " - Arneth.
Herr - " - Baron Bar. von v. Hügel
Herr - " - Chmel
Herr - " - Baron Bar. von v. Münch
Herr - " - Auer
Herr - " - Bergmann
Herr - " - von v. Karajan
Herr - " - Pfizmaier
der Secretär Herr - " - Wolf.


Als Gäste: der Herr General-Secretär von v. Ettingshausen
der " Herr " Professor Schrötter
die correspondierenden correspond. Mitglieder Herr Hr. Boller
Herr - " - Diemer
Herr - " - Goldenthal.


Der Herr Präsident führt die drei
neugewählten wirklichen Mitglieder
mit folgenden Worten ein:
"Ich bewillkomme Sie im Namen
"der Classe mit Bezug auf die Eröffnungsre-
"de als reine Brüder und treue Freunde,
"welche mit uns wissenschaftliche Arbeiten

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"angreifen, fördern und vollenden werden.
"Durch Ihren Eintritt feiert die Classe heute
"ihre Vervollständigung zum gemeinschaft-
"lichen hohen ihr vorgesteckten Ziele."


Der Secretär liest dann den hohen Er-
laß Seiner kaiserlichen Hoheit des Durchlauch-
tigsten Herrn Curators vom 5. Februar
(205) vor, worin der Akademie die güti-
ge Verwendung des Herrn Obersten Kanz-
ler
s für die historische Commission mit-
getheilt wird, welcher die Classe mit dem
aufrichtigsten Dank für den durchlauch-
tigsten Herrn Curator und den Herrn
Obersten Kanzler erfüllt.


Ferner ein Schreiben vom Herrn
Baron von v. Ankershofen im Namen des
historischen Vereines von Kärnthen (179),
worin dieser für die angebotene Ver-
bindung mit der kaiserlichen Akademie
dankt, und ihre gemeinsamen Zwecke
bestens zu fördern verspricht.


(166.) Endlich legt er folgende einer Erle-
digung bedürfende Eingaben vor:
1) von Herrn Kewall, hebräischen
Lehrer in Wien, "Orientalische Blüthen",
mit einem Schreiben, worin er um "Be-
sprechung" bittet.


Wird, so wie die früher einge-
sandten hebräischen Werken von Deutsch
und Stern, nun dem correspondiren-
den Mitgliede Herrn Doctor Dr. Goldenthal um
Bericht zugewiesen.


(171.) 2) von Herrn Hofrath Freiherrn von v.
Deresenyi
eine Zuschrift, worin er
die Akademie um die Erlaubniß er-
sucht, ihr Exemplare seiner Schrift über
den Communismus in ungrischer

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deutscher, englischer und französischer
Sprache überreichen zu dürfen, nebst
einer Anzahl von Exemplaren derselben
in deutscher und französischer Sprache für
die einzelnen Mitglieder der Akade-
mie und für andere Akademien, mit
welchen die kaiserliche in Verbindung
steht.

Die der Akademie angebotenen
Exemplare werden mit Dank angenom-
men werden; Exemplare zur Versendung
an andere Akademien kann jedoch die
kaiserliche nicht übernehmen, weil sie
sonst mit ähnlichen Speditionen über-
häuft werden würde.


(199) 3) Von Herrn Honegger, Architekt
in Paris, ein Schreiben, in welchem er
der Akademie eine von ihm ausgear-
beitete druckfertige Abhandlung über
"Karthagische Alterthümer" zur Ein-
rückung in ihre Denkschriften anträgt
und anfrägt, ob sie im Falle der Auf-
nahme die dazu nöthige Kupferplatte
auf ihre Kosten wolle stechen lassen?


Dem Herrn Verfasser zu antwor-
ten, er möge seine Abhandlung und
die dazu gehörige Zeichnung der Aka-
demie vorerst zur Prüfung einsenden,
um nach § 26 der Geschäftsordnung
bestimmen zu können, ob die ange-
botene Abhandlung sich zur Aufnahme
in die "Sammlung fremder Abhandlun-
gen" eigne.


Hierauf verwandelt sich die Sitzung
in eine geheime.


Der Secretär erinnert, daß, da

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am Ende dieses Monates die ersten
"Berichte" von den Verhandlungen der
Akademie im Druck erscheinen sollen,
es höchste Zeit sei, sich mit ihrer Redaction
zu beschäftigen. Der § 31. der Geschäftsord-
nung sage zwar: daß diese Berichte "bloß
enthalten sollen, was in den Versamm-
lungen vorgelegt und zur Veröffentli-
chung bestimmt worden ist", und der § 32:
"die Redaction der Druckschriften wird
von den Secretären besorgt." Er fühle
sich jedoch gedrungen – ohne dadurch sei-
ne Stellung noch seine Nachfolger zu prä-
judiciren
– bei diesem ersten öffent-
lichen Auftreten die Classe zu ersuchen,
ihm zu erlauben, ihr ein Resumé ihrer
bisherigen Verhandlungen vorzutragen,
damit man dabei bestimme, was sowohl
die Classe überhaupt davon veröffentlicht
haben wolle, als auch welche seiner Vorträ-
ge jedes einzelne Mitglied gedruckt wissen
wolle.


Die Classe gestattet diesen Vortrag
und es wird dabei bestimmt, welche ihrer
Verhandlungen überhaupt zu veröffent-
lichen, und daß alle von den einzelnen
Mitgliedern bisher gehaltenen Vorträge
dem Druck zu übergeben seien.
Bei dieser Gelegenheit wird auch
beschlossen, die von den Mitgliedern für
die Druckschriften bestimmten Abhand-
lungen nicht mehr allen Mitgliedern
zuzusenden, sondern sie entweder ganz
in den Sitzungen vorzulesen, oder
doch auszugsweise, und dann nur noch
einer Commission zur Begutachtung
zuzuweisen, um jede unnöthige Ver-

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zögerung zu vermeiden, da der § 24 der
Geschäftsordnung ohnehin nicht mehr vor-
schreibt. In den "Berichten" soll aber
derselben nur dann erst erwähnt wer-
den, wenn sie angenommen worden
sind.


Die Abhandlung des Herrn Präsi-
dent
en
über die "Siegel der Araber,
Perser und Türken", wird für ange-
nommen erklärt, und ihre weitere
Circulation suspendirt. Auch soll der
von dem Herrn Verfasser vorgelegte
Auszug daraus, schon in den nächst zu
veröffentlichenden "Berichten" mitge-
theilt werden.


Herr Baron von v. Hügel legt
die Terrain-Karte vom Caucasus
des Herrn Baron von v. Gersdorff,
welcher zwey Jahre daselbst
zubrachte, der
Classe zur Ansicht vor.


Herr Regierungsrath Chmel
stellt nun folgenden Antrag:


Hochverehrte Herrn!


Da die permanente akademische
Commission für Geschichtsquellen-Pub-
licationen demnächst ihre wissenschaft-
lichen Arbeiten und Publicationen be-
ginnen soll, so ist es unerläßlich,
die Zahl ihrer Mitglieder zu ergänzen
wo möglich auch zu vermehren.


Wie vorauszusehen war, hat die
bloße Ankündigung der Plane und des
Programms unserer Commission
eine freudige Sensation unter den
Geschichtsforschern des Vaterlandes er-
regt, da dadurch einem schon seit Decennien

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mehr oder weniger lebhaft gefühlten
und oft besprochenen Bedürfnisse abzu-
helfen versprochen wird. Ich habe schon von
mehreren Seiten in Privatschreiben und u.
mündlichen Äußerungen mit Vergün-
gen gehört und vernommen, daß des
uns zu Gebote stehenden Stoffes die
Fülle sein wird. Meine Herrn! Trotz
meines Eifers und meiner – ich darf es
sagen – Hingebung für die Realisirung
einer Idee, die jedenfalls nicht ohne
Dornen ist, kann und wird meine
Kraft, ja nicht einmal meine Zeit hin-
reichen, die gesammte wissenschaftli-
che Correspondenz, die einlaufenden
Beiträge, die eingesendeten Original
Urkunden und Codices, welche die
Commission zur Collationirung der
Abschriften braucht, zu bewältigen.


Der Berichterstatter der Commission
ist, wie billig, für die wissenschaftlichen
Leistungen verantwortlich.


Ich bitte somit nur Einen oder zwei
Theilnehmer für diese wissenschaft-
lichen Arbeiten, insbesondere für
die Redaction des Archivs und unse-
rer Publicationen freundlichst zuzu-
gesellen.


Es müssen Urkunden und Hand-
schriften geprüft, extrahirt und kri-
tisch erörtert werden. Es müssen die
einlaufenden Arbeiten, wo es nöthig
ist, berechtigt, zweckmäßig abge-
kürzt oder ergänzt werden, kurz ich
bitte um Theilung der mir obliegenden
Aufgabe.


Durch den einstimmigen Beschluß

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der Classe werden die Herrn Bergmann
und von v. Karajan zu Mitgliedern der perma-
nenten historischen Commission ernannt.


Endlich ersucht Herr Regierungsrath
Chmel im Namen der historischen Commis-
sion im Falle die Classe es gut heiße, dem
Herrn Präsidenten folgende zwei Bittge-
suche an Seine Excellenz den Herrn Hof-
kammer Präsidenten
zu richten.


1tens wolle Seine Excellenz den Mit-
gliedern der Commission die Benützung
des Hofkammer-Archivs unter Beobach-
tung der bestehenden Normen gütigst
gestatten und erlauben, daß von ver-
läßlichen Copisten von dort aufbewahr-
te Urkunden, Codices und Aktenstücken
Abschriften oder Auszüge genommen
werden, da sich die Commission ohne-
hin nur auf das sogenannte Mittel-
alter (bis zum Tode Maximilians I)
bei ihren Untersuchungen und Publica-
tionen vor der Hand beschränkt.


2tens möge Seine Excellenz gütigst
verfügen, daß die Origmal Urkunden
des ehemaligen Chorherrnstiftes SanktSt.
Pölten
, des ältesten Klosters im Lande,
welche nicht, wie die der übrigen auf-
gehobenen Klöster im geheimen Haus-
Archiv, sondern noch in der alten Re-
gistratur der kaiserlich-königlichen k. k. Staatsherrschaft Sankt St.
Pölten
aufbewahrt werden, der histo-
rischen Commission zur wissenschaft-
lichen Benützung eingesendet wer-
den, denn es wurden bisher nur
höchst ungenügende Auszüge in
Bezug auf Genealogie durch Duellius
und lückenhafte Mittheilungen durch

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den Sankt St. Pöltner Geschichtschreiber Müller
gemacht und veröffentlicht. Die Commission,
welche diesen bedeutenden Urkundenschatz
baldmöglichst zum Besten der vaterländischen
Geschichtschreibung zu veröffentlichen wünscht,
würde diese Original Urkunden nach
gewissenhafter Benützung sogleich wie-
der zur Verfügung Seiner Excellenz zurück-
stellen.


Beide Anträge der historischen Com-
mission werden einstimmig von der
Classe angenommen und der Herr Prä-
sident
ersucht, die nöthigen Schritte zu
ihrer Realisirung zu machen.


Hammer-Purgstall
FWolf
Jos. Chmel
CAHügel