Sitzung der phil.-hist. Klasse am 16. Jänner 1850
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C. 63.
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.
Protokoll
der Sitzung der philosophisch-historischen Classe
am 16. Jänner 1850.
Anwesend: Alterspräsident Freiherr Hammer-Purgstall
HerrHr. Arneth
Herr" Auer
Herr" Bergmann
Herr" Chmel
Herr" Diemer
Herr" Exner
Herr" Grillparzer
Herr" Pfizmaier
Herr" Springer
Herr" vonv. Karajan, als Stellvertreter
des Secretärs.
Mehrere Gäste.
HerrHr. vonv. Karajan liest das
Pro-
tokoll der letzten Sitzung von 9ten
Jänner 1850.
Wird ohne Einrede angenommen.
Derselbe legt vor:
(73) a. Ein Schreiben des ChevalierChev. Luigi Cibrari,
womit derselbe für seine Ernennung
zum correspondirendencorrespond. Mitgliede dankt.
Wird zur Kenntniß genommen.
(72) b. Ein Schreiben des niederösterreichischennö. Landschafts-
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Registranten HerrnHrn. Denhart, womit
derselbe ein Convolut Auszüge aus
den österreichischen Landtagsacten
des 16. Jahrhunderts vorlegt.
Der Inhalt wird zur Kenntniß
genommen und die Auszüge an die
historische Commission geleitet zur
Benützung in ihren Veröffentlichungen.
(65) c. Ein Schreiben des Reisenden
Alfred vonv. Kremer, sine dato, aber
wie der Inhalt lehrt aus
Damas-
cus, womit derselbe anzeigt, daß ihm
trotz eines von Constantinopel
mit-
gebrachten Befehles des Groß-Vesirs
der Pascha von Damascus den Zutritt
zu den Bibliotheken verweigere,
und in welchem er zugleich
er-
sucht, ihm zu gestatten,
mittler-
weile bis von Constantinopel
neue Befehle einlangen, sich
einem Caravannen-Zuge nach
Bagdad anschließen zu dürfen
um diese Stadt und Mossul
zu besuchen.
Freiherr Hammer-Purgstall
ergreift das Wort und erklärt
sich mit diesem Vorschlage
Kre-
mer's nicht einverstanden, dieser
solle nach seiner Ansicht lieber in
Damascus verbleiben und alle
Zeit bis zur Einlangung
ver-
schärfter Befehle von Constan-
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tinopel auf die Zustandebringung
einer genauen Topographie dieser
Stadt, welche ein volles Jahr zu
thun gebe, so wie auf die gründliche
Erlernung der arabischen
Um-
gangssprache verwenden. In
Bagdad und Mossul sei nach
Rich, Botta, Layard nicht viel
zu holen, weder in Bezug auf
Topographie noch in
bibliographi-
schen Hinsicht. Soll schon eine
Entdeckungsreise unternommen
werden, so scheine ihm eine Reise
mit der Dscherde-Karawane
zu den Grotten von Medain-
Ssalich mit den zahlreichen
In-
schriften, die noch von keinem
europäischen Reisenden besucht
worden seien, vorzuziehen. Er
würde in diesem Sinne gerne
an Kremer schreiben und ihm
die erforderlichen Weisungen
ertheilen, wenn es die Classe
billige.
Die Classe ist damit
vollkom-
men einverstanden und Freiherr
Hammer-Purgstall wird
er-
sucht in diesem Sinne an
Kre-
mer zu schreiben, indem man
zugleich beschließt, sich an das
Ministerium des Äußern
zu wenden wegen Erwirkung
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erneuerter und verschärfter
Befehle an den Pascha von
Da-
mascus, da ohne diese der
Haupt-
zweck der Reise Kremer's dahin,
nämlich die Untersuchung der
dortigen Bibliotheken und der
Ankauf seltener Handschriften
aus diesen vereitelt werde.
d. Derselbe zeigt an, daß die
mit Schreiben des kaiserlich-königlichenk.k. Consulats
zu Syra in der vorigen Sitzung
angekündigte Sendung von
Alter-
thümern und naturhistorischen
Gegenständen bereits eingelangt
sei und daß man von Seite
der Kanzlei um die Gegenwart
eines oder zweier wirklichen
Mitglieder bei der Eröffnung
ersuche.
Die Classe ersucht Herrn
Regierungsrath Arneth und
den als Gast gegenwärtigen
ProfessorProf. Schrötter die Eröffnung
in ihrer Gegenwart
vorneh-
men zu lassen, was diese
zusa-
gen.
e. Freiherr Hammer-Purgstall
ladet die der philosophisch-histo-
rischen Classe eingereichten
Dich-
ter ein, nach Art der
Akade-
mien zu Brüssel und Amsterdam
in die Sitzungsberichte von
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Zeit zu Zeit Gedichte ihrer Muse
einzureichen.
Grillparzer erwidert hierauf,
er für seinen Theil nehme keinen
Anstand diesem Ansinnen zu
will-
fahren, wenn er für diese Art
der Veröffentlichung Passendes
unter seinen Arbeiten finde.
f. Freiherr Hammer-Purg-
stall bringt ferner die Frage
in Anregung, ob nicht die
Öffent-
lichkeit der Classen-Sitzungen
auch auf den Besuch durch
Frau-
en ausgedehnt werden könnte?
Er bringe dieß jetzt zur
Spra-
che, da er eben durch eine
fran-
zösische Dame, die Baronin
Blaze de Buzy, Gemalin des
Übersetzers von Göthes Faust
in's Französische, um die
Be-
willigung des Besuchs einer
Classen-Sitzung angegangen
worden sei und dieß
eigen-
mächtig nicht habe gestatten
wollen.
Die Classe beschließt hierüber
nicht einseitig eine Bestimmung
treffen sondern sich vorerst
auch mit der anderen Classe
in Einvernehmen setzen zu
wollen.
g. Regierungsrath Chmel
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liest ein von ihm an das wirkliche Mitgliedw. M.
Franz Palacky in
Angelegen-
heiten der historischen Commission
gerichtetes Schreiben und bittet
um Veröffentlichung desselben in
den Sitzungsberichten.
Freiherr Hammer-Purgstall
hält es mehr zur
Veröffent-
lichung in dem von der
histo-
rischen Commission
heraus-
gegebenen "Archive" für
geeignet.
HerrHr. vonv. Karajan entgegnet,
daß sich nach seiner Ansicht
für dieses mehr Belege und
Quellen für die vaterländische
Geschichte eigneten, worauf Frei-
herr Hammer-Purgstall
namentlich abstimmen läßt,
was zur Folge hat, daß alle
Anwesenden bis auf ihn selbst
für den Abdruck in den
Sitzung-
berichten stimmen.
Freiherr Hammer-Purgstall
liest die Fortsetzung
sei-
ner Abhandlung über die
Namen der Araber.
DoctorDr Anton Boller liest
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die Fortsetzung seiner
Ab-
handlung "Über die Bildung
secundarer Wurzeln im
Sanskrit".
FWolf