Sitzung der phil.-hist. Klasse am 13. März 1850
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C. 68.
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.
Protokoll
der Sitzung der philosophisch-historischen Classe
am 13. März 1850
Anwesend: der Alterspräsident Freiherr Hammer-Purgstall
Die
wirklichen
wirkl.
Mitglieder
Mitgl.
Herr
Hr
.
Arneth
Herr
"
Chmel
Herr
"
Auer
Herr
"
Bergmann
Herr
"
von
v.
Karajan
Herr
"
Pfizmaier
Herr
"
Diemer
Herr
"
Exner
Der Secretär
Herr
"
Wolf
Mehrere Gäste.
Das Protokoll
unbean-
standet angenommen.
(307) a) Von Herrn Ministerial-
Secretär Ritter
von
v.
Heufler
eine Zuschrift, womit er das
handschriflich mitgesandte Werk
des
Doctor
Dor
Johann
J.
Baptist
B.
Cubich
"Notizie
naturali e
historiche
storiche
dell isola
di Vegliá" empfehlend
einbe-
geleitet, indem er den Wunsch
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des Verfassers anzeigt,
die-
ses Werk in die Abhandlungen
der Akademie aufgenommen,
oder abgesondert durch sie
her-
ausgegeben zu sehen.
Da das Werk aus zwei
Haupttheilen, einem physikali-
schen und historischen besteht,
so wird die erstere
Abthei-
lung der anderen
Classe zur
Verfügung zugesendet, die
historische
Abtheilung aber
Herrn
Arneth
zur
Begutach-
tung zugewiesen.
(309) b) Von Herrn
Ferdinand
Ferd.
Teweles,
kaiserlich-königlicher
k.k.
Beamter in Wien, ein
Pracht-
exemplar seines Denkblattes
"Oesterreichs Thronstützen"
mit einem Schreiben, worin
er die Bitte ausspricht,
demsel-
ben einen Platz im
Sitzungs-
sale der Akademie zu geben.
Indem die Classe das Werk
mit anerkennender
Würdi-
gung, die Bitte des Verfassers
mit einstimmigem Beifall
aufnimmt, verweist sie die
Entscheidung, als nur der
gan-
zen Akademie zuständig, auf
die nächste Gesammtsitzung.
(326) c) Von Herrn
vonv.
SaintSt. Genois in
Gent, ein Schreiben an den "Prä-
sidenten" der Akademie mit
einem Exemplar des in den
Publikationen der Maetschappy
der vlaemsche Bibliophilen von
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ihm herausgegebenen: "Jour-
nal ofte Dagregister van onze
reyze naer de Keyzerlyke Stadt
van Weenen, ten Jare 1716",
welches er der Akademie
über-
sendet und ihrer Beachtung
werth hält, da dieses "Tagebuch"
der im
Jahr
J.
1716 nach Wien
ge-
sandten Deputirten der Stände
Flanderns, um sich der
Aus-
führung des Barrière-Trac-
tats zu widersetzen, viele
interessante Details über
die damaligen Zustände Wiens
enthält.
In Würdigung dieses
Umstandes und in Rücksicht
auf die minder allgemeine
Zugänglichkeit dieses Werkes,
das nur in einer
beschränk-
ten Anzahl von Exemplaren
gedruckt und in einer
we-
nig verbreiteten Sprache
ab-
gefaßt ist, beschließt die Classe
es in ihren Sitzungsberichten
ausführlicher besprechen zu
lassen, und ersucht Herrn
vonv.
Karajan, sich diesem Ge-
schäfte zu unterziehen wo-
zu er sich bereit erklärt.
Freiherr Hammer-Purgstall
berichtet über den von Herrn
vonv.
Kremer eingesandten Auf-
satz "Beiträge zur Geogra-
phie des nördlichen Syriens"
und trägt darauf an, daß
er in die akademischen Denk-
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schriften" der Nichtmitglieder
aufgenommen werde,
welchem Antrage die Classe
beistimmt.
Herr Regierungsrath
Chmel
liest die Fortsetzung
seiner für die Denkschriften
bestimmten Abhandlung:
"Beträge zur Kritik der
österreichischen Geschichte;
kirchliche Zustände unter
Ladislaus, 1440-1458.
In der vertraulichen Sitzung
theilt der
Secretär mit:
a) aus einem Briefe
Seiner
Sr
Excellenz
des Freiherrn
von
v.
Prokesch-Osten
an ihn, daß dieser sich mit
dem Vorschlag der Classe wegen
Bestellung und Honorirung
eines Correctors seines
Wer-
kes in der Person des Herrn
Doctor
Dr.
Schmidl's
einverstanden
erkläre.
b) daß Herr
Doctor
Dr.
Schmidl
von
der Redaction der Wiener-Zeitung
zum Berichterstatter über die
Sitzungen der Akademie
er-
nannt worden sei; daher frage
er sich an, ob es die Classe nicht
zweckmäßiger finde, diesem –
dessen Berichte sogleich nach den
Sitzungen erscheinen – die
authentischen Mittheilungen
zu machen und dafür die
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immer erst nach mehreren
Wochen in die Wiener-Zeitung
eingerückten officiellen
Be-
richte ganz aufzugeben?
Die Classe beschließt, es der
Controlle wegen bei der bisher
üblichen
Art der offiziellen
Berichte für die Wiener-Zeitung
zu belassen.
Herr Regierungsrath
Arneth
liest als Referent
den Commissionsbericht über
die Betheiligung der Classe an
der von der
k.
kaiserlich-königlichen
k.
Marine zu
unternehmenden Expedition
um die Welt.
In Folge dieses Berichtes
und der darüber
stattgefun-
denen Discussion beschließt
die Classe, mit Ausnahme
Einer Stimme (der des Secre-
tärs) den Herrn
Berichter-
statter
zu beauftragen, der
Gesammtakademie zu
er-
klären:
Da die Männer, von
wel-
chen die Classe ein für die
Wissenschaft ersprießliches
Re-
sultat erwarten könnte, nicht
in der Lage sind, sich an der
Expedition zu betheiligen, die
aber, welche sich bisher
dazu
bereit erklärt haben, kein
solches Resultat erwarten
lassen, so sehe sich die Classe
ausser Stande, sich durch Er-
nennung eines eigens für
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ihre Fächer
Beauftragten an
der Expedition zu betheiligen;
im Falle aber die von der
andern Classe Gewählten in
der Lage wären auch für die
Zwecke der
philosophisch-historischen
philos.-hist.
Classe
Aufträge zu besorgen, würde
diese ihnen nicht nur
Instruc-
tionen mitgeben sondern auch
an ihrer Unterstützung sich nach
Verhältniß
gerne
betheili-
gen, und wünsche dann nur
daß von ihren Aufträgen und
ihrer Betheiligung am gehöri-
gen Orte Erwähnung geschehe.
Der Secretär erklärt,
deßhalb mit dem Beschlusse der
Classe nicht übereinstimmen
zu können, weil er glaube,
daß auch von einem
jünge-
ren noch minder
ausgebil-
denten, aber nur überhaupt
strebsamen Manne der
Wissen-
schaft immerhin ein der
Be-
theiligung der Classe werthes
Resultat sich erwarten lasse,
wenn dieser nämlich sich auch
nur darauf beschränke (und
große selbstständige
Entdeckun-
gen und Untersuchungen in
den Fächern der Classe lassen
sich bei einer Expedition der
Art ohnehin nicht erwarten)
an Ort und Stelle die
verläß-
lichsten Nachrichten über den
neuesten Stand der
historisch-
antiquarischen Entdeckungen
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(zum Beispiel
z. B.
in Mittelamerika,
beson-
ders Méjico, Yucatan oder auf
Ceylon) und über bestimmte
ihm aufgegebene statistische
Fragen einzusammeln; mit
den dortigen Gelehrten und
Fachmännern (
zum Beispiel
z. B.
den
Mis-
sionären) directe
Verbindun-
gen mit der Akademie
an-
zuknüpfen; Handschriften,
kleinere Antiquitäten und
selbst die in Europa so schwer
zu bekommenden Druckwer-
ke von Südamerka, Ostin-
dien und China für die
kaiserlich-königlichen
k. k.
Sammlungen zu erwerben;
endlich eine Geschichte der
Expedition zu schreiben. Dazu
aber, glaube er, habe sich
un-
ter den Bewerbern wirklich
ein Geeigneter gefunden
in der Person des Herrn
Müller, dessen
geographisch-
antiquarische und besonders
linguistische Kenntnisse
meh-
reren Mitgliedern der
Classe bekannt seien. Er
glaube daher umsomehr,
daß die Classe durch dessen
Wahl sich selbstständig be-
theiligen solle, weil sie ohne-
hin bei jeder Gelegenheit
von der Meinung des Pub-
licums gegen die andere
Classe in Schatten gestellt
werde, und dieses gewiß
unbillige und nur in der
einseitigen Bildung unseres
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Publicums liegende aber
leider nur zu sehr verbreitete
Vorurtheil gegen sie durch ihre
Nichtbetheiligung im
gegenwär-
tigen acclatanten Falle nur
verstärkt werden müsse.
FWolf