Sitzung der phil.-hist. Klasse am 8. Mai 1850

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C. 73.


Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.


Protokoll


der Sitzung der philosophisch-historischen Classe


am 8. Mai 1850


Anwesend: Der Alterspräsident Freiherr Hammer-Purgstall.
Die wirklichen wirkl. Mitglieder Mitgl. Herr Arneth
Herr " Auer
Herr " Bergmann
Herr " von v. Karajan
Herr " Pfizmaier
Herr " Diemer
Herr " Kudler
Herr " Exner
Herr " Springer
Der Secretär Herr " Wolf


Als Gäste Herr Simony und mehrere Andere


Das Protokoll unbean-
standet.


(513)
Der Secretär legt vor:
a) Von Herrn Hrn. Doctor Dr. Ignaz I. Franz F. Castelli,
das Manuscript der 2ten Auf-
lage seines Wörterbuchs der
Mundart in Oesterreich und u
mit einem Gesuch, die Aka-
demie möge es der Prüfung
werth halten und ihm die Re-

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sultate derselben mittheilen.


Einer Commission über-
wiesen bestehend in den Herrn
von v. Karajan und Diemer.


(530) b) Von Herrn Hrn. Professor Doctor Dr. Gol-
denthal
Bericht über Herrn
Reitmann's handschriftliche handschriftl. Ab-
handlung über die polnisch-
jüdische Kleidertracht, die er
nicht für geeignet hält, in
den Schriften der Akademie
herausgegeben zu werden.


Dem Secretär aufgetra-
gen Herrn Hrn. Reitmann demge-
mäß zu bescheiden.


(543) c) Von Herrn ProfessorProf. Doctor Dr. Lukas L. Friedrich F. Tafel
in Ulm ein Schreiben an
Herrn Regierungsrath Chmel,
worin er ihm den Wunsch
anzeigt, Urkunden zur byzantinischen byzant.
und venetianischen venet. Geschichte durch die
Akademie herauszugeben.


Zur Wissenschaft.


(539) d) Von Herrn Hrn. ProfessorProf. Carrara,
ein Schreiben in dem er sich
entschuldigt, die verlangten
Medaillen nicht einsenden zu
können.


Auf die Bemerkung
des Herrn Arneth daß die
Akademie mit deren Unter-
stützung diese Medaillen ge-
funden, doch gewiß ein Recht
habe, die Ansicht derselben

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zu verlangen um sie selbst
prüfen zu können, und daher
auf ihrer Einsendung bestehen
solle, und nachdem er das
Bedenken des Herrn Diemer
ob dann nicht ein Eigenthums-
recht und das provinzielle Inte-
resse verletzt würde, dadurch
behoben, daß die Akademie
selbst das Eigenthum bean-
spruchen könnte, weil diese
Gegenstände ja eben nur durch
ihre Geldmittel erworben
worden seien, wie Herr
Carrara, in seinem Bericht
vom 25. März dieses Jahres d. J. selbst sagt:
a spese d'essa eccelsa Acca-
demia", daß das wissenschaft-
liche Interesse doch höher stehe
als das provinzielle, und daß
es sich vor der Hand ja nur
um eine Autopsie handle, um
eben im Interesse der Wissen-
schaft diese Medaillen einer
genauen Untersuchung zu
unterziehen, die man mit den
hiesigen Kräften und Mitteln
doch gewiß am besten vor-
nehmen könne, beauftragt
die Classe (nur Herr von v. Karajan
enthielt sich des Abstimmens, da
er erst am Schlusse der Discus-
sion gekommen) ihren Secretär, Secretär
Herrn Carrara nochmals auf-
zufordern, diese auf Kosten
der Akademie gefundenen
und erworbenen Medaillen
ihr nun auch zur Einsichtnahme

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und Prüfung einzusenden,
und das weitere Resultat zu
erwarten.


Herr von v. Karajan erstattet
als provisorischer Referent der
historischen Commission und
als Referent der Commission
für Herausgabe der Acta con-
ciliorum cil. saeculi saec. XVi mit Bezug auf
die in dem Schreiben des Herrn
Palacky vom 15. April dieses Jahres d. J. aus-
gesprochenem Wunsche einen
Bericht (ad numero no 456 und 492) und
stellt dann folgende Anträge:


1tens Die Classe wolle sich
an das hohe Ministerium
des Äussern wenden mit
der Bitte, die beiden Hand-
schriften No 1503 und 1577 (ent-
haltend: Carlerius de legalio-
nibus concilii Basiliensis,
und einen gleichzeitigen Aus-
zug daraus) von der Biblio-
thèque nationale zu Paris
für die kaiserliche Akademie
der Wissenschaften auf läng-
stens ein halbes Jahr ent-
lehnt zu erhalten.


2tens den Secretär beauf-
tragen, wegen Copirung der
von Baluze mit eigener
Hand im Jahre i. J. 1698 gemachten Ab-
schrift des Liber Diurnus Petri
Bruneti in der Handschrift Hs. No 1497 der-
selben Bibliothek an Herrn

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de-Mas-Latrie, sous Directeur
des études à l'école des chartes
(rue neuve des petits champs, No 62)
zu schreiben, um durch ihn eine
verläßliche Abschrift auf Kosten
der Akademie machen zu lassen
und zwar vor der Hand bei
ihm der Kosten wegen anzu-
fragen und darüber eine be-
stimmte Abrede mit ihm zu
treffen.


3tens In Bezug auf die von
der Akademie angesuchte Ent-
lehnung der Handschrift A. 1. 32
der Universitäts-Bibliothek
zu Basel (enthaltend des
Johannes de Ragusio Initium
et prosecutio concilii BasiliensisBasil.)
und der von dem dortigen
Bibliothekar Herr Professor
Doctor Dr. Perlach in seinem Schrei-
ben vom 8. April dieses Jahres d. J. gestellten
Bedingnisse und namentlich
der Caution von 3000 Gulden fl. Gulden Conventionsmünze CM.
diese Bedingnisse einzugehen
und in diesem Sinne sich bit-
tend an das hohe Ministerium
des Äussern zu wenden unter
Beischluß der gewünschten Er-
klärung der kaiserlichen k. Akademie,
respective unserer Classe.


Die Classe erklärt sich mit
den Anträgen 1) und 2) ein-
verstanden und beauftragt
ihren Secretär demgemäß
vorzugehen.

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vorzugehen.


In Beziehung auf 3) aber
pflichtet die Classe der Be-
merkung des Secretärs bei,
daß zur Ausstellung der von
der Gesammtakademie ge-
forderten Erklärung und
der von ihr zu leistenden
Versicherung der Handschrift
mit 3000 Gulden fl. Conventionsmünze CM. doch die Zustim-
mung der Gesammtakademie
erforderlich und deßhalb vor-
erst eine Anzeige dieses
Falles an dieselbe zu machen
sei, demzufolge der Secretär
beauftragt wird, diese Anzei-
ge in der nächsten General-
Sitzung vorzubringen.


Freiherr Freih. Hammer-Purgstall
liest die Fortsetzung seiner
Abhandlung über die Namen
der Araber.


Herr Regierungsrath
Arneth legt die bisher erschie-
nenen Hefte von Herrn von
Jabornegg's kaiserlich-königlichen k. k. Landesge-
richtsraths in Klagenfurt "Rö-
mischen Alterthümer in Kärn-
ten" vor und theilt eine Zu-
schrift desselben an die Aka-
demie mit, worin er sie er-
sucht, die Fortsetzung dieses
Werkes in ihren Schriften her-
ausgeben zu wollen und sie
einschicken zu dürfen.

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Die Classe bevollmächti-
get Herrn Arneth dem Bitt-
steller
anzuzeigen, daß er
die Fortsetzung obigen Wer-
kes an sie einsenden könne,
und daß sie geneigt sei, sie
in dem "Archiv" der historischen
Commission zu veröffentlichen.


Derselbe theilt einen an
ihn gerichteten Brief des Doctor Dr.
Kandler in Triest mit, worin
er seine Bereitwilligkeit er-
klärt, die von der Akademie
gewünschte Beschreibung des
Landes "zwischen der Etsch und
der Culpa und zwischen der
Drau und dem adriatischen
Meere," zu übernehmen, er-
bittet sich jedoch, ihm die dazu
nöthigen Hilfsmittel, wie Bü-
cher, Karten, und so weiter u. s. w. verschaffen
zu wollen.


Die Classe ersucht Herrn Hrn. Arneth,
Herrn Hrn. Kandler ihre Bereitwillig-
keit zu erklären, ihn von Fall
mit allen ihr zu Gebote stehen-
den Mitteln und ihrer Verwen-
dung unterstützen zu wollen.
Derselbe liest eine von
Herrn Hrn. Mathias Koch verfaßte
und zur Lesung in der Akade-
mie ihm zugesandte Recension
über den 1. Theil von Kink's
"Vorlesungen über die Ge-
schichte von Tirol" (Innsbruck,
1850), welche jedoch dem Wunsche

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des Verfassers gemäß nicht
zum Abdruck bestimmt wird.


Herr Wuk überreicht
seine neuesten Werke; über
serbische Sprache und Litera-
tur der Akademie zum Ge-
schenke.


Die Classe spricht dem Herrn Hrn.
Geschenkgeber ihren besten Dank
aus und wird nicht erman-
geln, seine wichtigen und
interessanten Werke in ihren
Sitzungsberichten besprechen
zu lassen.


Herr Simony, Reichsge-
olog, hält einen Vortrag
über die alte Leichenstätte
auf dem Hallstätter Salzberg. Salzberg


In der vertraulichen
Sitzung


frägt sich der Secretär an,
ob es nicht an der Zeit sei,
bei dem nahe bevorstehenden
Ablauf des Termins zur Be-
urtheilung und Entscheidung
der Preisschriften, nämlich
den 30. Mai dieses Jahres d. J. und da auf
die philologische Preisfrage
eine solche Preisschrift wirk-
lich eingegangen und von
den Prüfungscommission
preiswürdig befunden worden

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ist, die defintive Beurthei-
lung derselben und respective
Zuerkennung des Preises
vorzunehmen?


Die Classe beschloß aber
durch Stimmenmehrheit in
Berücksichtigung des §.9 der
Geschäftsordnung, nach welchem
die Entscheidung über die Preis-
schriften "vorzugsweise" einen
Gegenstand der Gesammtsitzungen
ausmachen sollen, zu welchen auch
die auswärtigen wirklichen Mit-
glieder einzuberufen sind, und
da für dieses Jahr eine solche
Einberufung nicht Statt finde,
vorerst an die Gesammtaka-
demie die Anfrage zu stellen:
ob sie sich befugt halte auch ohne
eine solche Einberufung über
die Preisschriften zu entscheiden,
oder doch ausdrücklich zu die-
sem Zwecke eine solche Einbe-
rufung unverzüglich veran-
lassen oder endlich die Ent-
scheidung vertagen wolle, bis
einmal wieder ohnehin eine
feierliche oder Gesammtsitzung
mit Einberufung der auswär-
tigen Mitglieder stattfinde?


Welche Anfrage vor die
nächste Gesammtsitzung zu
bringen der Secretär somit
beauftragt wird.


Nur Herr Arneth und
der Secretär stimmen für

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die unverzügliche Vornahme
der Entscheidung über die
Preisschriften und zwar in
der nächsten gewöhnlichen
Gesammtsitzung auch ohne
Einberufung der auswärti-
gen Mitglieder, indem sie
in den gegebenen Ausnahms-
verhältnissen die Akademie
um so mehr für befugt halten
auch eine Ausnahme von
der selbst gegebenen Regel
im §.9. der Geschäftsordnung
zu machen, da einerseits diese
Regel in Zeiten gemacht und
für Zeiten berechnet wurde, in
welchen in auch auf die un-
gestörte Abhaltung der regel-
mäßig jährlich abzuhaltenden
feierlichen Sitzungen rechnen
könnte, und im Grunde die
Einberufung der auswärtigen
zu diesem Zwecke auf eine
leere Formalität hinaus-
läuft, da sie doch während
der kurzen Zeit ihrer Anwe-
senheit nicht im Stande
wären eine selbstständige
Prüfung vorzunehmen; an-
dererseits aber bei einer
ausserordentlichen bloß dieser
Formalität wegen stattfin-
denden Einberufung der
auswärtigen Mitglieder,
der Akademie bedeutende
und ganz nutzlose Kosten
verursacht würden, oder

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endlich gar bei einer Verta-
gung auf unbestimmte Zeit
die Akademie gleich bei ihrer
ersten Preiszuerkennung
den von ihr selbst bestimmten
und öffentlich zugesagten
Termin nicht einhalten, so-
mit als vertragsbrüchig er-
scheinen und ihre Ehre wegen
einer leeren Formalität
compromittieren würde. Das
stricte Einhalten dieses Ter-
mins würde aber schon
durch eine vorläufige Anfrage
bei der Gesammtakademie un-
möglich gemacht, von der man
bei so triftigen Gründen eher
annehmen müßte, daß sie
die Vorentscheidung der Classe
nicht nur entschuldigen, son-
dern auch gerechtfertiget
finden würde.


FWolf