Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 1, S. 14
Text
Ganz unbedenklich sitzen wir und schau’n und lauschen.
Noch eine Rose kaufen wir und schenken sie Maria.
Und noch eine Rose kaufen wir. Und einen Strauss von
Rosen.
Geld spielt keine Rolle.
Wie Aristokraten sind wir, die von ihren Gütern leben.
Etwas abseits vom schweren Leben sind wir. Wir schleichen
nicht dahin wie Brackwasser. Ueber uns selbst erstaunen wir.
Signorina Maria — — —!
Der Baron.
Baron Lulu sitzt mit gekreuzten Beinen vor den Strassen-
sängerinnen Emilia, Eliza, Ermelinda. Blumenmädchen bringen
Rosen, stecken dieselben in ein Glas auf dem Tische des Barons.
Für jede Rose eine Krone. Der Baron nimmt endlich den
Rosenstrauss, schüttelt das Wasser ab, umwickelt den Strauss
mit Papier, damit es trocken sei zum Anfassen. Das Papier
ist blau mit zwei zart ausgeführten Knabengestalten —
Staatsnote.
Ein Uhr Nachts. Emilia befindet sich im glücklichen
Besitze eines Rosenstrausses und eines blauen Papieres mit
zwei zart ausgeführten Knabengestalten.
Der Baron sitzt mit gekreuzten Beinen.
Die Azaleen leuchten lila-rosa und weinroth und schwefel-
gelb im Bogenlichte. Farben hauchen sie aus.
Niemand ist mehr im Café San Marco.
Die Kellnerinnen warten ehrerbietig.
Die Strassensängerinnen sind schlafen gegangen.
Auch Emilia?! Auch Emilia.
Der Baron sitzt da mit gekreuzten Beinen.
Noch eine Cigarrette zündet er sich an.
Welch ein Naturfreund ist er! Während Alles sich fort-
begibt, sitzt er wie versunken. Komisch kommt er sich vor,
ein Idealist zu sein — — —.
Die Kellnerinnen warten ehrerbietig — — —.
Wien. Peter Altenberg.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 1, S. 14, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-01_n0014.html)