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versucht es die Direction jetzt mit
Frau Kopacsi und einer Operette
des in den besten Gesellschafts-
kreisen accreditirten Herrn Carl
Weinberger. Es war ein Familien-
abend. Das gut erzogene Publicum
der Première belachte die ältesten
Wort- und Situationswitze und
liess sich mehrere beliebte Musik-
nummern wiederholen. Herr Wein-
berger wirkte imponirend und zwang
Freund und Feind zur rückhaltlosen
Bewunderung seiner Kühnheit im Zu-
sammenstellen bekannter Motive.
Eine Serenade im zweiten Acte
blieb ohne Applaus. Sie ist aber
auch origineller als sämmtliche
anderen Nummern. Im Allgemeinen
möchte man den Componisten mit
dem Titelhelden seines Werkes
vergleichen; gleich einem »Schmet-
terling« flattert er von bestbekann-
ter zu mancher mehr im Verbor-
genen blühenden Operettenblume,
bringt sich aber immer den süsse-
sten Blüthenstaub mit, zum Unter-
schiede von seinem Collegen Herrn
v. Taund, dem sogar zum musika-
lischen Entdeckungsreisenden für
eigenen Bedarf der Geschmack
fehlt. Der Frau Kopacsi versagte
mehrmals die angegriffene Stimme;
vielleicht aus bescheidenem Erstau-
nen über die Menge der ihrer
Kunst gewidmeten Kränze und
Blumengewinde.
H. K—r.
Russische Novellen. Deutsch
von Alexander Brauner. Bei
Hermann Ziegler, Leipzig 1896.
In dieser Sammlung steht eine
wundervolle Skizze. Ihr Autor heisst
Fjodor Szologub, ihr Titel »Schatten«.
Wie sie aus kleinen Anlässen mälig
und leise bei Mutter und Sohn die
düstere Gewalt des Wahnsinns her-
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vorbrechen lässt — das ist ein
Wunder an Delicatesse und Psycho-
logie. Dem Knaben fiel das Probe-
heft einer neuen Zeitschrift in die
Hände, in dem er Muster seltsamer
Schattenbilder fand. Bei seinen
abendlichen Arbeiten, wenn die
Lampe angezündet ward, versuchte
er es nun, die Proben an die Wand zu
zaubern. Es gelang ihm nicht gleich.
Er musste viel darüber denken, sich
intensiv damit beschäftigen, eh’ er
es konnte. Aber als er’s dann end-
lich vermochte, genügten ihm die
alten Bilder nicht, ersann er immer
neue. Die Arbeiten vernachlässigte
er, in der Schule gab er nicht Acht:
er dachte an seine Schatten. Im dro-
henden Schwarz der nächtlichen
Wolken, im raschen Schatten vor-
überhuschender Wagen erkannte er
Leben, Bewegung, Menschen und
Thiere. Wohin er ging, erblickte er die
Schatten. Sie umgaben, sie verfolgten
ihn — immer wilder, immer riesen-
hafter, immer zahlreicher. In der
Nacht schreit er gellend plötzlich
auf, wenn sie ihn gar zu stürmisch
bedrängen, und schliesslich weiss
er sich ihrer auch am Tag nicht
zu erwehren: er ist dem Dunkel
rettungslos verfallen. Doch auch
die Mutter, diese zarte, zärtliche,
blasse Frau, erleidet das nämliche
Schicksal. Als ihr des Sohnes
Leidenschaft zu stark geworden,
warf sie gemeinsam mit ihm beim
bleichen Licht der Lampe Figuren
auf die Wand. Tiefbesorgt, wollte
sie dem Spiel das Anziehende
nehmen, indem sie officiell ge-
stattete, was er früher nur heimlich
that. Allein, nun kann sie selbst dem
suggestiven Zwang der Schatten
sich nicht mehr entziehen. Des
Abends, wenn sie allein ist, ent-
zündet sie die Kerze und wieder-
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