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Werestschagin-Ausstel-
lung. Wenn man sich künstlerisch
mit dem Wesen der historischen
Tendenzmalerei befreunden kann,
wird man Werestschagin als in-
teressanten Künstler anerkennen
müssen. Freilich ist es in letzter
Linie seine Malweise, die uns zu
imponiren vermag. Seine Farben-
gebung ist häufig trüb und schwer,
manchmal wohl frisch, oft aber
hart und ohne Luft. Dabei ist er
immerhin ein virtuoser Techniker,
und seine Art, Schnee zu malen,
muss mit Achtung anerkannt werden.
Auch einige kleine Landschafts-
skizzen, die im Gegensatz zu den
grossen Kriegsbildern beim Publi-
cum nur sehr wenig Beachtung
finden, sind sehr fein und stim-
mungsvoll. Der Napoleon-Cyklus
jedoch vermochte auf mich nicht
annähernd jene Wirkung hervorzu-
bringen, wie die im Jahre 1885
ausgestellten Bilder aus dem
russisch-türkischen Krieg und dem
indischen Aufstand. Da spürte man
den starken Zug von Temperament
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und Gestaltungskraft, die beide
Werestschagin nicht abzuleugnen
sind. Aber der derbe Realismus,
mit welchem der Künstler Napoleon
anrempelt, berührt wie galliger
Missmuth des Alters. Es liegt mehr
Bosheit darin als gerechte Ent-
rüstung. Und gerade diese war es,
der seine früheren Kriegsbilder
ihre so überzeugend unmittelbare
Wirkung verdankten. Darum lässt
die diesmalige Ausstellung recht
unbefriedigt. Denn grosse oder
gar moderne malerische Qualitäten
können wir aus ihr nicht ersehen,
aber auch die Werestschagin’sche
sichere Ueberlegenheit des Wurfes
müssen wir stark vermissen. Der
Künstler mag es gefühlt haben,
dass er dem gedanklichen Aus-
druck seiner Gemälde ausgiebig
nachhelfen müsse. So ist denn
der erläuternde Katalog so um-
fangreich geworden, dass die Bilder
beinahe in ein umgekehrtes Ver-
hältniss zu denselben treten und
wie Illustrationen zu den Katalog-
artikeln anmuthen.
p. w—m.
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