Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 1, S. 24

Carltheater: »Eine guter Partie« »Vereinigung bildender Künstler Österreichs« Hofrath v. Scala und die Banausen (Schölermann, Wilh.Christomanos Constantin)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 1, S. 24

Text

RUNDSCHAU.

Sein Ensemble bewegt sich auf der
Höhe landläufigster Provinzroutine und
enthält keine irgendwie überraschende
schauspielerische Erscheinung. Viel be-
merkt wurde, dass nach der Première

des neuesten Werkes Victor Léons Col-
porteure an das das Haus verlassende
Publikum Reclamezettel mit der Auf-
schrift »Wo unterhält man sich am
besten
?« vertheilten.


RUNDSCHAU.

Hofrath v. Scala und die Banausen.
Wir waren in den letzten Tagen Zeugen
einer selbst für Wien erniedrigenden Hetze
gewesen. Dass man einen kaiserlichen
Prinzen in das hässliche Getümmel hin-
einzerrte, hat das moralische Niveau
des Schlachtfeldes nicht gehoben. Viel-
mehr muss man es beklagen, dass die
Banausen-Horde, die mit der Taktik der
Taktloligkeit und dem Geschütze der
Verleumdung und Verdächtigung gegen
den Feind der Unkunst gezogen, sich
selbst hinter einer edlen Gestalt ver-
schanzen konnte. Jetzt ist der Pulverdampf
verzogen und die Leichen werden sichtbar.
Da liegt vor allen der pensionierte Vor-
gänger des Herrn v. Scala, Hofrath Bruno
Bucher, auf der Walstatt. Ja, war er
nicht schon todt, bevor er in Pension
gieng? Oder seit wann stehen die pen-
sionierten Leichen wieder auf, um sich
dem flutenden Leben entgegenzustellen?
Eine handvoll Menschen, welche zur Über-
zeugung gekommen waren, dass sie an
den Rand ihrer künstlerischen Impotenz
und Geschmacklosigkeit gelangt waren,
haben in der letzten Stunde ihres Daseins
ihr Gift wider die kommende Kunst aus-
zuspeien versucht, indem sie gegen den
Leiter des österreichischen Museums die
ehrenrührige Beschuldigung erhoben, er
hätte aus geheimen Fonds ausländische
Möbel gekauft und in Wien anzubringen
getrachtet. Eigentlich hofften sie dadurch
ihren unvermeidlichen Untergang hinaus-
zuschieben und inzwischen dem auf-
blühenden, kleinen Gewerbe den Todes-
stoss zu versetzen. Hofrath v. Scala ist
nicht nur der moderne Mensch, der den
Adel der Kunst in sich verkörpert, sondern

im eigentlichen Sinne des Wortes der
sociale Kunstmäcen, der die wahre Kunst-
production in den Bereich eines jeden
kommen lassen will. Deswegen hat er
sich auch zum Ziele gesetzt, das Monopol
einiger Latifundien-Inhaber des Kunstge-
werbes zu brechen und das wahre Museum
für Kunst und Industrie auch dem kleinen
Gewerbetreibenden und dem kleinen Käufer
zu eröffnen.

Die düpierte öffentliche Meinung wendet
sich nun mit Entrüstung und Abscheu
gegen die Kunstgewerbe-Jagos. Obwohl
sie sich selbst in einer solchen Rolle be-
schämende Inferiorität zu Schulden kommen
liessen, nachdem diesmal die neue Kunst
unerdrosselt blieb, wird ihnen hoffentlich
die öffentliche Auspeitschung nicht erspart
bleiben. — hri —

Die »Vereinigung bildender
Künstler Österreichs
« hat ihren
neuen Kunsttempel eingeweiht durch die
am Samstag erfolgte Eröffnung ihrer
zweiten Ausstellung. Das Schmerzenskind
der Wiener Bierbankästhetiker und Café-
kritiker ist seinem Beruf übergeben worden:
ein zeitgemässes Ausstellungs-
gebäude
für Kunstwerke zu sein.
Wer das noch nicht erkannt hat, dem ist
nicht zu helfen. Auch die Ausstellung
selbst enthält fast nur Kunstwerke und
was erfreulich ist: die Österreicher fallen
diesmal gegen das Ausland nicht ab. In
diesen Tagen wird man wieder recht
hübsche Beobachtungen machen können,
wie weit die Wiener Kritik im Stande
ist, vor der Kunst zu bestehen! Hoffen
wir das Beste. — Wir kommen auf
Olbrichs Schöpfung und die Ausstellung
selbst zurück. W. Sch.


Herausgeber: Constantin Christomanos und Felix Rappaport. — Verantwortlicher Redacteur:
Constantin Christomanos.
K. k. Hoftheater-Druckerei, Wien, I., Wollzeile 17. (Verantwortlich A. Rimrich.)

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 1, S. 24, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-01_n0024.html)