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In der „Neuen Metaphysischen
Rundschau“ (III., 1, 2 u. ff.) findet sich
ein Aufsatz von Professor A. Marques über
die menschliche Aura („The Human
Aura“, ein umfassendes Werk des näm-
lichen Verfassers, das demnächst auch in
deutscher Sprache im Verlage Paul Zillmann,
Berlin, Groß-Lichterfelde, erscheinen wird).
Menschen und Dinge sind von einer vielfach
zusammengesetzten, aber außerordentlich feinen
Ausströmung umhüllt, die (allerdings nur dem
„hellsehenden“ Auge sichtbar) in den ver-
schiedensten Farben spielt und leuchtet; diese
Farben können mancherlei Aufschlüsse geben
über unsere Constitution, unsere Leidenschaften,
Gefühle, Ideen. Die „exacte“ Wissenschaft
negiert platterdings die Existenz dieser Aus-
strömung („Aura“). Aber die photographische
Camera beweist ihr Vorhandensein. So hat
beispielsweise unter Anderem Dr. Baraduc (Paris)
die Aura verschiedener Personen photographisch
fixiert. Professor Dr. Elmer Gates, ein ameri-
kanischer Arzt, hat andererseits die Existenz
dieser Ausstrahlungen durch die chemischen
Reactionen diverser Seleniumsalze bewiesen.
Die Aura variiert in ihrer Beschaffenheit nach
den Gemüths- und Gesundheitszuständen der
Person, deren Ausstrahlung sie ist, und ihre
Reactionen lassen verschiedentliche Farbentöne
erkennen. Sie zeigt also— könnte man folgern —
den geistigen Menschen in seiner wahren Nackt-
heit, just wie die Röntgenstrahlen die Nacktheit
des versteckten Skelets ans Licht ziehen, und
sofern nur die Zahl der Sensitiven zunimmt,
deren Augen die Aura wahrzunehmen ver-
mögen, wird es wohl bald auch möglich sein,
den Menschen so zu sehen, wie er thatsächlich
ist, und nicht wie er Anderen geflissentlich zu
erscheinen sucht.
In H. P. Blavatsky’s großem Glossar
wird „Aura“ folgendermaßen definiert: „Ein
feines, unsichtbares Wesen oder Fluidum, das
menschlichen und thierischen Körpern (auch
Sachen) entströmt; ein psychischer Ausfluss,
theils dem Geist, theils der Materie angehörig.“
Mit dem gleichen Thema haben sich A. P.
Sinnett, C. W. Leadbeater und Annie
Besant in speciellen Monographien und Vor-
trägen eingehend beschäftigt. Sinnett behauptete
geradezu, dass ein Studium der Principien des
Menschen ohne Erforschung der menschlichen
Aura undenkbar sei. Im Übrigen ist das Phä-
nomen der individuellen Aura durchaus kein
neuzeitliches Erkenntnis-Novum. Paracelsus
beschrieb sie vor circa 800 Jahren als persön-
liches „Astrallicht“; ältere Alchimisten nannten
sie „Sphäre des Einflusses“, der von den In-
dividuen ausgeht; in der Hindu-Litteratur figu-
rierte sie als individuelle „Akasische Sphäre“;
auf uralten Kunstdenkmälern Indiens, Egyptens,
Griechenlands, selbst Yucatans und Perus
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(Bilder, Statuen) findet man sie dargestellt als
Attribut der Götter und Halbgötter, der „heid-
nischen“ und der — christlichen. Fast auf
allen Abbildungen Jesu Christi, der heiligen
Jungfrau und aller katholischen Märtyrer sieht
man sie auch heule noch als eine natürliche
Thatsache, an die man von Staats- und kirchen-
wegen glauben muss. Für die verschiedenen
Formen der Aura gab es verschiedene Termini,
die heute noch (selbst im Munde der aufge-
geklärtesten Philister) ihr Wesen treiben.
Man nannte sie: „Nimbus“ oder Heiligen-
schein“ (scheibenförmigeTheil-Aus-
strahlung aus dem Kopfe göttlicher Wesen)
— „Aureole“ (Gesammt-Ausstrahlung des
ganzen Körpers) — „Glorie“ (Combination
beider Phänomene). Alles Nähere hierüber ist
aus der christlichen Ikonographie zu ersehen.
Man vergleiche namentlich die vielfachen Dar-
stellungen der „Himmelfahrt“ in griechisch-
und römisch-katholischen Kirchen, woselbst die
ganze Figur der schwebenden Jungfrau von
einer ovalen „Glorie“ (Aureole und Nimbus)
umflutet wird. Diese katholischen Darstellungen
gehen offenbar auf die altindischen Götterbild-
nisse (Indranee, Krishna etc.) zurück, die (viele
Jahrhunderte vor Christi Geburt) ihre Heiligen-
scheine etc. aufweisen. Auch heute noch sehen
wir diese Gloriolen und Glorien (wogende gol-
dene Linien) in Indien, China, Japan und an-
deren orientalischen Ländern (Buddha etc.).
Vergleiche Wadell’s gutes Buch „Buddhismus
oder Lamaismus in Tibet.“ Und alle diese Dar-
stellungen beruhen auf absoluten physiolo-
gischen und psychologischen Wahr-
heiten, die den Alten wohl bekannt waren;
so beispielsweise auf der Erkenntnis, dass in
geistig hoch entwickelten Menschen die ge-
wöhnliche Aura so intens und leuchtend wird,
dass ihre bestimmte Form, das besondere
Zeichen ihrer Entwickelung von psychisch prä-
disponierten Individuen wahrgenommen werden
kann. Die einst sehr stark verbreitete psychische
Fähigkeit, die gewöhnlichen Auren und ihre
übernormal verstärkten Manifestationen zu
unterscheiden, sind aber in dem Materialismus
der (ungebildeten und bigotten) modernen
Rassen immer mehr und mehr verloren ge-
gangen, so dass der psychischen Blindheit Alles,
was sich die Schulweisheit nicht träumen lässt,
als „Aberglaube“ oder „Tändelei“ erscheinen
muss. Als Baron Reichenbach das Od-
Fluidum und die Od-Lichter (die niedrigste,
materiellste Aura) feststellte, wurde er aus-
gelacht. Heute lässt man sich bereits herbei,
elektrische und magnetische Ausströmungen
wissenschaftlich anzuerkennen, ja man spricht
sogar von einem materiellen „Nerven-Äther“,
einer „Nerven-Athmosphäre“. Wir werden auf
das Werk des Professors A. Marques, sobald
es vollständig vorliegt, zurückkommen.
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