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Erscheinung erwiesen. Interessante Aufschlüsse
hierüber geben uns u. a. Montaigne, Male-
branche, Lessing (»Laokoon«), Prof. Liébault,
Björnson (vgl. »Neue deutsche Rundschau«,
VII, S. 799) und von den Alten Oppianos,
Galen u. v. a. — Außer den zahlreichen Ein-
wirkungen auf die physische Bildung des
Fötus sind namentlich auch merkwürdige psy-
chische Beeinflussungen constatiert worden.
Die vorgeburtliche Erziehung müsste nach
zwei Seiten hin vorgenommen werden. Einer-
seits müssten die Mütter solchen Eindrücken
ausgesetzt werden, die durch Intensität oder
Häufigkeit einen günstigen Niederschlag auf den
Fötus herbeiführen. Andererseits müssten sie
in der kritischen Periode vor allen Eindrücken
bewahrt werden, die ihn physisch, intellectuell
und moralisch ungünstig beeinflussen könnten.
So wäre eine körperliche Veredelung und eine
Steigerung der guten Anlagen schon vor der
Geburt möglich. Besonders wichtig wäre die
Züchtung günstiger Charakter-Eigenschaften,
weil die nachgeburtlichen Erziehungs-Maß-
regeln an den angeborenen ungünstigen Anlagen
fest immer scheitern. Auf die geistige
Nahrung der Mutter müsste Bedacht genommen
werden. Suggestive Behandlung könnte in
Anwendung kommen. Schon der Physiologe
Burdach hat gesagt, dass der Fötus an den
Vorstellungen der Mutter ebenso theilnimmt,
wie die Somnambule an denen des Magnetiseurs.
Es ist tragikomisch anzusehen, dass zwar
Hunde, Pferde, Schweine etc. gezüchtet werden,
die Menschen-Züchtung aber (zumal im Zeit-
alter Darwins) nicht einmal erwogen wird.
Unter den endlosen Erörterungen, die der
modernen Frauenbewegung gelten, sucht man
das so wichtige Problem der vorgeburtlichen
Beeinflussung vergeblich. Du Prel sagt aber
geradezu: »Es wird eine Zeit kommen, da der
erste Anstoß zur Weiter-Entwicklung der Kunst,
Naturwissenschaft oder Philosophie, wenn hoch-
wichtige Probleme ihre Lösung erheischen,
schon von Seite der Gesellschaft dadurch ge-
geben wird, dass die Mütter zur Beschäftigung
in der jeweilig nöthigen Richtung angehalten
werden.«
MAXIM GORKIJ (Pseudonym für A. M.
Pješkov), der Verfasser der Skizze »Die
Isergil«, die wir in diesem Hefte publicieren,
wurde 1868 oder 1869 (er weiß dies selbst nicht)
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in Nižhnij-Novgorod geboren. Nach dem Tode
der Mutter ließ ihn der Großvater das Schuster-
handwerk lernen. Doch der Knabe entfloh seinem
Meister und trat zuerst bei einem Zeichner,
dann bei einem Maler von Heiligenbildern in
die Lehre. Ohne es bei dem einen oder anderen
zu etwas gebracht zu haben, ließ er sich unter
die Schiffsköche aufnehmen. Seinen 15. Geburts-
tag feierte er als Gärtnerlehrling. Während
dieser ganzen Zeit las er »classische Werke un-
bekannter Autoren«, wie er selbst sagt. Auf
dem Schiffe genoss er die Erziehung eines
Oberkoches, bei welchem er das Leben der
heiligen Märtyrer, dann Ekharthausen, Gogol,
Gljeb Uspjensktj, Dumas den Älteren und
mehrere Bücher der Freimaurer las. Als
Gärtner wurde er plötzlich von einer heftigen
Neigung zum Studium ergriffen; er reiste nun
nach Kasan, musste jedoch, da ihm die Mittel
zum Studium fehlten, in das Bäckergewerbe
eintreten, womit er sich monatlich 3 Rubel
verdiente. Dieses Gewerbe hält er heute noch
für das schwierigste. Auch anderen Arbeiten
gieng er nach: So wurde er Holzknecht,
Lastenträger und Taglöhner. Im Jahre 1888
wollte er seinem Leben ein Ende machen und
legte Hand an sich. Genesen, trug er sich
mit dem Plane, einen Obsthandel zu betreiben.
Inzwischen kam er nach Zarizin, wo er sich
als Bahnwächter anstellen ließ. Bald aber
vertauschte er auch diesen Posten mit dem
freieren eines Kwas-Verkäufers. Schließlich
nahm ihn ein Advocat, A. J. Lanin, als
Schreiber auf. »Der Antheil, den Lanin an
meiner Erziehung nahm, war sehr groß«, sagt
Gorkij selbst. Von einem unüberwindlichen
Wandertriebe beseelt, konnte Gorkij auch bei
Lanin nicht lange bleiben. Es drängte ihn in
die Welt Als Heimatsloser durchzog er von
Stadt zu Stadt ganz Russland. Zurückgekehrt
in seine Vaterstadt, versuchte er es in Wolga-
Zeitungen mit kleinen Skizzen. Von V. Koro-
lenko entdeckt und in die Monatsrevue
»Russischer Reichthum« eingeführt, zog er
bald allgemeines Interesse auf sich.
Die ersten drei Bände seiner »Geschichten
und Erzählungen« hat Gorkij fast ausschließ-
lich dem Studium des russischen Proleta-
riats gewidmet. Sein Roman »Toma Gord-
jejev«, der im vorigen Jahre erschienen ist, wird
von der russischen Kritik als das (nach Tolstois
»Auferstehung«) bedeutendste literarische Werk
des letztverflossenen Jahres bezeichnet.
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