Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 2, S. 72
Text
Würdigung seiner Verdienste wird es von ihm einmal
heissen:
»Er war ein Dichter, der sich nicht nach der Schablone
anzog, eine eigenartige Begabung, die sich noch in der durch-
aus selbstständigen Form der Stiefletten äusserte. Dieser
sensitiven Natur ist ein falscher, nicht am Hemd an-
genähter Kragen stets stimmungswidrig gewesen. Seiner
scharfen Beobachtungsgabe, die noch durch ein feingeschlif-
fenes Monocle verstärkt war, entging kein Toilettefehler,
und die Empfindungen, die in ihm eine chike Cravatte her-
vorzurufen wusste, vermochte ihm ein Taschentuch, das zu
weit aus der Rocktasche heraushing, sogleich wieder zu zer-
stören. Die intensivsten Stimmungen, die originellsten Ge-
danken, welche Anderen zu literarischen Erfolgen ver-
holfen hätten, er hatte sie in seinen schönen Gürteln an-
gelegt. Dieser Dichter war eine Individualität. Gott schütze
uns vor seinen Epigonen!«
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 2, S. 72, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-02_n0072.html)