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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 13, S. 520

Text

520 KRITIK.

er seinen Weg finden. — — Wir
haben in dem vornehmen Buche
zu Ende geblättert und wenden
uns zum wiederholtenmale dem
entzückend-schönen Titelbilde zu,
das Heinrich Rauchinger, der be-
kannte Wiener Künstler, gemalt.
Es ist in Pastellfarben ausgeführt
und wirkt durch seinen intimen
Reiz und den von jeder Manier
und Schablone freien subtilen
Charakterzug. Wir sehen nichts
als ein paar krampfhaft verzogene
Hände, die im fieberhaften Ver-
langen nach der Mondscheibe
greifen und die weissen, schimmern-

den Sterne vergebens zu erhaschen
suchen; wir sehen nichts als die
sehnsüchtig gekrümmten Finger
und die silberne, zitternde Mond-
fläche mit dem strahlenden Sterne-
reigen. Eine eigenartige, tiefe Poesie
erfüllt das kleine, scheinbar unbe-
deutende Blatt. Wie geheimnissvoll
bange muthet uns der dunkle,
bläuliche Grundton an! Wie von
weichen Traumfittigen getragen,
schimmert durch einen fernen
Silberschleier der Titel des Buches
hindurch: Lunatica.

Leo Grünstein.



Herausgeber und verantwortlicher Redacteur: Rudolf Strauss.

Ch. Reisser & M. Werthner, Wien.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 13, S. 520, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-13_n0520.html)