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mann: »Wir dürften von ihm wohl
einen Proletarierroman grossen
Styles und, was noch mehr wäre,
das Proletarierdrama er-
hoffen, das uns gerade deshalb
fehlt, weil die Leute, die derartige
Stoffe behandeln, glauben, es liesse
sich durch blosse Documentauf-
reihung leisten.« Was der Kritiker
vorhersagte, ist nur zum Theile
eingetroffen: Philipp Langmann hat
in »Barthel Turaser« ein, wohl
gemerkt ein, und nicht das ver-
sprochene Proletarierdrama ge-
schaffen: Eines unter den vielen,
deren Gipfelpunkt nach wie vor
Gerhart Hauptmann’s grösstes Werk
»Die Weber« bleibt und bleiben
wird. Wohl führt der Autor in
seiner beobachtenden und durch-
dringenden Weise, die ihn schon
in den Skizzen: »Arbeiterleben«
und »Ein junger Mann von 1895«
auszeichnete, ein Stück realer Welt
vor Augen; wohl werden in mar-
kiger Sprache kluge Gedanken aus-
gesprochen, und wohl wird auch,
was Langmann bezweckt, Mitleid
mit dem Schicksal der arbeitenden
Parias erzielt — aber als Drama,
als reines Kunstwerk genommen,
ist »Barthel Turaser« doch nichts,
als ein ehrlich gemeinter Beitrag
zur Erfassung und endgiltigen
Lösung der wichtigsten Culturfrage,
der socialen Bewegung.
Es ist überhaupt kaum zweifel-
haft, dass jetzt der Moment für
das abgeklärte, vollendete und ab-
schliessende Proletarierdrama noch
nicht gekommen sei; wenn auch
die Bewegung im vollen Zuge ist
— das letzte Wort wurde noch
lange nicht gesprochen, und voll-
ends nicht durch Barthel Turaser’s
laut Apostrophen an die indolente
Bourgeoisie; sie werden verhallen
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wie die Mahnungen so manchen
grösseren Geistes, der früher schon
gesprochen und gewarnt
Alfred Neumann.
Horatius Travestitus. Ein
Studentenscherz. Verlag von
Schuster & Loeffler, Berlin.
Ein merkliches Bestreben geht
durch die Zeit. Zur Ruhe wollen
wir nach den lauten Kämpfen, zu
innerer Ordnung nach wilder
Zerrissenheit. Mit weissen Märchen-
schwingen ist uns der grosse Friede
vorübergerauscht, und in drängen-
der Sehnsucht schreiten wir alle
ihm zu. Wir wollen poetisch werden,
wie man es heute gerne nennt.
Der Weg ist weit und steil, aber
nicht allzufern leuchtet ein Mark-
stein, in dessen mildem, vornehmem
Glanz es sich für Augenblicke gut
ruhen lässt: Horaz, der für das
Leben in der Kunst Versöhnung
fand, der sein Glück und seine
Betrübniss, ihre wonnigen Gefahren,
gleichmüthig in Worte vertheilte
und zu Rhythmen auszählte, der bei
fallenden Rosen, bei Classikerwein
und liebenden Frauen das carpe
diem und ne quid nimis vereinen
konnte. Er war ein Friedsamer,
doch kannte er nur die Windstille
der Thäler. Die Andacht des
Höhenfriedens, wo die Stürme
schweigen, wo uns das Heil winkt,
blieb ihm fremd. So mag denn
Einen der Unseren, der weiter muss,
das Verlangen überkommen, dem
alten, lieben Herrn, der es sich im
Grunde so leicht gemacht, einen
Schlafrock umzuhängen, eine Kna-
sterpfeife in den Mund zu stecken,
und ihn bei einem guten Tropfen
am Stammtisch seine Oden er-
zählen zu lassen. Es liegt etwas
Befreiendes darin, die Ueberwin-
dung des Zurückbleibenden. Darum
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