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Raimund-Theater. Girardi’s
Popularität ist nicht an den
Gemeindebezirk gebunden. Der
schmollend die Wieden verliess,
wurde in Gumpendorf als der
heimgekehrte Sohn mit Jubel em-
pfangen. Wieder einmal leuchtete
Girardi’s Naturell auf den unweg-
samsten Pfaden der Wiener Volks-
bühnenmisere. Er, der der schlot-
terigsten Figur Charakteristik und
Rückgrat verleihen kann, in dessen
Munde die seichteste Bespöttelung
localer Missstände zur handfesten
Satire wird, vermag sich selbst
aus den Niederungen der Krenn
und Lindau in die Regionen
menschlichen Humors zu schwin-
gen. Uebrigens darf man die an-
spruchslose Dummheit, wie sie
sich im »Herrn Pomeisl« offen-
bart, der speculativen Paralyse vor-
ziehen, die uns von den Wiener
Bühnen anweht, so oft beispiels-
weise Victor Léon das Wort hat.
In dem Gemenge von naivem
Stumpfsinn und öden Clownerien,
die die Zugkraft des Brettls zu
Hilfe nehmen, blitzt doch hin und
wieder ein Witz auf, ja eine Wen-
dung von Nestroy’scher Schlagkraft.
Krenn und Lindau machen den-
selben schüchternen Versuch zur
Gestaltung einer Hauptfigur, den
sie schon im »Armen Mädel« und
im »Nazi« gewagt haben. Wieder
liefert ihnen Girardi die Charak-
teristik, indem er durch alle Ver-
wandlungen den Wiener Volks-
typus festhält, der mit socialen
Floskeln herumwirft, aber höchstens
für die christlich-sociale Idee
reif ist.
K. K.
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Carltheater. »Die Geisha«
grosse Ausstattungsoperette in zwei
Acten von Owen Hall. Musik von
Sidney Jones.
Der blinde Zufall, nicht die
Sicherheit in der Beurtheilung ein-
gereichter Novitäten hat diesem
Theater nach Langem wieder einen
Treffer verschafft. Es war eigentlich
recht gewagt, uns nach dem »Mi-
kado« nochmals ein japanisches
Sujet zu bringen; da aber ein ge-
wiegter Librettist nichts grundlos-
unternimmt, so wurde dem uns
schon bekannten Milieu gleich-
zeitig die Verpflichtung auferlegt,
dem in seiner Dürftigkeit und Witz-
losigkeit lebhaft an die Erzeugnisse
der »beliebten« Wiener Operetten-
textfabrikanten erinnernden Text
durch allerhand scenische Grup-
pirungen und Tanzevolutionen zu
Hilfe zu kommen. Aber auch diese
Unterstützung wäre ohne die gra-
ziösen Weisen des Componisten
fruchtlos geblieben. Letzterer macht
gewiss keinen Anspruch auf Ori-
ginalität; auch wirken die einzelnen
Musiknummern durch den stets
gleichen Aufbau etwas ermüdend
— trotzdem beweisen uns einige
kleine Züge der Partitur das Vor-
handensein von musikalischem Em-
pfinden, welches wir bei jenen rou-
tinirten Capellmeistern und begab-
ten »Dilettanten«, die (von Strauss
und Millöcker abgesehen) zur Zeit
unsere heimische Operettenmuse
repräsentiren, vergebens suchen
würden.
H. K—r.
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