Text
Liebeshymnus. 1.
Gekommen ist deine Liebe,
Da ward Gesang meine Seele.
Meine Liebe will ich dir sagen,
Höre meiner Seele Gesang.
Auf deinen Purpurwangen
Verweilte lachende Morgenröthe,
Aber unter der Weisheit deiner Brauen
Träumen dunkle Fragen der Nacht.
Wie Goldwölkchen im Abendwinde
Wehen die Locken deiner Stirne;
Die Hochfluth deiner Haare,
Ein wallendes Weizenfeld im Sommer.
Gleich dem würzigen Athem der Wiesen
Ist der Wohlgeruch deines Mundes;
Der Hauch deiner Brüste
Wie Vergissmeinnicht und Veilchen.
Der Blick deiner Augen
Ist glänzende Verheissung,
Ersehntes Wetterleuchten
Nach langen, regenlosen Wochen.
Deine kosende Stimme
Das Tönen tanzender Sterne;
Aber ein grollendes Wort von dir
Das Donnern untergehender Welten.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 2, S. 50, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-02_n0050.html)