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alten Firmen, welche den deutschen
Theatermärkten ihre Waare so lange
prompt und billig geliefert haben,
verlieren allmählich ihren Credit;
umsonst werden die bewährtesten
Spässe hervorgesucht und ganze
Jahrgänge der »Fliegenden« geplün-
dert — für die Feinheiten des
»Liquidator« oder des »Hans Hucke-
bein« vermag kaum noch der
Franz Josefs-Quai das nöthige Ver-
ständnis s zu entwickeln. Nun reichen
sich praktische Theaterkenner und
Schriftsteller, die sehen, dass die
»Kunst« allein in Wien nicht zur
Popularität verhilft, die Hände, um
der alten Industrie aufzuhelfen;
die Sache bleibt zwar in der Haupt-
sache beim Alten, wird aber durch
actuelle Stoffwahl interessanter und
durch Anwendung moderner Tech-
nik auch dem besseren Geschmack
weniger unerträglich, während ihr
noch durch die gangbare Fünf-
kreuzersatyre ein literarischer An-
strich verliehen werden soll. Ja,
diese Satyriker der Bierbank! Nicht
einmal Hofräthe sind sicher vor
den Pfeilen ihres spatenbräuent-
stiegenen Hohnes. Trotzdem übri-
gens Sachverständige behaupten,
die Gerichte in Oesterreich seien
noch immer besser als die Burck-
hard’schen Stücke, kann man dem
Autor der »Bürgermeisterwahl«
eine gewisse Gestaltungskraft nicht
absprechen; Figuren wie der Derfler
könnten von Anzengruber sein.
Schon die Idee, im Hintergrunde
der Bühne, auf der alle diese
kleinen Leute so sorglos ihren
kleinen Gemeinheiten nachgehen,
den Schatten des Unbekannten zu
zeigen, der Zukunft, die alle diese
Ueberreste überwundener Lebens-
formen verschlingen wird, ist nicht
ohne Grösse der Auffassung. Die
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vielbesprochene Regeneration des
deutschen Lustspiels freilich steht
mit allen Stücken dieser Art nur
in sehr entferntem Zusammenhang;
diese müsste uns vom »Leben« doch
ein wenig mehr geben als seine
äusserste Oberfläche.
f. r.
Franz Stuck in Wien.
Der Kunsthändler H. O. Miethke
ist lebhaft bemüht, sich um die
moderne Kunst bei uns alle jene
Verdienste zu erwerben, zu deren
beharrlicher Ausserachtlassung wir
uns in Wien einer Künstlerge-
nossenschaft erfreuen. Da die
letztere nichts halb zu thun pflegt,
bleibt dem ehrlichen Wollen des
Herrn Miethke ein bedeutendes
Feld offen. So hat er nun Franz
Stuck zu sich geladen, der bei
den letzten jours de vernissage im
Künstlerhause durch seine Ab-
wesenheit zu glänzen pflegte oder
doch nur zu einem kurzen »Muss-
besuch« erschienen war. In dem
grossen Bildersaale der Galerie
Miethke sind nun etwa dreissig
Unterlassungssünden der Wiener
Künstlergenossenschaft zur allge-
meinen Beurtheilung ausgestellt.
Sie tragen das Signum Franz Stuck
und geben ein Bild von der
ausserordentlichen Bedeutung dieses
Künstlers, dessen Art eine so
wundersame Mischung von Antike
und Romantik bedeutet, zweier
Elemente der Kunstauffassung, die
beide in einer Verbindung auf-
gehend ein neues Fremdes und
Eigenartiges geben. Wie zahlreiche
Künstler auch ihre Kräfte im
Ringen nach der Antike aufrieben,
von Carstens zu Genelli und Feuer-
bach — der modernen Kunst
war es dennoch beschieden, sie
durch die Gewalt und Freiheit
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