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nur nicht auf den Verkehr mit Literaten ein. Das
schwächt. Die Künstlerbewegung, die zu verlassen Sie Lust haben,
ist ein Leben unter Auguren bei verhängten Fenstern, Wenn Sie
einmal in ihre Zusammenkünfte eingedrungen sind, werden Sie die
ganze Misère gesehen haben. Entweder Sie besprechen Fragen des
Berufes oder sie verleumden einen Abwesenden oder sie reden so ein-
fältige Dinge, wie sie viele Bourgeois nicht reden wollten. Es gibt
Kaufleute, welche wahre Menschen sind, Leute von geradem Herz und
Verstand und symbolistische Poeten, die weder als Poeten, noch als
Individuen bestehen können. Fliehen Sie und suchen Sie! Wenn Sie
glücklich sind, werden Sie bald zu grösseren Actionen kommen. Sie
sagen: »Ah, es ist schwer, mit der Menge in Contact zu kommen.«
Denken Sie, dass es schwieriger ist, wie sich in eine literarische Bruder-
schaft aufnehmen zu lassen?
Sie fragen: »Was gibt’s denn zu thun?« Aber es gab niemals
irgend etwas zu thun — — ausser für diejenigen, welche Lust zum
»Thun« hatten, und diese finden stets ihre Anlässe. Fragen Sie mich
nur nicht: »Was gibt’s zu schreiben?« weil sie dann wieder nur
mit Worten zahlten. Wir haben genug Worte gehört. Drei Viertel
unserer Dichter hätten nach ihrem Buch stillschweigen können, aber
sie begannen von rechts nach links zu schreiben, dasselbe unter einem
anderen Titel, aber nicht um einen Schritt weiter nach vorwärts ent-
wickelt. Gerade dies hat den Aerger, die Langeweile erzeugt, welche
Sie jetzt fühlen. Denn schliesslich haben Sie dieselbe Manier wie einst,
sie sind sogar in Folge der Uebung gewandter, und doch machen Sie
einen widrigen Eindruck. Und glauben Sie, wenn Sie die geistige
Energie in diesen Dichtungen einschätzen wollten, man würde be-
sonders viel finden? Machen Sie es nicht so! Sagen Sie sich, dass die
geistige Energie Ihrer Schriftlichkeit umgewandelt werden könne in
ihren activen Werth. »Was gibt’s zu thun?« Nichts? Dieses Nichts
ist in Wirklichkeit Ihre ganze Epoche, welche wartet, dass man handle.
Sie bezeichnet nichts, sie fragt nichts, denn wenn sie dies vermöchte,
wäre es schon der Beginn der Ausführung. Die Stellung einer Frage
ist bereits der Anfang ihrer Lösung. Wenn Sie fragen: »Was gibt’s
zu thun?« wollen Sie, dass man Ihnen schon eine bestimmte That
bezeichne! Sie bieten sich an wie ein Beamter, nicht wie ein Er-
finder! Glauben Sie, dass unserer Zeit nichts fehlt? Aber sehen Sie
sich doch diese Zeit an, welche unsere Symbolisten verleugneten, ohne
in ihr gelebt zu haben! Betrachten Sie sie: unruhig, fiebernd, morsch
in seiner alten Politik, seiner alten Moral, von Einbildungen und
Tragik lebend, jeden Tag hoffend, dass es morgen schon anders sein
werde. Leben Sie aufrichtig, und Sie werden entdecken, was Sie thun
müssen.
Ich bin überzeugt, dass diese intelligente Generation irre ge-
gangen ist eben durch die Excesse ihrer Intelligenz. Ich war ja auch
mit dieser Intelligenz verknüpft, sie hat mich enttäuscht. Ich habe
mich vergewaltigt gefühlt durch den Frost, die Kälte dieser Logik,
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 4, S. 126, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-04_n0126.html)