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falt einzelner kleinrussischer Land-
gutbesitzer, welche an Gargantua
und Panurge erinnern, vor jenen
fabelhaften Tauf- und Todten-
mählern, bei welchen ganze Lämmer
und Ferkel verspeist werden, wie-
der begegnen wir einzelnen länd-
lichen Gestalten von naiver Nieder-
tracht, wie sie der Alles, selbst die
Gemeinheit, verfeinernde Westen
kaum mehr hervorbringt, und rüh-
renden einfachen Bildern stummen
Leidens, aber zugleich gewahren
wir zwischen den zahlreichen Fi-
guren dieses Buches einzelne blasse,
schlanke Gestalten, moderne, rus-
sische Menschen, die gleich uns
die Last einer Jahrtausende alten
Cultur tragen und deren durch un-
aussprechliche Leiden verklärte
Seelen von Kämpfen und Erschö-
pfungen wissen, welche vor dieser
Zeit dem Menschen unbekannt
waren. In der Darstellung solcher
Persönlichkeiten zeigt uns die Ver-
fasserin deutlich eine neue Seite,
welche in ihrem ersten Buch nur
zu ahnen war. Hauptsächlich ge-
schieht dies in der Novelle »Marie
Kalinine«, dem besten Theil des
Buches, welche als Motto das Wort
Christi tragen könnte, dass wir
über jedes unnütze Wort Rechen-
schaft ablegen müssen, denn ein
unüberlegt hingeworfenes Wort,
dem der Sprecher selbst keine
Bedeutung beilegte, schafft hier
Larven, welche eine Kette von Un-
heil hervorrufen. Das Buch ist
wieder reich an charakteristischen
Scenen aus dem russischen Leben
sowie an zarten Beobachtungen.
Wie fein sind in »Souvenirs« die
Empfindungen jener Mutter dar-
gestellt, welche ihren ältesten Sohn,
den sie bisher zu Hause erzogen,
in das finstere Internat der Stadt
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begleitet, wo er »wie die Andern«
behandelt wird, wo er bei seinem
Familiennamen gerufen wird, wo
ihn grobe Lehrer anfahren dürfen
und grobe Kameraden seine Stube
theilen.
Ein besonderer Vorzug dieses
Buches dürfte noch der Umstand
sein, dass es keiner literarischen
Schule angehört, sondern dass es
einfach »bien écrit« ist.
Paris. O. A. H. Sch.
Stanislaw Przybyszew-
ski. Ueber Bord. Roman (Homo
sapiens I.) Berlin, Hugo Storm.
1898.
Ich kann diesem verworrenen,
aufgeregten Schriftsteller nicht die
Freude machen, ihn mit Felicien
Rops zu vergleichen. Er hat auch
nichts von dieser grandiosen Macht
einer überlegenen, nach Kämpfen
lächelnden Selbstsicherheit. Wie in
Brunst und mit Toben sind seine
hässlichen Bücher geschrieben, und
sie hinterlassen — das ist das
Aergste — gar keine Emotion,
geschweige eine Stimmung in dem
geärgerten Leser. Dieser ganz er-
staunlich in das Deutsche hinein-
gewachsene, immer aber noch mit
seinem ihm spröden Stoffe ringende,
überlaute Pole hat den Künstler
in seiner keuchenden Seele noch
lange nicht entdeckt.
R. Schaukal
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Bibliothek für Bücher-
liebhaber. Ein dankenswerthes,
von den Besseren mit Freudigkeit
zu empfehlendes Unternehmen hat
der bekannte Kunstverlag Fischer
& Franke in Berlin (W. 35) mit
Achtung gebietendem Muthe un-
serem geschmacklosen Publicum
gegenüber in Angriff genommen.
Das Buch als Kunstwerk, das
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