Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 237

Deutsches Volkstheater Directionswechsel im Burgtheater Arnau’sche Theaterschule

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 237

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NOTIZEN. 237

zutage Beaumarchais zu spielen
habe, so hielten sich Alle an das
Bearbeitungsniveau des Herrn Fulda,
den zu bewältigen man aus seinen
eigenen Stücken hinlänglich Rou-
tine besitzt. So verliess denn das
Publicum unbefriedigt das Haus,
und der Direction des Volks-
theaters erübrigt die Klage: Beau-
marchais ist doch kein echter
Fulda!

—i— .

Arnau’sche Theater-
schule. Schon nach wenigen
Elevenvorstellungen dieses jungen
Institutes kann man constatiren,
dass die Zöglinge hier auf ein
viel höheres Niveau gebracht werden
als in der in den letzten Zügen
liegenden Schauspielschule des
Conservatoriums. Blick für Talente
und gute Schulung mittlerer Be-
gabungen, insoweit solche für
den Theaterorganismus unerlässlich
sind, geben hier den Darbietungen
ein beruhigendes Gepräge. Nur in
der Auswahl der Piècen bleibt
man leider noch immer auf den
ausgefahrenen Geleisen. Heraus-
gerissene classische Scenen und
hölzerne Theaterschulstücke bil-
deten wieder das Programm. Auf
diesem Boden müsste auch die
beste Lehrmethode bald zu Schan-
den werden. In unserer Ueber-
gangsepoche ist nichts schwan-
kender als der classische Styl. Als
dieser noch, wie man sagt, »fest
stand«, mag der Schülerweg, vom
Classischen aus genommen, der
richtige gewesen sein. Man hat
beim Lehren von dem auszugehen,
was geringerem Zweifel ausgesetzt
ist, und heute steht wenigstens
die Idee vom Modernen fest. Ge-
rade vom Classischen halte man
die Eleven fern, bis die mensch-

liche Urnatur aus dem Modernen
wieder neu destillirt ist und als
solche in das Classische zurück-
getragen werden kann. Nur mo-
derne Stücke sollten geübt werden,
die keine eigentlichen Fachrollen
enthalten, wo die Bühnencharaktere
menschlich umfassend sind. Jeden-
falls aber werden papierene Schul-
stücke zu eliminiren sein, in denen
die chemische Zusammensetzung
menschlicher Eigenschaften eine
willkürliche ist. Der Bequemlichkeit
unserer Theaterdirectoren, die sich
persönlich nicht viel in der Pro-
vinz nach Talenten umschauen,
wird die Arnau’sche Theaterschule
Vorschub leisten. Hier werden sie
leicht finden, was sie brauchen.
Schon jetzt präsentiren sich: eine
sehr begabte Sentimentale, Fräulein
Wreden, eine tragische Naive
von modernen Qualitäten, Fräulein
Gauby, eine Komikerin und
Soubrette, Fräulein Sachs, die
alle Eigenschaften einer künftigen
Zugkraft ersten Ranges hat. Diese
drei Damen sind tadellose Bühnen-
erscheinungen. Noch sind Fräulein
Richter und von den Herren die
Komiker Freund und Fischer,
die Liebhaber Sattler und Heyse
aufmunternd zu nennen.

—i— .

Directionswechsel im
Burgtheater. Endlich ist Herr
Burckhard seines Amtes ent-
hoben. Unsere stetige Beweisführung
seiner Unfähigkeit entbindet uns er-
freulicherweise der Mission, in dieser
Richtung etwas abschliessend nach-
tragen zu müssen. Allerdings hat er
noch im letzten Augenblick kleine
Ergänzungen für sein Bild geliefert:
Am 22. Jänner, dem Geburtstage
Lessing’s, liess er den »Liquidator«
von Triesch spielen, und am aller-

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 237, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-06_n0237.html)