Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 248
Text
Mondschein, Flüstern, banger Athem — dafür gebe ich jetzt keinen
Kupfergroschen mehr! Die Anwesenden ausgeschlossen, sind alle Frauen,
junge und alte, affectirt, kokett, klatschsüchtig, gehässig, durch und
durch verlogen, eitel, kleinlich, grausam; ihre Logik ist empörend, und
was dieses Ding da anbetrifft (schlägt sich auf die Stirn) so kann —
nichts für ungut — ein Sperling einen beliebigen weiblichen Philo-
sophen beschämen! Schaut man solch ein poetisches Geschöpf aus der
Ferne an, so erblickt man in demselben ein ätherisches, gottähnliches
Wesen, man schwimmt im Entzücken, blickt man aber in die Seele,
so zeigt sich das gewöhnlichste Krokodil von der Welt! (Er greift einen
Stuhl an der Lehne; derselbe kracht und bricht.) Am Empörendsten ist es
aber, dass dieses Krokodil sich einbildet, sein alleiniges Privilegium,
sein Monopol seien die zärtlichen Gefühle! Mag mich doch der Teufel
holen, mag man mich mit dem Kopf nach unten an diesem Nagel hier
aufhängen, wenn es nicht wahr ist, dass die Weiber Niemand ausser
ihre Bologneserhündchen lieben können? In der Liebe verstehen sie
nur zu greinen! Wo der Mann leidet und opfert, äussert sich ihre
Liebe nur darin, dass sie mit der Schleppe rauschen und geschickt an
der Nase herumführen möchten. Sie haben das Unglück, eine Frau zu
sein, folglich kennen Sie die Natur des Weibes aus eigener Erfahrung.
Sagen Sie mir doch ganz offen: haben Sie je in Ihrem Leben eine
Frau gesehen, die aufrichtig, treu und beständig wäre? Das haben Sie
nicht! Treu und beständig sind nur Greisinnen und Krüppel! Man
könnte eher eine Katze mit Hörnern oder eine weisse Schnepfe finden,
als ein beständiges Frauenzimmer!
Frau Popowa. Erlauben Sie, wer liebt denn, ihrer Meinung
nach, treu und beständig? Doch nicht der Mann?
Smyrnow. Ja wohl, der Mann!
Frau Popowa. Der Mann (lacht ironisch), der Mann liebt treu
und beständig! Was für eine Neuigkeit! (Eifrig.) Was für ein Recht
haben Sie, das zu behaupten? Die Männer sind treu und beständig!
Wenn es darauf ankommt, so werde ich Ihnen sagen, dass unter allen
Männern, die ich kannte und kenne, mein seliger Mann der beste war
Ich liebte ihn leidenschaftlich, mit Leib und Seele, wie nur eine junge,
denkende Frau lieben kann; ich opferte ihm meine Jugend, mein
Glück, mein Leben, mein Vermögen, er war mir Alles, und ich ver-
götterte ihn wie eine Heidin, und und — was that er? Dieser beste
aller Männer betrog mich auf die schamloseste Weise auf Schritt und
Tritt! Nach seinem Tode fand ich in seinem Schreibtisch eine ganze
Schublade mit Liebesbriefen, und als er am Leben war — ich denke
mit Schaudern daran zurück — da liess er mich ganze Wochen allein,
machte in meiner Gegenwart anderen Damen den Hof, brach die Treue,
vergeudete mein Geld und spielte mit meinen Gefühlen Und trotz
alledem liebte ich ihn und blieb ihm treu Noch mehr, er ist schon
todt, und ich bin noch immer treu und beständig Ich habe mich
auf ewig in diesen vier Wänden eingeschlossen und werde bis an mein
Lebensende diese Trauerkleider nicht ablegen
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 248, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-07_n0248.html)